Berechnung des Schattenwinkels auf einem Foto (II)

Das Foto von Christian Spicker/Agentur Imago, um das es geht

Antwort auf die Kritik an meinem Artikel

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Anmerkung: Redaktion und dem Autor geht es in keiner Weise darum, mit der Bildanalyse Vermutungen über die Teilnehmerzahl der Kundgebung am 1. August zu treffen. Wir fanden es interessant, ob und wie sich aus Bildinformationen, in dem Fall Schattenwürfe, auswerten lassen könnten, um abzuschätzen, wann die Aufnahme gemacht wurde. Die Diskussion und die Kritik an dem Ansatz von Herrn Dr. Käsmacher begrüßen wir deswegen, es war auch die Absicht, eine solche Diskussion auszulösen, nicht eine Wahrheit zu verkünden. Noch eine Anmerkung: Offenbar wird mitunter das Foto von gettyimages, auf dem sich die Uhrzeit am Turm ablesen lässt, mit dem Foto von imago images verwechselt. Es handelt sich um zwei verschiedene Fotos.

Vorbemerkung

Erster Artikel: Berechnung des Schattenwinkels auf einem Foto

Artur Aschmoneit berichtet in einem Artikel, dass das von ihm ebenfalls gekaufte das Bild keine Information zum Aufnahmezeitpunkt enthielt. Ich habe das Bild mit der Bezeichnung imago 0102812307 bei www.imago-images.de deshalb ebenfalls gekauft.

Die enthaltene Bildinformation: Abmessungen 5332 * 3554 Pixel, 300 dpi. Brennweite 35 mm. Neben dem Namen des Fotografen enthält das gelieferte Bild das Aufnahmedatum 01.08.2020 und die Uhrzeit 00:00.

Da das Foto wohl kaum um Mitternacht, wie ausgewiesen, entstanden sein kann, steht fest, dass die Zeitangabe gelöscht wurde.

Herr Gensing vom ARD-Faktenfinder behauptet dennoch, das Foto sei um 15:39 entstanden, was ihm der Fotograf angeblich mitteilte. Auf eine Nachfrage von Telepolis gab dieser keine Auskunft. Über diesen merkwürdigen Umstand möge der Leser selbst nachgrübeln.

Einwände

Es gibt eine Menge Einspruch gegen die Methode der grafischen Winkeltransformation bei einer Abbildung in Zentralperspektive, wie ich sie gehandhabt habe. Es wird hauptsächlich argumentiert, die horizontalen Projektionslinien lägen zu weit voneinander entfernt. Dem stimme ich zu.

Ich habe, wie in bestimmten Fällen üblich, die sogenannte Kavaliersansicht verwendet. Dabei ergibt sich die perspektivische Verkürzung aus der Winkelhalbierenden. An welcher Fluchtlinie man die Winkelhalbierende zur Horizontallinie nun wählt, spielt keine Rolle. Alle Winkelhalbierende schneiden sich in Punkt D. Diese einfache Regel trifft aber nicht immer den gewünschten optischen Eindruck, sondern stellt tatsächlich nur eine Näherung dar. Der Leser möge mir diese kleine Schlamperei nachsehen. Für die Beweisführung spielt sie aber keine Rolle.

Aus dieser Abweichung wird gefolgert, dass dadurch der von mir mit α bezeichnete Winkel zu groß und daher der Schattenwinkel β zu klein berechnet würden. Wegen dieses Missverhältnisses sei der Schattenwinkel in Wirklichkeit größer als auf dem Foto und der Zeitpunkt der Aufnahme demzufolge später.

Bei dieser Argumentation wird unterschätzt, wie genau das menschliche Auge eine perspektivische Verkürzung einschätzen kann. Ist der Verkürzungsfaktor zu klein, dann erscheinen die quadratischen Fliesen als zu lang in der Y-Richtung. Ist er zu groß, dann tritt der umgekehrte Effekt ein. Die Fliesen wirken zu kurz in Y-Richtung bzw. zu lang in X-Richtung. Das Auge kann daher ziemlich gut die richtige Form eines auf dem Boden liegenden Quadrats in der gewohnten Sehperspektive abschätzen. Die Brennweite des verwendeten Objektivs entspricht mit 35 mm annähernd der Brennweite eines gesunden Auges.

Beweisen wir also, dass die Aufnahmezeit 15:39 ist

Will man die genaue Form eines Quadrates aus einer perspektivischen Abbildung entnehmen, dann ist es hilfreich, wenn man beispielsweise die Länge der Straßenmarkierungen und die Breite der Straße kennt. Hartnäckigen Zweiflern sei deswegen geraten, mit dem Zollstock nach Berlin zu fahren.

Ich greife aber die Kritik gerne auf und wähle für meine Argumentation die von den Kritikern empfohlenen Maße, nämlich:

Breite der Fahrspuren 3 m
Länge der Straßenmarkierungsstriche 2 m und die Lücke zwischen den Strichen jeweils 2 m
2 Lücken + 1 Strich also 6 Meter
Breite von 2 Fahrspuren ebenfalls 6 Meter

Mit diesen Angaben lässt sich die Projektion des Quadrats leicht einzeichnen.

Die Straßenmarkierungsstriche links außen und unter der markierten Person bilden zusammen mit den beiden horizontalen Linien das projizierte Quadrat. Man erkennt leicht, dass der Winkel nur leicht von der Diagonalen abweicht. Für den projizierten Schattenwinkel gilt deswegen:

β < α

Mittels sonnenverlauf.de wurde aber gezeigt, dass der Schattenwinkel zur Horizontalen um 15:39 nahezu 60° betragen hat. Diese 60° sind zur Verdeutlichung nur ungefähr eingetragen (grüne Linie). Daraus folgt:

β>45

Das führt zum Widerspruch der Annahme, dass das Foto um 15:39 entstanden ist.

Bei α <= β ist der Schattenwinkel maximal 45°.

Für diesen Winkel ergibt der Sonnenverlauf eine Zeit von maximal 14:56. Damit dürfte klar sein, dass das Foto nicht um 15:39 entstanden ist, sondern früher.

Für mein Auge erscheint der Abstand zwischen den Straßenmarkierungen kürzer als die Striche. Der obere Bildrand bildet das in Y-Richtung nächste Quadrat ab. Optisch erscheint dieses Quadrat als in Y-Richtung zu lang. 2 Striche + eine Lücke sind demnach nicht = zwei Lücken und ein Strich. Die Y-Ausdehnung ist daher eher unterschätzt. Deshalb dürfte der Winkel der Diagonale noch größer sein.

Es war das Ziel des Gegenbeweises zu belegen, dass das Foto um 15:39 entstanden sei. Das ist misslungen.