Boko Haram greift jetzt auch Ziele in der Republik Niger an
Wahl in Nigeria verschoben
Seit vier Tagen attackiert die Terrorgruppe Boko Haram nicht nur Ziele in Nigeria und Nordkamerun, sondern auch in der Republik Niger. Gestern und Heute griff sie dort die 56.000-Einwohner-Stadt Diffa an, sprengte deren Markt in die Luft und versuchte das Gefängnis zu stürmen. Zwei Tage zuvor hatte sie die 65.000-Einwohner-Grenzsstadt Bosso mitsamt ihrer Kaserne etwa einen halben Tag lang unter ihre Kontrolle gebracht. Den Behörden der Republik Niger zufolge fielen bei den Kämpfen über Hundert Dschihadisten, aber nur knapp 20 Soldaten. Allerdings könnte es Boko Haram gelungen sein, nigrische Sicherheitskräfte zu entführen.
Die Republik Niger liegt zwischen Algerien und Nigeria. Außerdem hat der Staat gemeinsame Grenzen mit Libyen (wo die Terrorgruppe Islamischer Staat immer stärker an Boden gewinnt), Mali (wo die Dschihadisten 2012 und 2013 das halbe Land eroberten, bis sie durch eine europäische Intervention zurückgedrängt wurden), Burkina Faso, Benin und dem Tschad. Das 17-Millionen-Einwohner-Land fand sich 2013 auf dem letzten Platz des Entwicklungsindex der Vereinten Nationen (HDI). Dafür hat es das weltweit höchste Bevölkerungswachstum.
55 Prozent der zur 95 Prozent moslemischen Bevölkerung der Republik Niger gehören zur Volksgruppe der Hausa, die Nordwestnigeria dominiert. In den nun von Boko Haram angegriffenen Städten leben aber vor allem Kanuri, die insgesamt knapp fünf Prozent der Bevölkerung stellen. Sie besiedeln auch den Nordosten Nigerias - das Gebiet, in dem das Boko-Haram-Kalifat liegt.
Die Fulbe, die in ganz Westafrika anzutreffen sind, stellen in der Republik Niger achteinhalb Prozent der Bevölkerung und leben vor allem im äußersten Südwesten. Im größten Teil des Landes schweifen nomadische Tuareg umher, die etwa zehn Prozent der Einwohner ausmachen. Sie haben häufig enge Verbindungen zu ihren Volksgenossen in Mali, die dort vor drei Jahren mit den Dschihadisten paktierten. Im Osten stoßen ihre Reviere an die der Tubu, deren Siedlungsschwerpunkt im Tschad liegt. Zahlenmäßig bedeutsamer sind mit gut 21 Prozent die Songhai, die auch jenseits der Grenze zu Mali siedeln.
Der Schwerpunkt der Boko-Haram-Aktivitäten liegt aber weiterhin in Nigeria, wo die Terrorgruppe ein Gebiet kontrolliert, das inzwischen deutlich größer ist als Irland. In der Nähe dieses Gebiets kämpfen auch Soldaten aus dem Tschad gegen Boko Haram. Ihrem Generalstab nach gelang es ihnen mit massiver Luftunterstützung Anfang Februar der Terrorgruppe die Ortschaften Gamboru, Mafa, Mallam Fatori, Abadam und Marte abzunehmen. Angeblich kamen dabei über 200 Salafisten, aber nur neun Soldaten aus dem Tschad ums Leben. Die überlebenden Dschihadisten flohen nach ihrer Niederlage nach Kamerun. Dort fackelten sie in der Gamboru gegenüber gelegenen Stadt Fotokol die Hauptmoschee ab und massakrierten mindestens 70 Menschen.
Weil die nigerianische Armee nicht nur im Boko-Haram-Kalifat, sondern im gesamten Norden und Osten nicht für die Sicherheit garantieren kann, wurden am Wochenende die eigentlich am 14. Februar fälligen Präsidenten- und Parlamentswahlen auf den 28. März verschoben. Bis dahin soll das Militär in den gefährdeten Gebieten erheblich verstärkt werden.
Der nigerianische Innenminister Abba Moro erklärte der BBC die Verschiebung damit, dass auch Boko Haram wisse, dass die ganze Welt ihre Augen auf die Wahlen in Nigeria gerichtet habe. Durch den nun beschlossenen Aufbau einen 8.700 Mann starke gemeinsame Anti-Terror-Truppe aus Soldaten, Polizisten und Bürgermilizionären aus Nigeria, dem Tschad, der Republik Niger, Kamerun und Benin habe man aber "keinen Grund, nicht optimistisch zu sein".
Muhammadu Buhari, der Herausforderer des amtierenden Staatspräsidenten Goodluck Jonathan, zweifelte nach der Bekanntgabe des neuen Termins öffentlich an der Unabhängigkeit der nigerianischen Wahlkommission, rief seine Anhänger aber gleichzeitig zur Ruhe auf. Weil Wahlentscheidungen in Nigeria in erster Linie nach der Religions- und Volkszugehörigkeit der Kandidaten getroffen werden, profitiert der moslemische Fulbe potenziell davon, wenn sich im moslemischen Norden des Landes mehr Wähler trauen, zur Urne zu gehen.
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