Baerbock & Co.: Deutsche Außenpolitik setzt auf Sanktionen statt auf echte Partnerschaft

Die Ampelkoalition verzettelt sich mit Sanktionen und Normen-Heuchelei auf der Weltbühne. Der Globale Süden zeigt Deutschland zunehmend die kalte Schulter. Was läuft falsch?

Krisen, Konflikte und Konkurrenzen – das waren die aufreibenden Kontextbedingungen, die seit dem Amtsantritt der Ampelkoalition das außenpolitische Handeln prägten. In diesem Umfeld hat sich die deutsche Außenpolitik in dieser ersten Phase schwergetan, sich jenseits des Kriegsgeschehens eine international tragende Rolle zu sichern und als Wegbereiter für weltpolitische Initiativen sichtbar zu werden.

Bislang ist es im Zeichen der Krisenpolitik noch nicht gelungen, der deutschen Außenpolitik eine starke Kontur zu verschaffen, sei es im europäischen Feld ordnend und verbindend ein Bezugsfeld zu beschreiben, noch in weltpolitischem Maßstab Deutschland als Standort für klare Positionen im Sinne internationaler Verständigung zu vermitteln.

Die krisenbedingte Engführung des außenpolitischen Handelns scheint sich in einer beginnenden zweiten Phase zugunsten einer stärkeren internationalen Präsenz im Zeichen der Suche nach neuen Partnern zu weiten. Auf diesem Weg läuft die Regierung indes Gefahr, an dem Versprechen des Koalitionsvertrages zu scheitern, dass "die deutsche Außenpolitik (…) aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten (soll), um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen".1

Außenpolitik als Sanktionspolitik

Zunehmend ist auch den politischen Akteuren bewusst geworden, dass eine in zentraler Weise auf Sanktionen ausgerichtete Außenpolitik wegen ihres reaktiven und restriktiven Charakters (jenseits der Frage ihrer Wirksamkeit) zwar auf ein positives Medienecho und Applaus im heimatlichen Publikum stößt, aber die damit verbundene "normative Aufrüstung" eine gestalterische Aufstellung diplomatischen Handelns verbaut.

Ob im Kontext des Ukrainekrieges oder bei Protesten im Iran – der Zugriff auf das sanktionspolitische Instrumentarium hat sich inzwischen zum Standardrepertoire der Außenministerin entwickelt, das auch der normativ aufgeladenen Grundausrichtung ihres Verständnisses deutscher Präsenz in der internationalen Politik entspricht.

Angesichts der wachsenden Präsenz autokratischer Regime und des demokratischen backsliding2 ist die Gültigkeit des überkommenden Normengerüsts international infrage gestellt; die Suche nach Unterstützern für die westlichen Sanktionsmaßnahmen gestaltet sich immer schwieriger.

Viele Staaten sehen dadurch ihre Handlungsfreiheit eingeschränkt und wollen nicht gezwungen sein, sich angesichts des expandierenden Lagerdenkens auf eine der konkurrierenden Seiten zu stellen. Zur Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung werden dagegen Handlungsoptionen der Anreize und der Überzeugung im Sinne eines klassischen Soft-power-Verständnisses immer weniger sichtbar.

Zunehmend ist deutlich geworden, dass die konzeptionellen Grundlagen der deutschen Außenpolitik eher schwach ausgebildet sind: Zentrale strategische Zugänge wie die nationale Sicherheitsstrategie oder die bereits lange angekündigte deutsche China-Strategie sind in der Bundesregierung kontrovers und müssen inhaltlich mit erkennbarem Substanzverlust abgespeckt werden; zudem hat in diesen Fragen die Europäische Kommission das Heft des Handelns an sich gerissen und sich in vielen Punkten als Vorreiter etabliert.

