Bauernpräsident warnt: Versorgung mit Lebensmitteln nur noch wenige Monate sicher

Bild: Alexander Fox | PlaNet Fox auf Pixabay

Ohne ausreichend Dünger gehen auch in Deutschland Ernteerträge deutlich zurück. Dadurch verschärft sich die weltweit angespannte Ernährungslage. Wieso es auf Felder bald wieder nach Gülle riechen dürfte.

Die Energiekrise wächst sich auch in Deutschland zu ernsthaften Versorgungskrise aus: Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat nun vor Engpässen bei Lebensmitteln gewarnt. Die Versorgung sei nur bis ins erste Quartal des kommenden Jahres gesichert, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Samstag.

Es ist auch nicht gesichert, dass in der Bundesrepublik genügend Lebensmittel erzeugt werden können. Das hänge davon ab, so Rukwied, "ob wir genug Energie und Stickstoffdünger zur Verfügung haben".

Global gebe es schon jetzt eine angespannte Ernährungslage. "Es kann niemand wollen, dass wir den Ärmsten der Armen Lebensmittel wegkaufen."

Die Preise für Stickstoffdünger seien in etwa vier bis fünf Mal so hoch wie vor dem Krieg in der Ukraine und das belaste deutsche Landwirte schwer. Zu diesen hohen Preisen könne der Dünger bestellt werden – aber mit dem Hinweis, dass er dann irgendwann geliefert werde.

"Wenn ein Bauer, der Qualitätsweizen anbaut, auf Stickstoff verzichten muss, hat er schon im ersten Jahr deutlich geringere Qualität und 30 bis 40 Prozent weniger Ertrag", sagte der Bauernpräsident.

Die gegen Russland und Weißrussland gerichteten Sanktionen haben allerdings den Dünger weltweit knapp werden lassen. Beiden Ländern ist es nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich, ihn auf die Weltmärkte zu bringen.

Rund 300.000 Tonnen hingen in europäischen Häfen fest, die aufgrund der Sanktionen nicht abtransportiert werden konnten, hieß es Ende September. Russland bot an, diese Menge an afrikanische Länder zu verschenken, wenn die EU-Länder die Sanktionen zu diesem Zweck lockerten.

Aber auch die hohen Gaspreise haben Stickstoffdünger knapp werden lassen – die Produktion ist unter diesen Umständen nicht wirtschaftlich.

Ersatzdünger: Gülle

Die EU-Kommission und die Agrarminister der 27 EU-Länder diskutieren inzwischen eine Alternative. Bei einem Treffen am vergangenen Montag sprachen die Minister über das Verwenden von aufbereiteter Gülle. Belgien hatte dazu einen Antrag gestellt, der von Spanien, Ungarn, den Niederlanden und Portugal unterstützt wird.

Das Verfahren nennt sich: "REcovered Nitrogen from manURE (RENURE)". Und die Länder versprechen sich davon, sich selbst besser mit Düngemitteln versorgen zu können.

"RENURE-Produkte sind ein vollständiger Ersatz für chemische Düngemittel. Sie können die Nahrungsmittelsysteme widerstandsfähiger machen, weil sie auf lokalen Ressourcen basieren", sagte der niederländische Minister Guido Landheer laut Internetmagazin Euractiv.

Der Nutzung dieser Düngemittel steht allerdings die EU-Nitratrichtlinie von 1991 entgegen. Demnach dürfen solche Dünger nur eingeschränkt genutzt werden, um die Verschmutzung des Grundwassers mit Nitraten zu verringern. In gefährdeten Gebieten dürfen deshalb nicht mehr als 170 Kilogramm des tierischen Stickstoffs ausgebracht werden.

Die Regierung von Belgien hat auch schon eine Idee, wie diese Vorgabe umgangen werden kann: Aufbereitete Gülle wird einfach anders deklariert. Sie sollen künftig nicht mehr als Abwässer aus der Tierhaltung definiert werden, sondern als chemische Abwässer. Dann träfe auf sie die Nitrat-Richtlinie nicht mehr zu.

Janusz Wojciechowski, EU-Landwirtschaftskommissar, betonte: Die Beschränkung beträfe nur Risikogebiete. Auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU könnte die aufbereitete Gülle ohne Einschränkung ausgebracht werden. In den nächsten Wochen beabsichtigt die EU-Kommission dennoch, regulatorische Vorschläge für die Nutzung der aufbereiteten Gülle vorzulegen.

Dem Klimaschutz dürfte das Ansinnen der fünf Länder allerdings abträglich sein. Aus tierischem Stickstoffdünger entsteht mitunter Lachgas, das 298-mal so klimawirksam ist wie Kohlendioxid.

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