Breuel rückt endlich von den geplanten 40 Millionen EXPO-Besuchern ab

Nicht nur die EXPO wird mit hohen Defiziten rechnen müssen

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Auf der Aufsichtsratsitzung der EXPO Anfang Juli nannte man die Zielvorgabe von 40 Millionen EXPO-Besuchern "ein immer noch ehrgeiziges Ziel". Doch selbst der Weltpartner und Personalplaner Adecco rechnete schon im Juni die Besucherprognose auf 25 Millionen herunter. Damit muss die EXPO mit einem Verlust von 1.6 Milliarden DM rechnen, aber auch die Bahn und die Lufthansa schreiben nur rote Zahlen.

Besucherzahl auf 25 Millionen EXPO-Gäste nach unten korrigiert

Der Pressevertreter von dpa hakte auf der Pressekonferenz anlässlich der Sitzung des Aufsichtsrates immer wieder nach, um zu erfahren, ob es bei der Prognose von 40 Millionen Besuchern der Weltausstellung bleiben würde und wie hoch der Verlust sonst einzuschätzen sei. Doch der Aufsichtsratvorsitzende Werner nannte das Ziel von 40 Millionen Besuchern ein immer noch ehrgeiziges Ziel. Über mögliche Verluste wolle man nicht spekulieren und auch nicht tägliche Berichte von der Vermarktungsabteilung abfordern.

Inzwischen soll die Generalkommissarin Frau Breuel von der kaum noch haltbaren Vorgabe abgerückt sein und auf Grund der bisherigen Eintritte eine neue Erwartungshaltung im Bereich von 25 Millionen Besuchern aufgebaut haben. Nach einem schwachen Start sei die Vorgabe kaum noch erfüllen. Wenn man an den 40 Millionen Besuchern festhalten würde, müssten bis zum Ende der Weltausstellung täglich 330.000 Gäste kommen. Im Durchschnitt waren es bislang nur 80.000 Besucher.

Noch Anfang Juni verbreitete man angesichts der "schleppenden Besucherzahlen" einen Zweckoptimismus und verwies auf die EXPO in Portugal. Die EXPO 1998 in Lissabon sei auch nur langsam angelaufen. Die abschließenden Zahlen aus Portugal dokumentieren aber auch nur 9,75 Millionen Besucher statt der erwarteten 15 Millionen. Die EXPO in Portugal schloss mit einem Minus von über 1,1 Milliarden DM ab. Dennoch kamen die Gutachter zu dem Schluss, dass die EXPO 98 ein bemerkenswerter Erfolg für Portugal gewesen sei. Insbesondere wird der Aufbau der Infrastruktur positiv bewertet und dass einige ehemalige Ausstellungspavillons heute Touristenakttraktionen sind.

EXPO-Defizite

Inzwischen gilt es als sehr wahrscheinlich, dass auch die EXPO 2000 mit einem negativen Ergebnis rechnen muss. Doch dieses Minus wird höher ausfallen, als die bislang kalkulierten 400 Millionen Mark. Experten halten ein Defizit von 1,3 bis 1,6 Milliarden DM für wahrscheinlich.

  1. Es sind immer noch nicht 250 Millionen Mark aus dem Plansoll der Wirtschaftssponsoren erwirtschaftet worden.
  2. Verluste entstehen zur Zeit durch weggefallene Parkplatzgebühren. Hier wird mit einem Minus von 33 Millionen Mark gerechnet.
  3. Durch die ebenfalls gestrichenen Tageskassenzuschläge sollen mindestens 11 Millionen DM fehlen.
  4. Die Preise der Familientickets sind deutlich gesenkt worden. Ausfall: 10 Millionen DM.
  5. Senioren zahlen 20 DM weniger, was bei ca. 5.000 Senioren pro Tag für die EXPO einen Verlust von etwa 10 Millionen DM bedeutet.
  6. Weitere Verluste entstehen durch das Abendticket, diese drücken die durchschnittliche Erwartung von ca. 45 DM/Tag/Besucher. Minus: 23 Millionen DM.
  7. Die Durchschnittseinnahme wird auch durch die Schülerkarte zu jeweils 29 DM gesenkt. Verlust ca. 11 Millionen DM.
  8. Das größte Loch entsteht allerdings durch die fehlenden Besucher in den ersten Wochen. Hier hatte man mit mehr als drei Millionen gerechnet. Dadurch entsteht ein Verlust, der die 130 Millionen-Grenze weit überschreitet. Legt man den bisherigen Finanzplan mit durchschnittlich 261.000 Besuchern zugrunde, fehlen mindestens 100.000 Besucher pro Tag. So entsteht jeden Tag ein Verlust von 4,5 Millionen DM. Der bisherige Besucherdurchschnitt liegt aber nach Angaben der EXPO bei nur 80.747. Also muss man den Verlust noch weiter nach oben korrigieren. Bis einschließlich dem 13. Juli haben nur 3.472.115 Besucher die Weltausstellung besucht und seit Anfang Juli sind die wöchentlichen Besucherzahlen rückläufig. Rechnet man wiederum diese tatsächliche Besucherzahl auf die restliche EXPO-Dauer hoch, landet man bei einer Gesamtzahl von nur 12 Millionen. Das wäre knapp die Hälfte der "neuen" Vorgabe.

