F-35 Kampfjet: Moderne Technik mit eingebauter Leine
Produktion für die Bundeswehr startet in den USA. Mit dem Hightech-Jet soll die nukleare Teilhabe gesichert werden. Wie souverän kann Deutschland über die Jets verfügen? Analyse und Kommentar.
Die F-35, das "Mehrzweckkampflugzeug der fünften Generation für die Luftwaffe", kommt, freut sich die Bundeswehr. Die Produktion der ersten F-35 für die Luftwaffe im Lockheed-Martin-Werk im US-amerikanischen Marietta habe gerade begonnen, berichtete das Fachportal Aero vor wenigen Tagen.
"Fliegender Computer" und eine grundsätzliche Frage
Mit der sich abzeichnenden Übernahme der US-Flugzeuge stellt sich jedoch grundsätzlich eine Frage nach der technischen Souveränität: Bei dem hochmodernen Kampfflugzeug, das in den nächsten Jahren das Arsenal der deutschen Luftwaffe ergänzen soll, spielen Softwaresysteme eine zentrale Rolle, die F-35 wird auch als "Fliegender Computer" bezeichnet.
Im Gegensatz zu früheren Waffensystemen wird bei der F-35 praktisch alles computergesteuert – von der Vektorsteuerung des Antriebs bis hin zur Pilotenführung. Die Piloten geben der Software nur noch Ziele vor und steuern das Flugzeug nicht mehr direkt.
Das integrierte Cockpitsystem, das so genannte Panoramic Cockpit Display, ersetzt über 30 separate Anzeigen und Instrumente durch einen einzigen Touchscreen.
Die massive Vernetzung und die enorme Komplexität der Software werfen grundsätzliche Fragen auf. Das Betriebssystem der F-35 umfasst mehr als acht Millionen Codezeilen – mehr als viermal so viel wie das des Vorgängers F-22.
Vollständige Kontrolle: Illusion oder Wirklichkeit?
Während die Luftwaffe auf Anfrage von Telepolis behauptet, die volle Kontrolle über die Systeme zu haben, zeigt die Geschichte der militärischen Luftfahrt, dass absolute Unabhängigkeit bei importierten Waffensystemen eine Illusion sein könnte.
Nach Ansicht des Verfassers dieses Beitrags gibt es Gründe für die Vermutung, dass die Luftwaffe aus den USA möglicherweise nur einige API (Application Programming Interface)-Endpunkte erhält, über die die Luftwaffenpiloten die Flugzeuge steuern können – die eigentliche Steuerungssoftware ist für die Luftwaffentechniker möglicherweise nicht vollständig einsehbar?
Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für den möglichen Verlust der Souveränität über ein Waffensystem lieferte bereits der Falklandkrieg 1982 mit den französischen Exocet-Raketen. Argentinien hatte in den Jahren vor dem Konflikt fünf Super-Étendard-Kampfflugzeuge in Dienst gestellt und in Frankreich AM39-Exocet-Raketen bestellt, von denen fünf geliefert wurden.
Diese Waffen erwiesen sich als äußerst effektiv: Am 4. Mai 1982 versenkten argentinische Streitkräfte den britischen Zerstörer HMS Sheffield mit einer Exocet-Rakete. Zwei weitere Schiffe, die Atlantic Conveyor und die HMS Glamorgan, wurden ebenfalls durch Exocet-Raketen schwer beschädigt.
Die britische Regierung unter Margaret Thatcher wandte sich daraufhin an Frankreich. Präsident François Mitterrand ordnete in der Folge nicht nur einen sofortigen Exportstopp für weitere Exocet-Raketen nach Argentinien an, sondern gewährte den Briten auch Zugang zu detaillierten technischen Informationen über die Raketen.
Frankreich: Kill Switch als Hintertür
Was erst Jahrzehnte später ans Licht kam: Französische Ingenieure hatten offenbar einen geheimen Kill Switch in die exportierten Systeme eingebaut. Dieser ermöglichte es theoretisch, die Raketen aus der Ferne zu deaktivieren oder in ihrer Leistung zu drosseln.
Französische Kriegsschiffe sollen mit einem entsprechenden Impulsgeber, einem kleinen Kästchen, ausgestattet werden. Die technische Umsetzung dieses Kill Switch erfolgt über spezielle Mikrochips in der Steuerungselektronik der Raketen. Diese enthielten zusätzliche Programmroutinen, nach deren Funkaktivierung die Rakete dann vor dem Ziel im Meer landen würde.
