Bundeswehr-Offizier Franco A. zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt
Laut Gerichtsurteil plante der als "falscher Syrer" bekanntgewordene ultrarechte Oberleutnant eine schwere staatsgefährdende Gewalttat
Mehr als ein Jahr hat die Hauptverhandlung im Prozess gegen Oberleutnant Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gedauert – die meiste Zeit saß er nicht in Untersuchungshaft. Nach 39 Verhandlungstagen seit dem 20. Mai 2021 hat ihn das Gericht am heutigen Freitag wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Waffen- und Sprengstoffdelikten sowie Betrugs zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Die Ermittlungen gegen den heute 33-jährigen suspendierten Bundeswehroffizier hatten sich hingezogen, nachdem er 2017 als "falscher Syrer" und Terrorverdächtiger Schlagzeilen gemacht hatte.
Bereits Ende 2015 hatte A. in seiner Geburtsstadt Offenbach versucht, Asyl zu beantragen, indem er sich als syrischer Christ ausgab. Nachdem er dort und in einem Polizeirevier den Namen "Benjamin David" und den Geburtsort Damaskus angeben hatte, wurde er an die Erstaufnahmeeinrichtung Gießen verwiesen, wo er schließlich den Asylantrag stellen konnte.
Mit der falschen Identität kassierte er bis 2017 insgesamt fast 7000 Euro an Leistungen nach Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes und hielt sich sporadisch im bayerischen Landkreis Erding auf, dem er nach der Registrierung zugewiesen worden war.
Seine Festnahme erfolgte, nachdem er im Januar 2017 am Flughafen Wien-Schwechat eine Pistole im Putzschacht einer Toilettenanlage versteckt hatte. Seine Erklärung hierfür war abenteuerlich: Er will die Waffe zufällig gefunden haben, als er nach dem Offiziersball in der Wiener Hofburg in einem Gebüsch seine Blase entleeren wollte. In der polizeilichen Vernehmung gab er an, er habe sie eingesteckt und erst kurz vor der Sicherheitskontrolle für den Rückflug bemerkt, dass er sie noch in seiner Jackentasche trug.
In seinem Keller in Offenbach hatte der Offizier unterdessen nach Gerichtsangaben nicht nur Essensvorräte, Benzin und Wasser, sondern auch Hieb- und Stichwaffen sowie "1.090 Schuss Munition, 51 Sprengkörper, eine Anzündschnur, ein Oberteil einer Übungshandgranate mit eingebautem Knallsatz, drei Patronengurte für Maschinengewehre, einen Gurtkasten für ein Maschinengewehr und ein Magazin für ein Gewehr G36 aufbewahrt".
Rechtsextreme Gesinnung des Angeklagten fiel Gutachter schon 2014 auf
Der Angeklagte habe eine "seit Jahren verfestigte rechtsextreme, völkisch-nationalistische und rassistische Gesinnung", führte der Senat aus. Besondere Abneigung habe er gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, denen er den Wunsch nach einer "Weltherrschaft des Zionismus" unterstelle.
Diese ultrarechte Gesinnung war bereits lange vor seiner Festnahme aufgefallen, die Bundeswehr hatte sich aber deshalb nicht von ihm getrennt: Im Jahr 2014 hatte ein von der Bundeswehr beauftragter Gutachter seine Masterarbeit überprüft, die A. an der französischen Militärschule Saint-Cyr vorgelegt hatte.
Seit September 2009 hatte er in der Deutschen Stabsgruppe im französischen Fontainebleau gedient und ein Studium der Staats- und Sozialwissenschaften aufgenommen.
Das Gutachterurteil war eindeutig: Bei dem von A. als Masterarbeit eingereichten Text handle es sich "nach Art und Inhalt nachweislich nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um ein radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern sucht".
Der Oberleutnant beschrieb "Diasporagruppen" als Gefahr für die jeweilige Umgebungsgesellschaft, "da sie niemals Teil eines Volkes sein könnten". So sei beispielsweise die US-Gesellschaft lange Zeit von der jüdischen und armenischen Diaspora "ausgebeutet" worden. Zudem warnte A. vor "Durchmischung" und "Mischehen".
Um die aus seiner Sicht zu liberale Migrations- und Asylpolitik in Deutschland zu beenden, wollte er später nach Überzeugung des Gerichts Anschläge begehen: Während er Schusswaffen, Sprengkörper, Kartuschen und Munition hortete, habe er den festen Entschluss gefasst, einen "Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens zu verüben, die sich besonders durch ihr flüchtlingsfreundliches Engagement auszeichneten, um einen politischen oder gesellschaftlichen Richtungswechsel in seinem Sinne herbeizuführen und so nach seiner Vorstellung zum ‚Erhalt der deutschen Nation‘ beizutragen", erklärte das Gericht an diesem Freitag.
Als mögliche Anschlagsopfer habe er A. die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth (Grüne), den damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sowie die Journalistin und Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane in Betracht gezogen.
Die vorgeworfenen Anschlagspläne hatte A. vor Gericht bestritten – die Hortung von Waffen und Munition nicht. Angeblich wollte er damit nur für den Fall eines Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung in Deutschland vorsorgen.
Offene Fragen zu Waffenherkunft und Mitwissern
"Der Prozess hat gezeigt, dass es rechte Netzwerke in Bundeswehr und Sicherheitsbehörden gibt. Es ist wichtig, dass die Ermittlungsbehörden dies zur Kenntnis nehmen und in Zukunft alles daran setzen, diese Netzwerke aufzuklären", erklärte dazu am Freitag die Oppositionspolitikerin Martina Renner (Die Linke), die bereits im Thüringer Landtag sowie später im Bundestag in Untersuchungsausschüssen zum rechtsterroristischen Netzwerk NSU mitgearbeitet hatte.
Renner weist darauf hin, dass auch im Fall Franco A. mit dem Ende der Hauptverhandlung und dem Urteil keineswegs alle Fragen beantwortet sind:
Einige Fragen sind auch nach dem Prozess ungeklärt: Wo sind die Waffen? Woher stammen sie? Gab es weitere Mitwisser in seinem Umfeld und in der Bundeswehr? Ich erwarte, dass diese Fragen auch nach dem Prozessende Gegenstand weiterer Aufklärung durch die Ermittlungsbehörden sind.
Martina Renner, MdB (Die Linke)
Laut Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat A. "spätestens am 22. Januar 2017 eine Pistole des Herstellers Manufacture d' Armes des Pyrénées Francaises (M.A.P.F.), Modell Rr, Kaliber 7,65 mm Browning, Selbstlader Halbautomat erlangt" – also an jenem Tag, an dem er die Waffe auch am Flughafen in Wien versteckte. Wie und von wem er sie "erlangt" hatte, ist demnach völlig unklar.
Bei der Strafzumessung hat laut Gericht aber unter anderem "für ihn" gesprochen, "dass er auf die Rückgabe der sichergestellten Waffen, Waffenteile, Munition, Sprengkörper und Kartuschen verzichtet habe". Seit Februar befand sich A. wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das zuständige Truppendienstgericht der Bundeswehr will nach Abschluss des Strafverfahrens in einem gegen A. eingeleiteten Disziplinarverfahren entscheiden. Seine Uniform darf er so lange nicht tragen. Zum Prozess erschien er mit langen Haaren, Pferdeschwanz und Bart. Als Rechtsextremist wollte er sich nicht bezeichnen.