Beim Urknall könnte mit dem Universum auch ein Antiuniversum entstanden sein
Kanadische Physiker stellen ein kosmologisches Modell vor, das die CPT-Symmetrie wahrt und erklärt, warum es in unserem Universum sehr viel mehr Materie als Antimaterie gibt
Mit dem Urknall, dem Big Bang, beginnt alles, zumindest der Kosmos, den wir kennen. Der Urknall ereignete sich irgendwann vor 13,7 Milliarden Jahren, was davor war und ob es etwas davor gegeben hat, ist eine Frage der Spekulation (Hubble und die Expansion des Universums). Mit dem Urknall sind Zeit, Raum und Materie sowie Antimaterie entstanden, indem sich das irrwitzig kleine und heiße Universum mit irrwitziger Geschwindigkeit in der Phase der Inflation ausdehnte; auch heute noch expandiert das Universum unaufhaltsam weiter.
Ein Paradox ist jedoch, dass es im Universum weitaus mehr Materie als Antimaterie gibt, obgleich beides eigentlich zu gleichen Teilen nach dem Urknall vorhanden gewesen sein müsste. Es muss mithin die angenommene CP-Invarianz, wonach in einem physikalisches System sich nichts ändert, wenn alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig alle Raumkoordinaten gespiegelt sind, verletzt (CP-Verletzung) werden, um das Ungleichgewicht zu erklären (Antimaterie: Mehr als nur Anti).
Nach dem darauf aufbauenden CPT-Theorem, also der Annahme der Symmetrie bei der Transformation von Ladung, Parität und der Zeit, ist das Übergewicht der Materie ebenfalls nur durch eine Verletzung der Symmetrie erklärbar. Nach der CPT-Symmetrie müsste beispielsweise ein Atom, das in der Zeit vorwärts durch das Universum reist, von einem Antimaterie-Atom, das in der Zeit rückwärts in einem Spiegeluniversum reist, ununterscheidbar sein. Wasserstoffatome und Anti-Wasserstoffatome müssten identische Spektren haben etc. (Antimaterie für Minuten eingesperrt).
Nun haben die kanadischen Wissenschaftler Latham Boyle, Kieran Finn und Neil Turok vom Perimeter Institute for Theoretical Physics einen Vorschlag entwickelt, der sowohl das Ungleichgewicht als auch die ebenfalls bislang nur angenommene Dunkle Materie erklären können soll. Nach ihrem Modell, das sie in der Zeitschrift Pysical Review Letters vorstellen (CPT-Symmetric Universe), gab es zwar auch nur einen Urknall, aus dem seien aber gleichzeitig das Universum und ein Antiuniversum entstanden, in dem die Zeit in die entgegengesetzte Richtung läuft und in dem spiegelbildlich die Antimaterie überwiegt. Die Wissenschaftler erklären, dass eine solche CPT-Symmetrie mit zwei spiegelbildlichen Universen mit der kosmischen Expansion übereinstimmt. Überdies benötige man für dieses Modell keine neuen Teilchen oder Felder zur Erklärung.
Auch für die angenommene Inflation kurz nach dem Urknall, die zwar einige kosmologische Beobachtungen erklären könne, aber zusätzlich das Vorhandensein von bislang nur hypothetischen Quantenfeldern voraussetze, schlagen sie eine Alternative mit ihrem Modell vor.
Danach habe sich das Universum nicht explosiv oder exponentiell aufgebläht, sondern Zeit und Raum hätten sich kontinuierlich im Universum und Antiuniversum ausgedehnt. Zwar hätten die Wissenschaftler, wie Michael Schirber, Redakteur der Zeitschrift Physics, schreibt, noch nicht zeigen können, wie aus ihrem Modell die Uniformität des Kosmos erklärt werden kann, was die Inflationstheorie schon leiste.
Aber ihr Modell beinhalte eine Erklärung für die Dunkle Materie. Ein CPT-symmterisches Universum würde eine große Zahl von superschweren sterilen Neutrinos produzieren, die auch die Ursache der kürzlich beobachteten hochergetischen kosmischen Strahlung sein könnten.