Habeck stellt Kohleausstieg 2030 infrage
Die Grünen bereiten sich auf die Bundestagswahl vor. Dafür stellen sie auch urgrüne Anliegen zur Disposition. Friedenspolitisch ist die Flur ohnehin bereinigt.
Mittlerweile ist der komplette Wahlkampf der Grünen auf deren Spitzenkandidat zugeschnitten. Das wird durch einen kurzen Blick auf die Homepage der Partei deutlich. Dort sollen Besucher zu einem die Ärmel aufkrempelnden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ins "Team Robert" gelockt werden.
Die Diskussionen über Geschlechterparität bei der Bundeskanzler-Kandidatur, die vor der letzten Bundestagswahl über Wochen geführt wurden, sind vergessen. Schließlich hatte Baerbock bei der letzten Wahl ihre Chance, und jetzt steht Habeck als der nette Kumpel im Mittelpunkt, der an die Küchentische der Republik kommen will und ungefragt schnell beim Duzen ist.
Kritik an dem Minister soll zumindest bis zum Termin der Bundestagswahl tunlichst vermieden werden. Doch das Konzept ging nicht vollständig auf. Einige der Klimabewegung nahestehenden Grüne wie Luisa Neubauer monierten, dass Habeck ein zentrales Ziel grüner Klimapolitik in einem Interview einfach mal infrage stellte. Es ging um den Kohlehaussteig im Jahr 2030.
Dunkelflaute und hohe Strompreise
In einem Interview, das Habeck auf dem Industriegipfel des Handelsblatts gab, antwortete er auf die Frage, ob das Datum des Kohleausstiegs infrage stünde: "Ja. Für mich gilt, dass die Energiesicherheit immer aktuelle Priorität hat."
Nun ist die Antwort auch Futter für die vielen Habeck-Gegner in den Parteien, die Habeck seit Jahren eine ideologische Energiepolitik vorwerfen, die zur Deindustrialisierung des Landes führe. Mitte Dezember, als Habeck das Interview gab, war der Börsenstrompreis wegen einer sogenannten Dunkelflaute, Windstille und kaum Sonne, massiv angestiegen. Ein Stahlwerk in Sachsen musste deswegen kurzzeitig vom Netz gehen.
Das sind natürlich keine guten Nachrichten für einen wahlkämpfenden grünen Kanzlerkandidaten. Doch Habeck vermied es, die Fehler in seinen bisherigen Versprechen zu benennen. Er verwies lieber darauf, dass der Bau neuer Gaskraftwerke den Stromverlust durch vom Netz gehende Atom- und Kohlekraftwerke ausgleichen sollte.
Doch durch das vorzeitige Ende der Regierungskoalition ist das Kraftwerkgesetz in dieser Legislaturperiode jedoch nicht mehr umsetzbar.
Hürden für eine schwarz-grüne Koalition?
Ob es nach den Neuwahlen wieder auf die Tagesordnung des Bundestags kommt, hängt auch davon ab, ob die Grünen nach den Neuwahlen wieder in Regierungsverantwortung kommen. Nach aktuellen Umfragen dürfte die Union die stärkste Partei werden und könnte ein Bündnis mit der SPD oder den Grünen eingehen.
Es gibt durchaus Politiker in der Union, die einem schwarz-grünen Bündnis den Vorzug geben. Dafür wäre Habeck die Schlüsselfigur.
Hält die grüne Basis still?
Gleichzeitig gibt es in der CDU und mehr noch in der CSU Politiker, die Habeck fast schon als Hauptgegner ausmachen und ihn vor allem nicht mehr im Bundeswirtschaftsministerium sehen wollen. Das schließt allerdings nicht aus, dass er im Umweltministerium doch wieder mit dem Kohleausstieg und Gaskraftwerken befasst ist.
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Mit seiner Infragestellung des Kohleausstieg 2030 hat Habeck zumindest eine Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis beiseite geräumt. Es war auch ein Testballon, ob die grüne Basis stillhält, wenn ein grünes Markenthema infrage gestellt wird. Denn als Juniorpartner einer schwarz-grünen Regierung unter Merz wären noch viel mehr Zugeständnisse fällig.
Das Ergebnis kann das Team Robert zufriedenstellen: Den Kohleausstieg für 2030 infrage zu stellen, sorgte nur für überschaubare Kritik. Schließlich wollen die Grünen vor allem wieder mitregieren. Dem wird alles andere untergeordnet.
Kein Streit mit der Union wegen Waffen für die Ukraine
In einem wichtigen Politikfeld dürfte es keinen Streit zwischen Union und Grünen geben: Beide Parteien wollen der Ukraine noch mehr und treffsichere Waffen gegen die russische Armee schicken.
So gab es auch keinen Widerspruch bei den Grünen, als ihre kürzlich gewählte Vorsitzende Franziska Brandner mehr Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Partei und der Union als mit der SPD ausmachte und in Friedrich Merz den besseren Partner sah als in Noch-Bundeskanzler Olav Scholz.
"Klar an der Seite der Ukraine stehen", könne ihre Partei besser mit dem CDU-Chef. Vergessen ist, dass Merz in grün-nahen Kreisen über Jahre als Inkarnation des konservativen weißen Mannes galt, den man bekämpfen müsse.
Auch die grüne Jugend will mehr Waffen für Kiew
Nun würde man denken, die Grüne Jugend werde doch gegen das Lob für Merz protestieren. Doch nachdem viele Linke die Organisation kürzlich verlassen haben, kommt von dort nur noch sehr wenig Kritik. Auf ihren Delegiertentreffen Mitte Dezember hat die Grüne Jugend einen Antrag beschlossen, in dem sie die Union an Verteidigungswillen bis zum letzten Ukrainer noch überholt.
Darin heißt es:
So lange das der Fall ist, muss Deutschland die Ukraine politisch in ihrem Selbstbestimmungsrecht und militärisch mit Waffenlieferungen unterstützen, bis die Ukraine ihr gesamtes Staatsgebiet wieder selbstbestimmt verwalten kann. Dazu gehört auch, dass die Ukraine das Recht haben muss, militärische Ziele in Russland anzugreifen, um sich selbst vor weiteren Angriffen zu schützen. Die Integration der Ukraine in die Nato und ihre militärische Stärkung ist der einzige Weg, langfristig Frieden und eine Zukunft für das Land zu sichern.