Auto-Herstellung: "Menschenrechtlich relevante Risikobranche"

Es geht nicht nur um Sprit und Emissionen, sondern auch um Rohstoffe. Organisationen fordern: Klimaschutz und Ressourcenverbrauch sollen zusammengedacht werden

Immer größer, immer schwerer, immer leistungsstärker - das ist der Trend bei deutschen Autos. Und die Deutschen lieben ihre "Sport Utility Vehicles" (SUV): Im Jahre 2017 wurden erstmals mehr SUV und Geländewagen neu zugelassen als Kleinwagen. 2020 machten beide Fahrzeugtypen schon ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge in der Bundesrepublik aus. Hält der Volkswagen-Konzern sein Ziel ein, dann liegt 2025 der SUV-Anteil an allen verkauften Fahrzeugen bei mehr als 50 Prozent.

Diese Entwicklung ist ein Problem für den Klimaschutz: Größere Fahrzeuge fressen mehr Sprit und stoßen mehr Kohlendioxid aus. Sie fressen aber auch mehr Ressourcen, die in anderen Ländern oftmals unter zweifelhaften Bedingungen abgebaut werden. Umweltschutz und Menschenrechte spielen oft nur eine untergeordnete Rolle.

In einem Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem letzten Jahr wird die Automobilindustrie entsprechend als "menschenrechtlich relevante Risikobranche" bezeichnet.

Die Organisationen "Brot für die Welt", Misereor und PowerShift haben dieser "Risikobranche" kurz vor Eröffnung der Automobil-Messe IAA eine Broschüre gewidmet. In "Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit" plädieren sie dafür, die Mobilitätswende zusammen mit einer Rohstoffwende zu denken. Verbrennungsmotoren sollen einerseits von den Straßen verschwinden.

Andererseits soll der gesamte Fuhrpark in Deutschland kleiner werden - nicht nur von der Stückzahl, sondern auch von der Größe her. So wird nicht nur der Bedarf an fossilen Treibstoffen sinken, sondern auch der an anderen Rohstoffen.

Allein der Bedarf an Metallen ist beachtlich: In jedem Pkw stecken mehrere Hundert Kilogramm Aluminium und Stahl. Beide Metalle machen den mit Abstand größten Anteil an den sogenannten Konstruktionswerkstoffen aus. Ihre Herstellung ist allerdings äußerst energieintensiv.

So hat die weltweite Stahlproduktion von 1900 bis 2015 schätzungsweise neun Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum verursacht. Der Aluminiumsektor ist für rund zwei Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Entsprechend verursachen die beiden Metalle auch einen erheblichen Anteil der CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Autos, nämlich ca. 60 Prozent.

"Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit"

Zugleich ist der Abbau der Erze verbunden mit Verletzungen der Menschenrechte und mit Umweltverschmutzungen. Die Produktion erfolgt oft dort, wo die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind.

In diesem Zusammenhang sei an dem Dammbruch im brasilianischen Tagebau Córrego do Feijão von 2019 erinnert, bei dem zwölf Millionen Tonnen giftiger Minenschlämme aus dem Rückhaltebecken der Eisenerzmine 272 Menschen unter sich begrub - und sowohl Flüsse der Region als auch das Grundwasser vergiftete.

Das ist nicht das einzige Unglück in Brasilien. Im November 2015 brach in Mariana ebenfalls der Damm eines Rückhaltebeckens einer Eisenerzmine. Damals ergoss sich eine Flutwelle von 40 Millionen Kubikmetern schwermetallhaltigen Schlamms über die Region und begrub den Ort Bento Rodrigues unter sich.

Diese Beispiele sind von Bedeutung, bezieht die deutsche Industrie doch erhebliche Mengen des benötigten Eisenerzes aus Brasilien. Von den rund 39 Millionen Tonnen im Jahr 2019 importierte Deutschland rund 45 Prozent aus Brasilien.

Egal ob beim Eisenerz, Bauxit, Kupfer, Lithium, Kobalt oder Nickel - die Broschüre listet zahlreiche Problemfälle auf, die allerdings oft unter den Tisch fallen, wenn die Geschäfte von Autokonzernen betrachtet werden. Dass ein verantwortungsvoller Rohstoffbezug von Bedeutung sein sollte, hat erst mit dem Aufkommen der Elektromobilität an Relevanz gewonnen.

In der verkehrspolitischen Debatte bleiben die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kosten des Abbaus von Rohstoffen für die Autoindustrie nach wie vor außen vor, heißt es bei den drei Organisationen. Gleichzeitig machen sie auf die Widersprüchlichkeit des Themas aufmerksam.

Am Beispiel Kobalt zeigen sie, dass der Abbau von Kobalt von sogenannten Kleinschürfern in der Demokratischen Republik Kongo problematisch ist, aber ein industrieller Abbau für etwa eine Million Menschen den Verlust des Einkommens bedeuten könnte.