Bitcoin crasht um fast 40 Prozent vom Allzeithoch

Seite 2: Erwartungen nicht erfüllt

Für Ernüchterung könnte auch sorgen, dass das Modell des Bitcoin-Gurus "PlanB", dem auf Twitter 1,6 Millionen Nutzer folgen, nun deutlich daneben liegt. Noch im November hätte der Kryptowert demnach auf fast bis zu 100.000 Dollar steigen sollen. Für das Jahr 2025 sagt er sogar einen Wert von 1 Million Dollar pro Bitcoin voraus. Auch viele andere Krypto-Experten hatten zum Jahresende das Erreichen sechsstelliger Dimensionen in Aussicht gestellt.

Soll man nun in Bitcoin oder andere Kryptowerte investieren oder nicht? Ebenso könnte man fragen: Soll man beim Roulette auf Rot oder Schwarz setzen? Im Glücksfall wird man seinen Einsatz verdoppeln, sonst alles verlieren. Die Wahrscheinlichkeit für den Gewinn liegt (wegen der farblosen Null) etwas unter 50 Prozent. Darum gewinnt langfristig vor allem die Bank.

Klar sollte sein, dass Bitcoin und andere Kryptowerte nicht der "sichere Hafen" sind, als den manche sie darstellen. Immer wieder hat sich gezeigt, wie die Preise durch durchgeführte oder auch nur erwartete politische Entscheidungen beeinflusst werden, durch Tweets des Tesla-Chefs Elon Musk oder durch die allgemeine Marktstimmung. Zudem gibt es immer mehr spekulative Instrumente (Derivate), mit denen es zu großen Kursbewegungen kommt – sowohl nach oben als auch nach unten.

Wozu Bitcoin?

Als Währungsersatz sind viele Kryptowerte und vor allem Bitcoin viel zu umständlich, zu teuer und zu langsam. Zudem ist Bitcoin eine Riesenumweltsau: Je höher der Kurs steigt, desto mehr Rechenleistung wird in das "Schürfen" investiert, desto schwieriger wird das Lösen der kryptografischen Aufgabe, desto mehr Rechenleistung braucht man und so weiter.

Der jährliche Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks wird auf zurzeit 126,5 Terawattstunden geschätzt. Das ist so viel wie die Ukraine verbraucht und etwas weniger als ganz Polen. Im August waren es noch 82 Terawattstunden.

Dabei treibt Gier noch mehr Gier: Produziert wird dort, wo die Energiekosten am niedrigsten sind, als vorzugsweise mit dreckigem Strom. An manchen Orten wird das sogar noch vom Steuerzahler subventioniert (etwa beim Verbrennen von giftigem Kohleschlamm in den USA).

Bitcoin vom Ende her gedacht

Wer langfristig denkt, sollte sich einmal überlegen, was passiert, wenn alle 21 Millionen Bitcoin errechnet wurden. Dann gibt es keine Vergütung mehr fürs "Schürfen", sondern muss sich das ganze Netzwerk allein aus den Transaktionskosten finanzieren.

Das Dilemma: Entweder sind die Kosten dann wahnsinnig hoch, sodass eigentlich nur noch die Reichen Bitcoin tauschen können. Oder die Transaktionskosten sind sehr niedrig, was die Berechnungen finanziell unattraktiv macht. Dann werden aber viele Serverfarmen schon allein aus ökonomischen Gründen dem Netzwerk den Rücken kehren müssen.

Wenn die Rechenkapazität abnimmt, wird die kryptographische Aufgabe einfacher – und droht schließlich die Kaperung des gesamten Netzwerks durch eine sogenannte 51-Prozent-Attacke. Damit wäre die Sicherheit aller 21 Millionen Bitcoin gefährdet. Möglicherweise entscheidet ein Bitcoin-Oligopol dann, den Algorithmus zu ändern, um das theoretische Maximum entgegen dem ursprünglichen Versprechen zu erhöhen.

