Bedingungsloses Grundeinkommen führt nicht zu Arbeitsrückgang

Ausgestreckte Hand, in die eine Geldmünze fällt.

1.200 Euro monatlich ohne Bedingungen: Eine dreijährige Feldstudie hat die Wirkung eines Grundeinkommens untersucht. Das Ergebnis überrascht viele Kritiker.

Es klingt wie ein Traum: 1.200 Euro jeden Monat auf dem Konto, ohne dafür arbeiten zu müssen. Für 122 Menschen in Deutschland wurde dieser Traum drei Jahre lang Realität. Sie nahmen an einem Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen teil, das der Verein "Mein Grundeinkommen" initiiert hatte.

Grundeinkommen – was ist das?

Beim bedingungslosen Grundeinkommen erhält jeder Bürger einen festen monatlichen Betrag vom Staat – unabhängig von Einkommen, Vermögen oder Arbeitsleistung. Die Idee dahinter: Jeder soll ein menschenwürdiges Leben führen können, ohne Existenzängste. Kritiker befürchten jedoch, dass Menschen dann nicht mehr arbeiten würden.

Genau das wollte das dreijährige Pilotprojekt nun untersuchen. Von Juni 2021 bis Mai 2024 erhielten die Teilnehmer monatlich 1.200 Euro. Sie waren zwischen 21 und 40 Jahre alt, lebten allein und verdienten netto zwischen 1.100 und 2.600 Euro. Eine Vergleichsgruppe von 1.580 Personen bekam kein Grundeinkommen.

Teilnehmer arbeiteten nicht weniger

Das Hauptergebnis überrascht: Die Geldempfänger änderten ihr Arbeitsmarktverhalten kaum. "Die Resultate widerlegen gängige Mythen über das bedingungslose Grundeinkommen, insbesondere die Vorstellung, dass es zu einem Rückzug aus dem Arbeitsmarkt kommt", fasst Studienautor Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zusammen.

Im Gegenteil: Viele Teilnehmer nutzten das Geld, um sich weiterzubilden und waren zufriedener mit ihrem Beruf. Eine Teilnehmerin konnte sogar eine Schwimmschule mit fünf Standorten und 20 Mitarbeitern eröffnen. Über ein Drittel der Zahlungen wurde gespart, sieben Prozent gingen an Familie, Freunde oder wohltätige Zwecke.

Deutlich glücklicher und gesünder

Noch deutlicher waren die Effekte auf die Psyche: Die Lebenszufriedenheit der Grundeinkommens-Empfänger stieg enorm an – vergleichbar mit dem Unterschied zwischen "frisch geschieden" und "frisch verheiratet", so die Forscher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch die mentale Gesundheit verbesserte sich stark.

"Dieser Anstieg bei der Lebenszufriedenheit und der mentalen Gesundheit ist insbesondere in Zeiten, wo die Krankschreibungen wegen psychischer Krankheiten zunehmen, sehr erfreulich", sagt Studienautorin Susann Fiedler von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Zu klein für Volkswirtschaft?

Kritik an der Studie kommt vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). 107 Personen seien eine "dünne Datenbasis", daraus Schlüsse für eine ganze Volkswirtschaft zu ziehen sei "fragwürdig". Auch seien die Teilnehmer "Gewinner einer Lotterie" gewesen, keine normalen Bürger mit Anspruch auf Sozialleistungen.

Auch wenn die Studie nicht repräsentativ war, lädt sie dennoch zum Nachdenken über die Zukunft der Sozialsysteme in Deutschland ein.

"Da aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren Deutschlands Sozialsysteme umgebaut werden müssen, sollte eine evidenzbasierte und ergebnisoffene Debatte alle Reformoptionen in den Blick nehmen", sagt DIW-Forscher Schupp. Die Pilotstudie könne dazu beitragen, die bisher sehr polarisierte Diskussion zu versachlichen. Auch wenn das Grundeinkommen derzeit nicht auf der politischen Agenda stehe.