Bundesregierung will ernstgenommen werden
Spionageaffäre: Washington reagiert auf die gekränkten Signale aus Berlin mit Bestätigungen der Wichtigkeit des Partners. Der Rest wird am Telefon besprochen
Ob die US-Regierung jetzt ihrerseits erwäge, jemanden aus der deutschen Botschaft auszuweisen, wurde die Sprecherin des US-Außenministeriums Jen Psaki bei der gestrigen Pressekonferenz gefragt. Ob der Journalist dazu lächelte, geht aus dem Manuskript des Press Briefings nicht hervor. Psaki wollte dazu keinen Kommentar abgeben. Es sei schon alles dazu gesagt, sie habe nichts Neues dazu zu berichten, bitte weiter zu einem anderen Thema: "let’s finish this topic". Der Sprecher des Weißen Hauses Josh Earnest fuhr bei seiner Pressekonferenz den gleichen Kurs: Er könne über die Geheimdienst-Affäre nichts sagen.
Wiederholt wird von beiden Sprechern in Variationen die Botschaft, worauf es der Bundesregierung wohl auch am meisten ankommt: Bestätigungen, wie wichtig der Verbündete Deutschland ist, wie wichtig die Zusammenarbeit mit diesem Partner ist, wie ernst die Angelegenheit genommen wird. Außenminister Kerry werde bald mit dem deutschen Kollegen Steinmeier telefonieren.
Die Empörung der deutschen Politiker wurde vernommen: von US-Journalisten, die die Story der Aufforderung zur Ausweisung des CIA-Station-Chefs in Deutschland nach möglichen ernsthaften Konsequenzen abklopfen - allerdings vergeblich - und von Abgeordneten mit Verbindungen zu deutschen Parlamentariern, die die Gelegenheit nutzen, um über dunkle Wolken über dem deutsch-amerikanische Verhältnis nachzusinnieren.
Aus der amerikanischen Regierungsspitze und von prominenten Oppositionspolitikern ist dagegen nichts zu hören. Dass die diplomatische Aufforderung zur Abreise des Top-CIA-Manns ein "Warnschuss" ist, der nun angekommen und seither eine "kontroverse Debatte über den Umgang mit dem Bündnispartner entbrannt" ist, wie die Tagessschau berichtet, dafür finden sich wenige relevante Belege.
Obama und seiner Regierung dürfte klar sein, dass die Regierung Merkel mit dem symbolischen Akt Innenpolitik betreibt und hier ein Ventil gefunden hat, um den Druck, der sich zum Thema US-Geheimdienste angestaut hat, auf eine politisch ungefährliche Art abzulassen. Dafür will sie Anerkennung. Der wirklich große Elefant im Raum bleibt das Problem, dass die Massenüberwachung öffentlich geworden ist (und die Kooperation BND-NSA) und Geheimdiensttätigkeiten seither mit anderen Augen wahrgenommen werden. Dass sich mit der jetztigen Spionageaffäre der Blick wieder zurück auf die Arbeit von Schlapphüten und Maulwürfen richtet, dafür kann Obama dankbar sein.
Berichtet wird darüber auch in Frankreich und in Großbritannien, ohne dass die Sache über das Symbolische hinaus groß analysiert wird; was im Fall Frankreich etwa die Frage aufwirft, warum es dort nicht zu solchen Eklats kommt. Auch dort sind die amerikanischen Geheimdienste tätig, intensiv sogar, wie ein Historiker kommentierte, als über die Enthüllungen Snowdens bekannt wurde, dass europäische Regierungen überwacht würden. Die USA hätten niemals aufgehört, Frankreich auszuspionieren, führte der Historiker aus.
Doch gilt das offensichtlich auch vice versa. Im Mai dieses Jahres ließ eine Bemerkung des früheren US-Verteidigungsministers Robert Gates aufhorchen. Im Gegenzug zur Snowden-Debatte, die die Schnüffeleien der USA zum großen Thema machten, wies er auf die Industriespionage im großen Stil hin, die vor allem von zwei Staaten ausgeübt werde: China und auch Frankreich.
Seit Jahren wisse man von Mitgliedern des französischen Geheimdienstes, wird Gates zitiert, "die in Hotelzimmern von amerikanischen Geschäftsleuten einbrechen und sich an deren Laptops zu schaffen machen und Informationen herunterladen, wenn sie der Auffassung sind, es seien technische Informationen oder Wettbewerbsinformationen, die für Frankreich nützlich sind".
Das Thema verschwand aber bald wieder aus der Öffentlichkeit. In der US-Regierung stellte man aber laut New York Times ernsthafte Überlegungen an, mit Frankreich ein No-Spy-Abkommen abzuschließen.