Problem Inflation

Bei der zurzeit steigenden Inflation scheinen viele Anleger in die klassischen "sicheren Häfen" zu investieren, nämlich Rohstoffe, Immobilien und Aktien. Wenn die Zinsen steigen, werden Staatsanleihen wieder attraktiver. Ob Bitcoin oder andere Kryptowerte ein wirklicher Inflationsschutz sind, muss sich erst noch zeigen. Dass es inzwischen über 10.000 verschiedene Arten von "digitalen Münzen" gibt und es immer mehr werden, sieht jedenfalls nicht gerade nach einem Inflationsschutz aus.

Bitcoin & Co sind meiner Einschätzung nach eine rein spekulative Wette auf die Zukunft: Wenn man zum Beispiel heute zum Kurs von 50.000 Dollar in Bitcoin investiert, findet man in einem Jahr vielleicht jemanden, der einem die Zahlen im Netzwerk, der Blockchain, zum Kurs von 100.000 Dollar zurückkauft. Vielleicht auch nicht. Es muss aber immer einen geben, der in Zukunft mehr bezahlt als man selbst. Sonst verliert man die Wette.

Das gilt natürlich auch für andere Anlageformen, deren Werte sich aber anders bestimmen. Wohnraum werden wir beispielsweise immer brauchen. Ebenso Nahrungsmittel, medizinische Versorgung und Infrastruktur. Auch das Wirtschaften wird in der einen oder anderen Form immer weitergehen.

Die Inflation lässt zurzeit die Vermögen der Besitzenden, die rechtzeitig in Sachwerte investiert haben, und der Besitzlosen, die gerade so über die Runden kommen und kein Geld für Investitionen übrig haben, weiter auseinanderdriften. Die Inflation belohnt auch diejenigen, die sich in der Vergangenheit verschuldet und damit Infrastruktur aufgebaut oder Gewinne privatisiert haben.

Rolle der Notenbanken

Die expansive Geldpolitik der Notenbanken hat das ermöglicht. Im Gegenzug wurden Crashs abgemildert, zuletzt die Coronapandemie. Das Spiel wird aber nicht ewig so weitergehen können. Dass die Zentralbank der USA jetzt die Zinswende einleitet, wird auch die Europäische Zentralbank unter Druck setzen. Bei Anhebung der Zinsen drohen aber Staats- und Unternehmensbankrotte, weil dann die Schuldenlast zu hoch wird.

Zurzeit sieht es danach aus: entweder eine zunehmende soziale Krise durch immer höhere Inflation; oder eine Rückkehr der Eurokrise, die natürlich wiederum zur politischen Krise würde.

Wenn man sich einmal die Bilanzen der Deutschen Bundesbank anschaut, wird man schnell verstehen, dass wir alle in einem Boot sitzen: Die hat inzwischen Forderungen von 1,127 Billionen Euro (Stand 30. November 2021) gegenüber Banken anderer Länder, vor allem Italien und Spanien. Allerdings sind Ökonomen unterschiedlicher Meinung darüber, wie gefährlich das ist.

Die gute Nachricht ist, dass die hier beschriebenen Probleme menschengemacht sind – und daher auch von Menschenhand gelöst werden können. Mit einer Investition in Kryptowerte, Rohstoffe, Immobilien, Aktien oder andere Anlageklassen kann man vielleicht den individuellen Spielraum erhöhen.

Zu viel Bargeld unter der Matratze oder auf dem Konto erscheint angesichts der Inflationserwartungen eher nicht sinnvoll. Im Endeffekt wird es aber eine multilaterale politische Lösung für die ökonomischen Probleme geben müssen. Oder eine Krise in dem Ausmaß, wie viele der heute lebenden Menschen sie noch nicht erlebt haben.

Hinweis: Der Artikel dient nur zur Information, nicht als Anlageberatung. Weder der Autor noch die Redaktion übernehmen Haftung für etwaige spekulative Verluste.

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