Biontech entwickelt "Softwareplattform zur Lieferwahrscheinlichkeit von Impfstoffen"

Grafik: TP

Das Programm wird die deutsche Impfmisere womöglich bessern, aber nicht ganz heilen können

Ein Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums hat Telepolis bestätigt, dass der Impfstoffhersteller Biontech an einer auch für Produkte anderer Hersteller einsetzbaren "Softwareplattform zur Lieferwahrscheinlichkeit von Impfstoffen" arbeitet. Einen weitergehenden Einsatz dieser Software zur Terminvergabe und zur Personalplanung in Impfzentren, wie sie eine Meldung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel nahe legt, kann man dort nicht bestätigen und verweist diesbezüglich auf das Programm BayIMCO.

Potenziell weniger kurzfristige Absagen und weniger Lageraufwand

Lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Lieferung besser vorhersagen, müssten potenziell weniger Impftermine kurzfristig abgesagt werden. Das wäre unter anderem für jene älteren Menschen eine Erleichterung, die sich überreden ließen, auf ein Auto zu verzichten, und die nun auf die Hilfe von Verwandten oder auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind. Klappt die Vorhersage so gut, dass sich Impfzentren auf die Lieferung der zweiten Dosen verlassen können, dann könnte man auch schneller impfen, weil diese zweiten Dosen nicht mehr wochenlang vorrätig gehalten und entsprechend aufwendig gekühlt werden müssten.

Derzeit liegen die deutschen Impfquoten zwischen 2,6 Prozent in Niedersachsen und 3,9 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, während in Israel inzwischen 90 Prozent der Bürger über 60, 73 Prozent der Bürger zwischen 40 und 60, und gut 50 Prozent der Bürger zwischen 16 und 40 geimpft sind. Angesichts dieser Zahlen wird mittlerweile trotz der Kanzlerinnenfeststellung, es sei, "im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen", auch in der Politik Selbstkritik am bisherigen deutschen Weg laut. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach gestand beispielsweise ein, er habe geglaubt, das Organisieren des Impfens "können wir besonders gut", aber nun müsse er zugeben, dass die Impflogistik nicht nur "intransparent", sondern ganz allgemein "schlecht organisiert" sei.

Privat muss nicht automatisch besser heißen – ebenso wenig wie staatlich

Ob die Biontech-Software daran etwas ändert, wird sich zeigen. Bei der Entwicklung ihres Serums scheint die Firma im internationalen Vergleich bislang recht erfolgreich: Eine Studie des größten israelische Gesundheitsdiensts Klalit mit 600.000 Geimpften bescheinigte BNT162b2 gerade eine Senkung der Coronaerkrankungen mit Symptomen um 92 Prozent und gegen die Mutationen aus England und Südafrika scheint das Serum einer in Nature Medicine veröffentlichten Untersuchung mit dem Blut von 20 Personen nach die Bildung neutralisierender Antikörper in ausreichendem Umfang anzustoßen.

Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass Biontech auch gute Steuerungssoftware entwickeln muss. Der kreisförmig gestaltete Weg zur Pressestelle der Firma legt sogar nahe, dass das Gegenteil möglich ist (sofern er nicht bewusst so eingerichtet wurde, um die Menge an telefonischen Anfragen klein zu halten). Auch, dass es sich bei Biontech um ein privates Unternehmen handelt, muss noch nicht bedeuten, dass es automatisch bessere Arbeit leistet als eine staatliche Stelle:

Der staatlich beziehungsweise halbstaatlich entwickelten russischen und chinesischen Impfstoffe Sputnik V und Sinopharm sind beispielsweise deutlich wirksamer als der aufgegebene Versuch der privaten französischen Hoffnung Sanofi. Das Gegenteil ist freilich ebensowenig pauschal gültig, wie Dorothee Bärs staatlich initiierte deutsche Corona-App und die bei Ärzten eher bedingt beliebten Telematikanwendungen der spahnverbundenen Gematik zeigen.

Auch bei der staatlich gestalteten deutschen Impforganisation scheint die Bürokratie die Oberhand über die Benutzerfreundlichkeit behalten zu haben (vgl. Corona-Impfdesaster: Es liegt nicht nur am Mangel). Der Twitter Star Herr Haekelschwein wies am Wochenende humorvoll darauf hin, als er schrieb: "Wie geht’s eigentlich weiter, wenn sich so ein Über-80-Jähriger per E-Mail, Website oder QR-Code einen Impftermin geholt hat und 30 Kilometer zum Impfzentrum gefahren ist? Muss er dort auf einem Seil balancierend einen Wassergraben überqueren und Quizfragen zu YouTube-Stars beantworten?"

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