Ausgangssperre in Niederlanden bleibt vorläufig doch in Kraft

Will sich erst einmal zurückhalten: Niederländische Polizei. Bild: Politie Nederland, CC BY-SA 4.0

Maßnahmenkritiker und Regierung treffen sich in Hauptverhandlung wieder. Polizei kündigt bis dahin Zurückhaltung an

Es war bis in den gestrigen Dienstagabend hinein ein beinahe fünfstündiges Tauziehen am Berufungsgericht in Den Haag: Um 16 Uhr begann dort eine Eilverhandlung, nachdem erst am Vormittag das Gericht in erster Instanz die Ausgangssperre per einstweiliger Verfügung für illegal erklärt hatte. Gegen 20:30 Uhr verkündete das dreiköpfige Gremium in höherer Instanz dann aber die Aussetzung dieses Urteils, also gerade rechtzeitig vor Beginn der Ausgangssperre um 21 Uhr. (Niederländische Sperrstunde illegal)

Beendet ist der Rechtsstreit damit noch nicht: Schon am kommenden Freitagvormittag soll die inhaltliche Behandlung im Hauptverfahren weitergehen. Wahrscheinlich wird die Regierung bis dahin eine bessere gesetzliche Grundlage für die scharfen Einschnitte geschaffen und damit den größten formalen Mangel der heutigen Regelung beseitigt haben.

Die Supermärkte hatten während der Hängepartie bereits angekündigt, sich an die Ausgangssperre zu halten. Meldungen von der Polizei sorgten allerdings für Überraschung: Einerseits wurde zwar angekündigt, man werde die Lage genau beobachten; selbst ohne die Ausgangssperre seien Versammlungen im Freien weiterhin verboten.

Andererseits berichtete Willem Engel, einer der führenden Köpfe hinter der Gruppierung "Viruswaarheid", die gegen die Pandemie-Maßnahmen protestiert, die Polizeibehörden von Amsterdam, Den Haag und Rotterdam hätten ihm zum Gewinn des ersten Verfahrens gratuliert. Offizielle Polizeivertreter stellten hinterher klar, es habe sich dabei eher um persönliche Äußerungen verschiedener Kontaktpersonen gehandelt.

Polizei will Zurückhaltung üben

In der Eilverhandlung unterstrich der Anwalt der Regierungsseite die dringende Erforderlichkeit der strengen Einschränkungen. Die Ausgangssperre jetzt aufzuheben sei so, als würde man bei einem brechenden Deich die stützenden Sandsäcke wieder entfernen. Zur Untermauerung hatte man Professor Jaap van Dissel als Zeugen zur Sitzung mitgebracht, den Direktor des RIVM, vergleichbar mit dem deutschen Robert-Koch-Institut.

Der Anwalt von "Viruswaarheid" wiederholte vor allem Argumente aus dem früheren Urteil. Beispielsweise würden aktuelle Zahlen aus Großbritannien zeigen, dass auch die Mutationen des Coronavirus weniger gefährlich seien, als man zunächst dachte. Auch seien die Krankenhäuser nicht mehr überlastet. Von einer dringenden Notsituation könne daher keine Rede sein.

Kurz nach Beginn der Eilverhandlung hatte man zunächst einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin gestellt. Dieser wurde von einer anderen Kammer des Berufungsgerichts aber in allen Punkten zurückgewiesen. Die Eilverhandlung wurde dann fortgesetzt und vollständig per Live-Stream übertragen.

Die nationale Polizei übt sich derweil in Deeskalation: An den kommenden Tagen, bis der Rechtsstreit endgültig geklärt ist, werde man auf Verstöße gegen die Ausgangssperre zurückhaltend reagieren. Das heißt, dass man Bürgerinnen und Bürger bei Regelverstößen erst verwarnen will, anstatt gleich Geldbußen zu verteilen.

Auf die - wegen eines anderen Skandals ohnehin schon zurückgetretene - Regierung des amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte wirft die ganze Sache aber ein zweifelhaftes Licht: Dass die gesetzliche Grundlage unzureichend war, stand schon länger im Raum. Hier hat wohl vor allem das Justizministerium gepatzt. Vor Gericht ist man nun in der schwierigen Lage, einerseits zeigen zu müssen, dass an den weitreichenden Einschränkungen kein Weg vorbeiführt; andererseits lässt man zahlreiche Ausnahmen zu, damit sie noch als verhältnismäßig gelten können.

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