Kohleausstieg: Gipsmangel, fehlende Transportkapazitäten und Quecksilber
Neben CO2 wird beim Verbrennen von Kohle auch Quecksilber freigesetzt. Auf Reinigung der Rauchgase verzichtet man inzwischen aus logistischen Gründen.
Die Schwefelverbindungen in den Rauchgasen der großen Kohleblöcke wurden zum Thema, als man feststellte, dass diese für den sauren Regen verantwortlich waren, den man als Ursache für das Waldsterben betrachtete.
In den Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) wird Rauchgas mit flüssiger Kalkmilch auf der Basis von Kalkstein oder Branntkalk besprüht und so das Schwefeldioxid gebunden. Anschließend wird Luft zugeführt, damit durch Oxidation als Kraftwerksnebenprodukt Gips, sogenannter REA-Gips, entsteht.
Der so erzeugte Gips ist qualitativ vergleichbar mit Gips, der aus natürlichem Gipsstein oder Anhydrit gewonnen wurde. Er kann aber gegenüber Naturgips erhöhte Mengen an Schwermetallen insbesondere Quecksilber aufweisen. Die in Deutschland verbleibende REA-Gips-Menge wird fast ausschließlich für Gipsprodukte, wie Gipskartonplatten oder als Zuschlagstoff im Zement verwendet.
Wenn Kohlekraftwerke schließen, fehlt der REA-Gips
Der Gips-Bedarf der Baubranche lag, als die Bauwirtschaft noch florierte, bei zehn Millionen Tonnen pro Jahr. Davon wurde der größte Teil als naturidentischer REA-Gips aus den Kohlekraftwerken bezogen.
2020 rechnete man für die Folgejahre noch mit einem steigenden Bedarf an Gips. Die Abschaltung der Kohlekraftwerke wird dazu führen, dass wieder mehr Naturgips abgebaut werden müsste. Dies wird von Umweltschützern kritisch gesehen, denn zum einen müssten dadurch ziemlich einzigartige Gipskarst-Landschaften wie im Südharz zum Teil zerstört werden. Zum anderen wäre das auch ein Eingriff in den Lebensraum von teils seltenen Pflanzen und Tieren, wie dem Feuersalamander, der Gelbbauchunke und der Geburtshelferkröte.
Daher steht in Deutschland aus Umweltschutzgründen ein Gips-Abbauverbot im Raum, was jedoch das Problem der Naturraumzerstörung lediglich ins Ausland verlagern würde. Für alle Seiten besser wäre es, wenn man etwa die Gipskartonplatten recyceln würde.
Gips lässt sich problemlos aufarbeiten und wiederverwenden, allein, es ist teurer, als den Bauschutt auf Deponien abzukippen. Bauschutt macht in Deutschland über 50 Prozent des gesamten Müllaufkommens auf. Im Lande der Mülltrenner ist es erschreckend, dass sich die Wiederaufbereitung von Bauschutt meist auf Baustahl und Beton beschränkt.
Transportkapazitäten für Kalk fehlen
Nachdem beschlossen war, dass die Steinkohlekraftwerke stillgelegt werden sollen, war absehbar, dass deutlich weniger Bahntransportkapazitäten für Importsteinkohle und Kalk benötigt würden. Viele Fahrzeuge wurden in der Folge nach Polen verkauft, wo weiterhin entsprechender Transportbedarf besteht, weil man an der Steinkohleverstromung festhält, oder sie wurden verschrottet. In jedem Fall stehen sie in Deutschland nicht mehr im bislang gewohnten Umfang zur Verfügung.
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Da die Transportkapazitäten in erster Linie für den Transport der Importsteinkohle benötigt wurde, standen für den Kalk, der für die REA-Anlagen benötigt würde, keine entsprechenden Fahrzeuge bereit.
Durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wurden vorsorglich Regelungen geschaffen, die es den zuständigen Behörden erlauben, im Falle eines umfassenden Beschaffungsnotstandes temporär auch einen Betrieb ohne oder mit einer reduzierten Abgasreinigung zuzulassen, soweit die Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen ausgeschlossen ist.
Da der deutsche Wald inzwischen mehr unter der klimawandelbedingten Trockenheit und unter dem Ansturm des Borkenkäfers leidet, erscheint der Einfluss des sauren Regens heute eher sekundär.
Neben den fehlenden Transportkapazitäten für Kalk stellte sich vor zwei Jahren auch die Frage, ob man das damals knappe Erdgas in den REA-Anlagen nutzen oder lieber Privatkunden und Industrie vorbehalten sollte. Die politische Entscheidung war damals von der Angst um die Versorgungssicherheit geprägt. Die Rauchgasentschwefelung war damals aus dem Fokus geraten.
Quecksilbereintrag durch Kohlekraftwerke
Quecksilber ist in der Kohle enthalten und gelangt beim Verbrennen in die Umwelt. Letztlich landet das gefährliche Nervengift auch in der menschlichen Nahrung. Die deutsche Politik scheut schon seit Jahrzehnten entschlossene Gegenmaßnahmen. Ähnlich wie man bei den Kernkraftwerken auf die damals noch anstehenden Revisionen verzichtet hat, weil man die Anlagen bald abschalten wollte, hat man bei den Kohlekraftwerken einfach auf das Ende der Kohleverbrennung gesetzt.
Deutsche Kohlekraftwerke sollen gut 21-mal mehr Quecksilber ausstoßen als entsprechende Kraftwerke in den USA, wo für Quecksilber strengere Grenzwerte gelten. Dort werden unter anderem Bromidsalze und Aktivkohle eingesetzt, um Quecksilberverbindungen aus den Rauchgasen zu holen.
Da der Quecksilbereintrag durch Stein- und Braunkohlekraftwerke noch für längere Zeit mangels politischer Entscheidungswilligkeit nicht reduziert und weiter in der Umwelt akkumuliert wird, bleibt als persönliche Lösung nur, die Essgewohnheiten an der Bedrohungslage auszurichten.
Buttermakrele, Aal, Steinbeißer, Schwertfisch, Weißer Heilbutt, Hecht, Seeteufel und Thunfisch bekommen als Quecksilbersammler einen unfreundlichen Beigeschmack, gerade, weil man diesen nicht mit Zunge oder Gaumen detektieren kann.