Auch das Feld der Klimaaußenpolitik, das im Auswärtigen Amt neu angesiedelt wurde, konnte bislang nicht die anvisierte Wirkung als ressortübergreifend angelegtes Arbeitsfeld mit einem kohärenten deutschen Auftritt im Ausland entfalten.3 Auch in diesem Politikfeld gilt es, die internationalen Konkurrenzbedingungen zu berücksichtigen, wenn Deutschland hier eine Vorreiterrolle einzunehmen beabsichtigt.

Etablierte Felder deutscher Außenpolitik wie Abrüstung, Frieden und Entwicklung sind unter der neuen Regierung nicht bestellt. Deutschlands gestalterische Rolle der Vergangenheit im Bereich der Förderung von Demokratie und politischer Partizipation ist damit immer mehr ins Abseits geraten.

Zunehmend wird mit Unbehagen gesehen, dass sich trotz einer ausgeprägten Reisediplomatie der Außenministerin und des Bundeskanzlers Deutschland in der wachsenden Großmachtkonkurrenz in eine weltpolitische Nebenrolle gedrängt sieht und nur schwer die befürchtete Randlage vermeiden kann.

Deutschlands weltpolitische Rolle ist weder im Kielwasser der Biden-Regierung noch mit Alleingängen gegenüber anderen Weltmächten zu beschreiben, die Suche nach Nebenwegen ist durch die aufkommende Blockkonfrontation, die politisch vermieden werden soll, eingeschränkt.

Die Abwanderung der Außenpolitik aus dem Auswärtigen Amt

Dem Auswärtigen Amt als dem zentralen Ort zur Gestaltung der internationalen Präsenz Deutschlands gelingt es immer weniger, seine koordinierende Rolle wahrzunehmen.

Viele Ministerien folgen ihren eigenen außenpolitischen Zielen und versuchen daraus auch politische Vorteile zu gewinnen: Dies reicht vom Bundeswirtschaftsminister bis zum Innenministerium, die sich darum bemühen, durch außenpolitisches Profil ihre innenpolitischen Aufgaben abzusichern, sei es durch Sicherung von Gaslieferungen oder Rohstoffvereinbarungen, die Versorgungssicherheit bei Medikamenten und medizinischen Gütern oder die Abwehr von Migrationsströmen.

Auch wenn es der Außenministerin gelingt, mit symbolischen Aktionen wie der Rückgabe der Benin-Bronzen Beifall zu finden, so sind doch viele dieser Initiativen wenig dauerhaft angelegt und verpuffen schnell.

Zunehmend tritt das Bundeskanzleramt mit eigenem außenpolitischem Profil auf – eine Pluralität deutscher Projektion bei den Partnern, die zuweilen den Charakter institutioneller Konkurrenz annimmt. Ob bei dieser Grundbefindlichkeit noch ein konstruktiver Gesamtwillen vorliegt, dürfte insbesondere bei den traditionellen Partnern Deutschlands immer mehr in Zweifel gezogen werden.

Durch die jetzt anlaufenden Bemühungen verschiedener Ressorts, mit unterschiedlichen Ländern auf der Welt Energie-, Wasser- und Rohstoff-, Klima- und Innovationspartnerschaften zu vereinbaren, wird das Risiko der gegenseitigen Verdrängung immer größer. Einem gemeinschaftlichen Auftritt Deutschlands in der Welt ist diese Entwicklung wenig zuträglich.

Es fehlen nicht nur geeignete Abstimmungsprozesse zwischen den Ministerien, auch die Gestaltung von Politik- und Finanzierungsinstrumenten sowie technischer Zusammenarbeit ist defizitär. Diese Mängel werden zum großen Hindernis für eine qualifizierte Zusammenarbeit mit Partnerländern und ein konsistentes Auftreten Deutschlands auf der weltpolitischen Bühne.

Neben den traditionell aktiven Ministerien wie dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima, dem Umweltministerium und dem Forschungsministerium ist nun auch noch das Gesundheitsministerium aktiv geworden, das im Zeichen der Knappheit von Medikamenten internationale Produktentwicklungspartnerschaften vorantreibt. Das Innenministerium versucht derweil, mit Mobilitätspartnerschaften den Zuwanderungsdruck zu kontrollieren.