Diese Option wurde jedoch im Falklandkrieg nicht genutzt, möglicherweise um die Existenz solcher Hintertüren nicht zu offenbaren.
Die argentinischen Streitkräfte hatten keine Kenntnis von dieser versteckten Funktionalität, die erst 2022 durch einen Artikel im Telegraph ans Licht kam. Offiziell bestreitet Frankreich bis heute die Existenz dieser technischen Vorrichtung.
Das F-35-Programm: 300 verschiedene Software-Tools
Die Komplexität moderner Kampfflugzeuge bringt auch neue Sicherheitsrisiken mit sich. Die US Air Force selbst hat mit der explodierenden Komplexität zu kämpfen, wie die Einführung moderner Entwicklungsmethoden wie Kubernetes und DevSecOps bei F-16-Systemen zeigt.
Das F-35-Programm soll mehr als 300 verschiedene Software-Tools für Entwicklung und Tests verwenden. Diese Container-Orchestrierungstechnologie gilt selbst unter Experten als nicht beherrschbar. Die Suche nach versteckten Schwachstellen oder absichtlich eingebauten Hintertüren ist in derart komplexen Systemen praktisch unmöglich.
Komplexität und Sicherheitslücken
Das zentrale Missionscomputersystem der F-35 verarbeitet 400 Milliarden Befehle pro Sekunde und integriert Daten von über 10.000 Sensoren im gesamten Flugzeug. Diese zunehmende Komplexität macht die Systeme anfälliger für Sicherheitslücken und gezielte Manipulationen.
Nicht nur die USA als Herstellerland, sondern auch andere Akteure wie China könnten sich theoretisch Zugang zu den Systemen verschaffen.
So gab es in der Vergangenheit bereits dokumentierte Fälle chinesischer Zugriffe auf die Software-Infrastruktur der US-Luftwaffe, die chinesische Regierung soll sich Zugang zu wichtigen Softwareteilen der F-35 verschafft haben, wie Golem 2020 berichtete.
Die bittere, technologische Realität zeigt sich schon bei einfachen Computersystemen: Europa kann nicht einmal einen Raspberry Pi selbst produzieren.
Kritische Aspekte der F-35
Bei der F-35 kommen weitere kritische Aspekte hinzu, etwa die Frage der Kommunikationswege. Die Datenübertragung erfolgt über ein proprietäres Netzwerk namens MADL (Multifunction Advanced Data Link) und verschiedene Satellitensysteme – vermutlich US-amerikanische oder möglicherweise sogar das private Starlink des Unternehmers Elon Musk.
Allein das Abhören dieser Kommunikation oder die Möglichkeit, digitale Kommunikationswege über außereuropäische Infrastruktur ganz oder teilweise zu unterbrechen, stellt ein enormes Problem für die nationale Souveränität dar.
Die Konkurrenz zum Eurofighter
In dieser Hinsicht dürfte die F-35 keine oder nur marginale Vorteile gegenüber europäischen Lösungen wie dem Eurofighter haben. Denn die viel gepriesene Tarnkappeneigenschaft des Flugzeugs, ein Konzept aus den 1970er-Jahren, kann mittlerweile durch moderne Sensorik und Mustererkennung als kompromittiert angesehen werden.
Neue Radarsysteme, die zum Beispiel im VHF-Band arbeiten, können die F-35 unter bestimmten Bedingungen bereits erfassen. Dennoch fließen enorme Summen für die Beschaffung in die USA.
Der eigentliche Grund für die Beschaffung scheint also nicht in der technischen Überlegenheit der F-35 gegenüber europäischen Flugzeugen zu liegen. Vielmehr ist der Grund für die Beschaffung unter anderem in der nuklearen Teilhabe zu suchen.
Nukleare Teilhabe: USA bestehen auf F-35
Die USA bestehen nämlich darauf, dass ihre Nuklearwaffen nur von F-35-Systemen transportiert werden können. Die Integration der B61-12 Atombombe erfordert spezielle Zertifizierungen und Schnittstellen, die nur in der F-35 implementiert sind.
Obwohl der Eurofighter als europäisches Mehrzweckkampfflugzeug theoretisch ebenfalls als Trägerplattform geeignet wäre, akzeptieren die Amerikaner nur ihre eigene Plattform für ihre Nuklearwaffen.
