Biden gegen Trump: "Epische Schlacht um die Seele der USA"

Bild: Jakob Owens/unsplash

Der US-Wahlkampf könnte Schlammschlacht zweier alter Männer werden. Die liberalen Medien sind wieder bereit, das größere Übel zu verhindern. Wo bleiben die Inhalte?

Präsident Joe Biden hat am vergangenen Dienstag seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 angekündigt. Angesichts der Umfragewerte der potenziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten sieht es sehr nach einer Neuauflage der letzten Präsidentschaftswahl aus.

Es wird auf ein Duell zwischen den beiden alten Männern, Donald J. Trump und Joe Biden, hinauslaufen. Zumindest in der Hinsicht auf das Alter der beiden Kandidaten ist das potenzielle Duell zwischen dem achtzigjährigen Amtsinhaber und seinem 76-jährigen Herausforderer etwas Besonderes.

Der Ton im Wahlkampf scheint sich seit dem letzten Durchgang nicht unbedingt verändert zu haben. So startete der Präsident am Dienstag seine Kampagne zur Wiederwahl mit einem Aufruf an seine Wählerschaft, man müsse – wieder einmal – die Demokratie retten, natürlich vor Trump.

Trumpf für die Demokraten

Dessen Position an der Spitze der "Grand Old Party" (GOP) und eine mögliche weitere Trump-Regierung bleibt also das Hauptargument im Wahlkampf der Demokraten. Es kommt Bidens Wahlkampfteam zupass, ein weiteres Mal gegen den verhassten "Rechtspopulisten" antreten zu dürfen, denn derzeit liegt die Zustimmungsrate ihres eigenen Kandidaten in den unteren vierzig Prozent.

Das heißt: Eine Mehrheit der Wählerschaft, einschließlich der Demokraten, will nicht, dass Joe Biden erneut zur Präsidentschaftswahl antritt. Da er dies aber bereits getan hat, ist es strategisch sinnvoll für den Präsidenten, sich im kommenden Kampf ums Weiße Haus weniger auf seine bisherigen Leistungen im Amt zu verlassen.

Stattdessen scheint Biden entschlossen, sich der Wählerschaft ein weiteres Mal primär als Alternative zum republikanischen "Maga (Make America great again)-Extremismus" zu präsentieren.

Das Republican National Committee (RNC) reagierte mit einem AI-generierten Video in gewohnt polemischem Ton, das der Biden-Regierung fast alle aktuellen sozialen Probleme in den USA in die Schuhe schieben möchte.

Von der Situation an den Grenzen bis hin zur Fentanyl-Epidemie ist in dem Videowerbespot jeder konservative Triggerpunkt vertreten. Wie immer vonseiten der Republikaner wird hier schamlos übertrieben.

Wo die Kritiker Bidens recht haben

Jedoch, ganz im Unrecht liegen die Ankläger Bidens nicht. Denn auch wenn sich der Präsident die Schuld für die tieferliegenden Probleme mit seinen Vorgängern teilt, so hat er auch keine großen Sozialreformen auf den Weg gebracht.

Die Regierung der Demokraten hat keine Gesundheitsreform unternommen, die das Leid so vieler in den USA gemildert hätte, die aufgrund von Schmerzen erst auf Opiate, später Heroin und letztlich Fentanyl zurückgreifen müssen.

Biden hat das Chaos an den Grenzen von Trump geerbt, doch war die Regierung der Demokraten eher um die Außenwirkung von Bildern besorgt, die berittenen Polizisten zeigten, wie sie auf schwarze Menschen einschlugen. Weniger Sorge trug man darum, die von Trump eingeführten menschenverachtenden Einwanderungs- und Asylrechtsrichtlinien rückgängig zu machen.

Doch das spielt keine Rolle, denn ein Großteil der US-Bürgerschaft sollte sich noch klar genug an die Trump-Präsidentschaft erinnern, um den starken Wunsch zu hegen, dieses Spektakel nicht noch einmal miterleben zu müssen. Den Rest, also die Unentschlossenen, sollte dann die unversöhnliche Haltung der Republikaner in Hinblick auf Abtreibungsgesetzgebung überzeugen.

Politische Esoterik: Die "Seele Amerikas"

Diese geradezu oppositionelle Haltung einer regierenden Partei wird von den liberalen Kolumnisten der New York Times unterstützt. So etwa von David Brooks, der die religiös angehauchte Ansage Joe Bidens in seinem ersten Wahlkampfvideo – "Amerika im Kampf um die Seele Amerikas" – offenbar sehr wörtlich nimmt.

Brooks interpretiert diese politische Esoterik als Verweis auf die moralische Essenz der USA, die er als den Teil eines kollektiven Bewusstseins beschreibt, in dem sich das moralische Leben abspielt.