Zudem bietet die Außenministerin Wertepartnerschaften an, die – wie etwa im Falle Indiens – auf wenig Gegenliebe gestoßen sind. Möglicherweise werden von den anvisierten Partnern eher übereinstimmende strategischen Interessen gesucht und weniger eine normativ aufgeladene Beziehungsstruktur, deren Unterfütterung weithin ungeklärt ist.

Damit läuft die deutsche außenpolitische Präsenz Gefahr, einem Patchwork-Muster von sektoralen Partnerschaftsangeboten anheimzufallen, die weder miteinander oder durch das Auswärtige Amt inhaltlich koordiniert sind noch im Bereich der einzusetzenden Instrumentarien aufeinander abgestimmt sind.

Diese Neigung zur "Verpartnerschaftlichung" der Außenbeziehungen ist politisch kontraproduktiv und wird von den Partnern immer weniger ernst genommen, da die Partnerschaftssemantik eine nur symbolische Harmonisierung der unterschiedlichen Interessenlagen vorspiegelt und substanzielle Beziehungen verschüttet.

Einseitig erklärte und nicht bilateral formalisierte Partnerschaften erweisen sich auch wegen ihrer Kurzlebigkeit und Austauschbarkeit unter den von der Koalition erklärten Kohärenzansprüchen für die Außenpolitik als wenig ertragreich; konzeptionelle Zugänge werden durch einen "Flickenteppich"-Zugang ersetzt.

Deutsche Außenpolitik im Zeichen der Weltordnungsrivalität

Entschlossenes Auftreten, die Suche nach Geschlossenheit westlicher Positionen in der EU oder den G7 und nachdrücklich manifestierte Standhaftigkeit bezogen auf die "regelbasierte Ordnung"4 kennzeichnen den Gestus von Außenministerin Annalena Baerbock.

Demgegenüber bleiben die eigenen Initiativen weniger zugkräftig: Der Vorschlag eines internationalen Sondergerichts für den Ukrainekrieg hat nur sehr begrenzt internationale Unterstützung gefunden5, nicht zuletzt aufgrund der berechtigten Kritik aus Ländern des Globalen Südens, Deutschland habe es in einem vergleichbaren Fall wie dem Krieg im Jemen an entsprechendem Engagement fehlen lassen.

Dies weist auf die Schwachstelle des regierungsamtlichen Diskurses der Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung hin, der sich eben durch die Anwendung von doppelten Standards auszeichnet und das eigene nationale Interessenprofil moralisch verbrämt.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz vor den Vereinten Nationen vorgetragene Position harrt insoweit weiterhin der Umsetzung6:

Wir alle müssen uns an den Verpflichtungen messen lassen, die wir gemeinsam eingegangen sind. Verantwortung beginnt immer bei einem selbst.

Mit dem Vorwurf an Russland und China, sie wollten eigene Ordnungsvorstellungen zur Geltung bringen, begibt sich Deutschland auf einen schwierigen Weg, da international sehr breit variierende Positionen zum deutschen Ordnungsverständnis bestehen.

Mit der Großmachtkonkurrenz sind die weltweiten Beziehungen zu traditionellen Partnern brüchiger geworden, nicht zuletzt, da sie jenseits des transatlantischen Verhältnisses der deutschen Außenpolitik durch Vernachlässigung aus dem Auge geraten sind.

Es kommt heute also darauf an, dass die Anpassung der Kooperationsangebote an mögliche Partner weltweit sehr viel genauer ausgebildet sein muss.

Von vielen Staaten, insbesondere des Globalen Südens, wird die Frage gestellt, wo fällt der Partnerschaftsgewinn an und wie wird er verteilt? Darauf muss die deutsche Außenpolitik bessere Antworten finden, wenn sich die Partnersuche nicht als oberflächliche Kontaktaufnahme entpuppen soll.

Dr. Günther Maihold (geb. 1957) ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er übte eine mehrjährige Lehr- und Forschungsarbeit in Mexiko aus.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WeltTrends