Die gesamte Beschaffung erfolgt als historische Paketlösung, so der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz. Dazu gehören neben den 35 Kampfflugzeugen auch Ersatz- und Austauschteile sowie Munition. Das Wartungssystem ALIS (Autonomic Logistics Information System) sammelt kontinuierlich Daten über den Zustand jedes Flugzeugs und übermittelt diese an zentrale Server in den USA.
Beim Kaufpreis liegen F-35 und Eurofighter mit rund 100 Millionen Euro pro Stück gleichauf, die Betriebskosten der F-35 liegen mit rund 33.000 Euro pro Flugstunde jedoch deutlich über denen vergleichbarer Systeme.
Technologische Abhängigkeiten bei Militärflugzeugen
Für technologische Abhängigkeiten bei Militärflugzeugen gibt es bereits aufschlussreiche historische Präzedenzfälle. Besonders deutlich wurde dies bei der F-4 Phantom in den 1960er-Jahren. Damals beschaffte Deutschland insgesamt 175 Phantoms vom Typ F-4F, die zwischen 1973 und 1976 ausgeliefert wurden.
Die technologische Abhängigkeit zeigte sich auf mehreren Ebenen: Die Flugzeuge benötigten für ihre Kommunikationssysteme spezielle, proprietäre Verschlüsselungsmodule aus US-Produktion. Diese als KY-28-Verschlüsselungsgeräte bezeichneten Module waren für die sichere Kommunikation zwischen den Flugzeugen und den Bodenstationen unerlässlich.
Darüber hinaus verfügten die an Deutschland gelieferten F-4F über ein modifiziertes Waffenleitsystem, das nur einen Teil der Fähigkeiten der US-Version besaß. Die Freischaltung zusätzlicher Funktionen, wie z.B. der Einsatz moderner Luft-Luft-Lenkflugkörper vom Typ AIM-7 Sparrow, erforderte spezielle Software-Updates und Hardware-Modifikationen, die nur mit US-Genehmigung durchgeführt werden konnten.
Die damals von der Luftwaffe eingesetzte Phantom war also eine eingeschränkte Exportversion, ein in der Rüstungsindustrie weit verbreitetes Phänomen, bei dem der Exportversion einer Waffe bestimmte Eigenschaften vorenthalten werden.
Es handelt sich also um eine vertragsgemäße Einschränkung der Funktionalität eines Waffensystems, nicht aber um die mögliche Implementierung eines Kill-Switches, der die Waffe als Ganzes unbrauchbar machen würde.
KI-Systeme
Die zunehmende Integration von künstlicher Intelligenz in Waffensysteme, wie sie auch bei den von Deutschland an die Ukraine gelieferten Helsing-Drohnen zum Einsatz kommen soll, birgt weitere Risiken. Die F-35 nutzt KI-Systeme zur Sensorfusion, Bedrohungsanalyse und autonomen Navigation.
Die Komplexität der Systeme nimmt stetig zu, während die Kontrolle der eingesetzten Technologie immer schwieriger wird. Das auf neuronalen Netzen basierende System der F-35 kann über 10.000 verschiedene Objekte identifizieren und klassifizieren.
Es ist bezeichnend, dass selbst die Entwickler von KI-Systemen oft nicht genau wissen, was ihre Produkte können oder wie sie funktionieren - sie können nicht einmal vollständige Release Notes erstellen. Angesichts der fortschreitenden Automatisierung militärischer Systeme ist dies eine beunruhigende Entwicklung.
Die Beschaffung der F-35 wirft daher grundsätzliche Fragen auf: von hypothetischen geografischen Einsatzbeschränkungen über eingeschränkte Software-Zugriffsrechte bis hin zu vordefinierten Aktionsradien und eingeschränkten Waffensystemfunktionen.
Die Flugzeuge könnten nur in vorher festgelegten Gebieten operieren und müssten sich regelmäßig mit US-Servern verbinden, um funktionsfähig zu bleiben.
Es ist daher fraglich, ob die deutsche Luftwaffe die volle Souveränität über eine der wichtigsten und teuersten Waffenplattformen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik haben wird? Und ob die Waffenplattform bei militärischen Entscheidungen, die dem Herstellerland nicht gefallen, funktionsfähig bleibt?
Der Eurofighter wurde ursprünglich auch entwickelt, um technologisches Know-how und ein hohes Maß an Souveränität in Europa zu behalten. Es ist zu vermuten, dass genau diese Souveränität über ein Waffensystem bei der nuklearen Teilhabe vom Teilhaber nicht gewünscht wird.