Weiterhin argumentiert der Autor, ganz in der Tradition des US-Liberalismus, dass jeder Mensch von unendlichem Wert und unendlicher Würde sei. Jedoch – und dieser Punkt erscheint US-Liberalen stets als essenziell: Jeder Mensch ist moralisch verantwortlich für das, was er tut. Donald Trump und der Trumpismus stehen, laut Brooks, im Gegensatz zu diesem Selbstbild. Durch Trump würde die Seele unter der Herrschaft des Egos verdeckt oder gleich abgetötet.

Kann es Kamala Harris richten?

Einige Liberale sind also endlich bei absoluter Bedeutungsleere angekommen und haben sich mit Sinnlosigkeit des Politiktheaters abgefunden. Die Präsidentschaftswahlen 2024 sind in diesem Framing kein politisches Kräftemessen, sondern ein Kampf um die Seele der USA und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner.

Was soll sich an diesem Umstand in den achtzehn Monaten bis zur Präsidentschaftswahl noch groß ändern?

DeSantis könnte Trump als Kandidaten der Republikaner ablösen, doch liegt der Gouverneur Floridas in den Umfragen weit hinter dem Spitzenkandidaten und es ist unwahrscheinlich, dass sich dies bis zu den ersten Abstimmungen in den republikanischen Vorwahlen in acht Monaten noch dreht.

Besonders, da es momentan so wirkt, als würde der inoffizielle Herausforderer Stimmen und Gunst verlieren. Als er mit den eindeutigen Umfragewerten konfrontiert wurde, merkte der Gouverneur Floridas während eines Interviews in Japan zuletzt sogar an, noch habe er gar keine Kandidatur bekannt gegeben.

So scheint ein Rückzieher des Mannes aus Florida auch nicht mehr ausgeschlossen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wartet er noch den Ausgang von Trumps andauernden Rechtsstreitigkeiten ab.

Glaubt man den US-Mainstream-Medien, wie CNN, NBC oder der New York Times, gibt es im Grunde nur einen Umstand, der Biden die Wahl kosten könnte: das Alter.

Denn auch wenn Trump selbst keine Ausgeburt an jugendlicher Kraft und Gesundheit ist, so ist Biden doch ungleich älter. Vollständig werden sich die kleinen altersbedingten Aussetzer des Präsidenten im Wahlkampf nicht verbergen lassen, das macht ihn angreifbar.

Deshalb glauben einige Stimmen aus dem großen westlichen Chor, der politisch engagierten und um Demokratie besorgen Publizisten wie der französische Intellektuelle Bernard-Henri Lévy ("BHL"), dass Vizepräsidentin Kamala Harris in der kommenden Wahl eine große Rolle spielen wird.

Doch Harris Umfragewerte sind ähnlich niedrig wie die ihres Vorgesetzten. Die Zweifel der Wählerschaft an ihren Regierungsfähigkeiten, die es schon vor dem letzten Präsidentschaftswahlkampf gab, sind nicht verschwunden. Um dies zu ändern, schlägt BHL auch gleich vor, Harris mit einem bestimmten Aufgabenbereich, wie dem Management des Einstiegs der USA in das KI-Zeitalter, zu betrauen, um so ihre allgemeine Beliebtheit zu steigern.

So weltfremd dieser Vorschlag auch klingen mag, Lévy muss sich keine Sorgen machen, dass Trump mit einer liberalen Kandidatin wie Nikki Hailey an seiner Seite in der Lage wäre, die Biden-Harris-Combo zu schlagen. Denn auch wenn Harris Biden kaum zusätzliche Stimmen einbringen wird, die US-Wählerschaft macht ihre Entscheidung für gewöhnlich nicht von der Vizepräsidentin abhängig. Außerdem, sollte Biden vor Ende seiner Amtszeit sterben, sind Kamala Harris Umfragewerte egal.

Wenn auch sehr einseitig im Ton, so lassen die Kommentare der New York Times-Kolumnisten auf Bidens Wahlkampfauftakt doch die Berichterstattung im kommenden Wahlkampfes erahnen. Die liberalen Medien scheinen erneut bereit, den amtierenden Präsidenten unkritisch in einem rein-oppositionellen Wahlkampf zu unterstützen.

Für Politikinhalte oder soziale Themen ist kein Platz. Entweder geht es ganz konkret um die Kandidaten, – also um die körperliche Verfassung seiner Person oder es wird gleich die Seele jedes Individuums in den USA angerufen. Aber es müsste doch Platz sein für ein genaueres Ausleuchten von konkreten politischen Problemen?

Für jenes politische Handeln von Präsidenten, Regierungen und Parteien, das sich auf die US-Gesellschaft auswirkt und gemeinhin als "regieren" bezeichnet wird. Eine Bewertung dieser Kategorie wäre interessant, doch müsste man dafür die Kandidaten als tatsächliche Akteure beschreiben.

Ist eine solche Analyse zu viel verlangt in einer Zeit, in der selbst die angeblich Mächtigsten zu Symbolen politischer Kulturen verklärt wurden? Es ist doch bizarr, dass die gesammelte politische Kultur in den USA von zwei alten Männern mit Vizepräsidentinnen, die weit in deren Schatten stehen, repräsentiert werden soll.

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