Bündnis für Verkehrswende: IG Metall an der Seite von Fahrrad und Schiene

IG-Metall-Logo mit Schloten und mit Nachhaltigkeit

IG Metall überrascht mit neuem Bündnis. Gemeinsam mit Fahrrad- und Schienenverbänden fordert sie eine Verkehrswende. Doch wie reagieren die Beschäftigten?

Die IG Metall feiert derzeit ihr 75. Jubiläum. Die Arbeitswelt hat sich seit Gewerkschaftsgründung häufig verändert. Jetzt stehen wichtige Industriesparten wie Auto, Maschinenbau und Stahl vor gewaltigen Umbrüchen, wenn klimaneutral produziert werden soll.

Was sich dabei aber nicht geändert hat, ist unser Einsatz, unser Einstehen für die Beschäftigten. Sie brauchen Sicherheit und eine klare Perspektive, wie ihr Arbeitsplatz in Zukunft aussieht. […]
Für diese klare Perspektive brauchen wir jetzt Investitionen und zwar im großen Stil, von Unternehmen und der Politik.

Christiane Benner, IG-Metall-Vorsitzende

Klimadebatte in der Belegschaft

Der Zusammenhang von Transformation und Klima sorgt für Diskussionen in der Belegschaft, erläutert Bilal Sahin, Betriebsrat bei VW Kassel-Baunatal:

Wir schulen unsere Vertrauensleute und suchen aktiv die Diskussion. Das geht nicht immer ohne Streit. Wir haben im Betrieb vereinzelt Diskussionen mit Klimaleugnern und Sympathisanten der AfD. Das kann man nicht vom Tisch wischen. Aber eine Umfrage im Betrieb hat gezeigt, dass viele Beschäftigte Verständnis für das Thema haben.

"Unser Ziel ist, dass wir möglichst viel im Dialog mit den Kollegen stehen und uns nicht nur – wie bei den großen Betriebsversammlungen – über hallenübergreifende Entwicklungen austauschen, sondern die spezifischen Anliegen der Kollegen aus den einzelnen Bereichen Gehör finden", erläutern Carsten Büchling und Rhonda Koch vom VW-Betriebsrat in Nordhessen.

Das Thema Klimawandel muss auch für abhängig Beschäftigte finanzierbar sein, gerade mit Blick auf die Inflationszahlen der letzten Jahre. Wir haben als Betriebsrat eine klare Haltung: Wir sehen die Notwendigkeit einer nachhaltigen Veränderung.

Bilal Sahin

Anfang des Jahres hat ein eher ungewöhnliches Bündnis, bestehend aus Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), Allianz pro Schiene, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Zukunft Fahrrad und der IG Metall ein Positionspapier mit dem Titel "Die Verkehrswende starten – ökologisch, ökonomisch, sozial" veröffentlicht. Darin wird eine deutliche Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene gefordert:

Kommunen müssen die nötigen Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um nachhaltige Mobilitätskonzepte konsequent umzusetzen und an den Zielen des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes sowie der städtebaulichen Entwicklung auszurichten. […]

Und wir brauchen andererseits ein neues Zusammenspiel und einen anderen Verkehrsträger-Mix mit einer deutlich gestärkten Rolle von Schienenverkehr, öffentlichem Verkehr und Radverkehr sowie einer neuen, darauf abgestimmten und in Anzahl und Wege-Umfang reduzierten Rolle des Automobils.

Konversion der Produktion als besondere Herausforderung

Die IG Metall fordert zwar angesichts der Klimakrise die Transformation. Aber die Verkehrswende, für die sich auch die IG Metall öffentlich ausspricht, "kommt in den Betrieben unzureichend an", erklärt Hans Köbrich. Er hat viele Jahre in der Autoindustrie gearbeitet und ist aktiv im Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin. Der Arbeitskreis beschäftigt sich auch intensiv mit dem Thema Klimawandel. Beispiele für Fehlentscheidungen gebe es viele.

Das Bahnwerk von Alstom (ehemals Bombardier) in Henningsdorf bei Berlin soll geschlossen werden. Das Werk sei in der Krise, "obwohl es einen enormen Bedarf an Schienentechnologie gibt. Selbst die vorhandenen Kapazitäten werden nicht genutzt. Es ist irre, weil nach ökonomischen Kriterien entschieden wird und nicht nach politisch-gesellschaftlichen", so der IG Metaller: "Wer produziert was für wen?", ist die zentrale Frage. Bei der Konversion von einem gesellschaftlich schädlichen zu einem gesellschaftlichen nützlichen Produkt, "die Kollegen mitzunehmen", ist keine leichte Aufgabe.

Der Arbeitskreis führe eine aktuelle Debatte zur Infrastruktur, an der sich der Jenaer Arbeitssoziologe Klaus Dörre beteiligt. "Bahn, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, aber auch Wohnen sollen demnach (wieder) in Gemeineigentum überführt werden", erläutert der Gewerkschafter.

Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Und sicher auch einer, den die IG Metall mitgehen könnte". Ob dies über die Theorie hinausgeht, ist er skeptisch "Denn die Rahmenbedingungen, die der IG Metall mit ihrem aktuellen Selbstverständnis der Sozialpartnerschaft gesetzt sind, sind schon wirklich sehr starr. Wir müssen über diese Grenzen hin-ausgehen.

Klaus Dörre

Wie Klimaleugner vorgehen und wie Umweltpolitik gefährdet wird, verdeutlicht eine jüngst erschienene Publikation des Umweltbundesamtes (UBA) über "umweltbezogenen Populismus". Mit der Parole "Die Klimakrise ist inszeniert" werden entweder die Krise an sich, der menschliche Einfluss darauf oder die negativen Folgen geleugnet.

Mit dem Argument, "Umweltpolitik ist per se sozial ungerecht" werden berechtigte Sorge über eine ungerechte Transformation laut UBA-Analyse instrumentalisiert, um die Energiewende als Programm zulasten von Geringverdiener zu inszenieren – gerade von Parteien wie der AfD, deren Steuerpolitik wiederum zugunsten der Reichen formuliert ist. Vermeintliche Eliten werden als Antreiber gekennzeichnet, die Autokonzerne dabei nicht kritisiert. Diese Erzählungen sind auch in den Betrieben zu hören.