Baerbock-Feminismus: Kurdische Anti-IS-Kämpferinnen sollen Waffen niederlegen

Bild zeigt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock

Die Nato-Partnerschaft treibt Annalena Baerbock zu einem bemerkenswerten Spagat. Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com

Deutsche Außenministerin wegen Aussage nach Treffen mit türkischem Amtskollegen in der Kritik. Dem Nato-Partner wird Kumpanei mit Islamisten vorgeworfen. Ein Kommentar.

Als "harte Sicherheitsfrage" hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre "feministische Außenpolitik" im März 2023 bezeichnet.

Frauen stellen bekanntermaßen in jedem Land die Hälfte einer Gesellschaft. Feministische Außenpolitik ist also kein Kampfbegriff, sondern leitet sich bei uns aus dem Grundgesetz ab. Und das ist sicher kein Gedöns. Es ist eine harte Sicherheitsfrage.

Aus einer Rede von Außenministerin Annalena Baerbock zur Vorstellung der Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik, 1. März 2023

Auch die kurdischsprachige Parole "Jin, Jiyan, Azadi" – "Frau, Leben, Freiheit" – machte sich Baerbock im Zusammenhang mit den Protesten unter diesem Motto im Iran zu eigen.

Baerbock lobte die Anti-IS-Milizen noch vor wenigen Tagen

Noch vor wenigen Tagen lobte sie auf der Plattform X die Verdienste der syrisch-kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). "Weiteres Blutvergießen ist das Letzte, was die Menschen nach 14 Kriegsjahren erfahren sollten", betonte Baerbock.

"Auch die Türkei steht in Verantwortung, Syriens territoriale Integrität und die Hoffnung auf Frieden zu erhalten", fügte sie diplomatisch hinzu – nachdem die YPJ bereits harte Vorwürfe gegen die Türkei erhoben und gewarnt hatten, inhaftierte IS-Kämpfer könnten durch Angriffe der Türkei und ihrer islamistischen Proxy-Truppen freikommen.

Und dann das: Nach einem Treffen mit ihrem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan am Freitag in Ankara sprach sich Baerbock für die Entwaffnung der syrisch-kurdischen Anti-IS-Milizen aus. Sie sei sich mit der Türkei einig, "dass die kurdischen Rebellen im Norden Syriens entwaffnet und in die internen Sicherheitsstrukturen des Landes eingebettet werden sollen", berichtete der Spiegel.

Das Auswärtige Amt formuliert es gern allgemeiner: "Es muss darum gehen, die Sicherheit der Nachbarn Syriens zu gewährleisten, ohne die territoriale Integrität Syriens zu verletzen. Dazu gehört, dass die Milizen im Land entwaffnet und in eine zukünftige nationale Sicherheitsstruktur integriert werden", verlautbarte Baerbocks Ressort am Samstag auf der Plattform X.

Sicherheit der Türkei vs. Sicherheit vor der Türkei

Aus dem türkischen Außenministerium hieß es nach dem Treffen, Fidan habe Baerbock die Position der türkischen Regierung deutlich gemacht. Demnach müsse die kurdische YPG in Syrien ihre Waffen niederlegen und sich auflösen. Dies gelte auch für andere militante kurdische Gruppen in dem Gebiet. Baerbock habe beim anschließenden Pressebriefing ohne Fidan betont, dass vom Norden Syriens keine Gefahr für die Sicherheit der Türkei ausgehen dürfe.

"Diese Forderung bedeutet nichts anderes, als den Menschen in Nord- und Ostsyrien ihr Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen und der Willkür des Erdogan-Regimes und seiner islamistischen Söldner auszusetzen", kritisierte an diesem Sonntag das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad.

Am selben Tag sei die gezielte Tötung der kurdischen Journalisten Nazım Daştan und Cîhan Bilgin durch eine türkische Drohne bekannt geworden. Die Region um Kobanê werde durch die "Syrische Nationale Armee" (SNA) angegriffen. Dabei handle es sich um "aus Dschihadisten zusammengestellte türkeitreue SNA-Söldnergruppen".

Loyalität zur Nato stärker als Feminismus

Auch die Hamburger Linken-Politikerin Cansu Özdemir kritisierte Baerbocks Forderung scharf, nannte sie auf X "unbegreiflich" und warf die Frage auf: "Sollen sich die Kurd:innen von Islamisten und ihrem Unterstützer, der Türkei abschlachten lassen?"

Baerbocks Loyalität zur Nato und somit auch zum Nato-Partner Türkei ist jedenfalls im Zweifel stärker als ihr Feminismus.

Die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdogan betrachtet die säkularen syrisch-kurdischen Milizen als Hauptfeind in der Region, weil sie inhaltlich Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehen. Letztere ist in Deutschland wie in der Türkei verboten.

Im Zuge des schwedischen Nato-Beitritts verlangte Erdogan auch von Schwedens Regierung ein härteres Vorgehen gegen die PKK und erwirkte 2023 sogar die Auslieferung kurdischer Aktivisten. Das Veto-Recht jedes einzelnen Nato-Mitglieds gegen Neueintritte machte es möglich; und ein Rausschmiss wegen allzu reaktionärer Ideologie ist in dem Militärpakt nicht vorgesehen.

Etwas Empörung löste Erdogan im Westen aber dann doch aus, als er die palästinensische Islamistentruppe Hamas als "Befreiungsorganisation" bezeichnete; und das kurz nach den Massakern in grenznahen israelischen Kibbuzim und dem Nova-Musikfestival am 7. Oktober 2023.