Angesichts der Korrektur der Besucherzahlen und dem höher zu erwartenden Verlust der EXPO fordern die Grünen in Niedersachsen, dass über die Verteilung der finanziellen Belastung für den Bund und das Land Niedersachsen erneut verhandelt werden müsse. Die bisherige Planung sieht eine Verteilung zu gleichen Teilen vor. Angesichts des prognostizierten Verlustes würde das für Niedersachen eine immense finanzielle Belastung bedeuten.

Noch werden die möglichen Verluste von der EXPO als spekulativ bezeichnet, doch darf man gespannt sein, wann sich die EXPO GmbH auch zu diesem Verlust offen bekennt. Schadenfreude ist dennoch nicht angebracht, denn das Defizit haben letztlich die Steuerzahler zu zahlen. Da haben es die EXPO-Besucher schon besser, denn ihnen wird zumindest auf dem Gelände der Weltausstellung einiges geboten. Ob die neuen Werbemaßnahmen unter dem Motto "Das gibtŽs nur einmal, das kommt nicht wieder" mit Peter Ustinov und Verona Feldbusch wirklich greifen, um noch mehr Besucher nach Hannover zu locken, bleibt abzuwarten. Dem verschmitzten Ustinov traut man ja einiges zu, aber der sprachlich holprigen Dame wohl weniger. Doch auch die Macher von Big Brother bauten auf Veronas Zugkraft und wurden von den Einschaltquoten nicht enttäuscht. Doch Verona wird sich auf der EXPO weder ausziehen, noch wird man wieder ihr rosa Toilettenhäuschen aufstellen.

Da spottete auch schon das EXPO-Journal und verkündete: "Jetzt wird die EXPO geholfen". Als weiteres Zugpferd schaltete sich Gerhard Schröder ein und lud die Chefredakteure der großen deutschen Tageszeitungen nach Hannover ein. Vermutlich soll dort "Gute Stimmung für die EXPO" eingeübt werden.

Weitere Verluste

Auch die Bahn schreibt keine schwarzen Zahlen. Selbst die halbe Kapazität der Sonderzüge zur EXPO sind nach Focus-Angaben nicht ausgelastet. Kalkulatorische Einbrüche hat auch die Lufthansa zu verzeichnen, die Sonderflüge zur EXPO sollen wahrscheinlich bis Ende Juli drastisch gekürzt werden. Allerdings sollen die Änderungen frühestens im September greifen.

Überhaupt noch keine Zahlen liegen im Bereich der Steuereinnahmen vor. So sollten zum Beispiel die privaten Zimmervermieter einen bestimmten Beitrag an den Fiskus abführen. Noch liegen aber überhaupt noch keine Buchungszahlen der Privatquartiere vor. Nur von den Hotels war zu hören, dass sie nach Senkung der horrenden Hotelpreise bessere Auslastungszahlen hätten.

Verkalkuliert haben sich bestimmt auch die vielen Gemeinden im Umkreis von Hannover oder die touristischen Zielgebiete, die alle vom prognostizierten EXPO-Boom profitieren wollten. Auch hier kann man davon ausgehen, dass die Privat- und Steuer-Verluste immens sind. Noch zeichnet sich keine Pleitewelle ab, aber viele Fremdenverkehrsbetriebe haben ihre Quartiere extra noch einmal für die Gäste der Weltausstellung renoviert und dafür Kredite aufgenommen. Doch wenn jetzt die Besucher wegbleiben, geht die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht mehr auf, Kreditraten können nicht bezahlt werden und Konkurse werden wahrscheinlicher.