Bundeswehr undankbar: Anklage gegen staatstragenden Satiriker
Suchaktion des "Zentrums für politische Schönheit" hat Nachspiel. Es ging um rechte Netzwerke beim Militär. Mit diesem scheint sich der Leiter der Gruppe stark zu identifizieren – Amtsanmaßung?
Auf den ersten Blick handelte es sich um eine neue Werbemasche der Bundeswehr, die es sich schon länger erlaubt, Zivilbürger auf diese Weise von der Seite anzuquatschen: "Der MAD braucht Deine Hilfe, jetzt mitmachen und 1.000 Euro für jeden Hinweis absahnen."
Doch die Aufforderung kam im Oktober 2020 von der Satiretruppe "Zentrum für Politische Schönheit" (ZPS). Damals war die Diskussion über rechte Netzwerke in der Bundeswehr sowie verschwundene Waffen und Munition in allen Medien.
Darauf reagierte das Zentrum auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage mit der Ansage:
Wir haben den Militärischen Abschirmdienst (MAD) übernommen und suchen jetzt die Waffen, Sprengstoffe und Munitionsdepots, die in allen Truppenteilen der Bundeswehr "verloren" gegangen sind – oder klarer: von Rechtsextremen geklaut wurden. Der Rechtsextremismus rüstet auf. Für jeden Hinweis, der zur Ergreifung der Täter führt, zahlen wir 1.000 Euro!"
Zentrum für Politische Schönheit / Wo sind unsere Waffen?
Hier wird schon klar, dass es sich um Satire handelt. Doch die Bundeswehr versteht bekanntlich keinen Spaß und schon gar nicht, wenn jemand bei ihr nach den Rechten sehen will. Deshalb hat die Berliner Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen den Sprecher des ZPS, Philipp Ruch, wegen Amtsanmaßung und der Fälschung von Daten erhoben.
Die Staatsanwaltschaft wirft Ruch vor, ein vermeintliches Hinweisportal des MAD eingerichtet zu haben und im Namen des MAD Zeugen Straffreiheit bis zum 31. Oktober 2020 für erteilte Hinweise auf rechte Umtriebe zugesagt zu haben. Zudem habe das ZPS eine Webseite mit der Selbstbeschreibung des MAD, dem Hoheitszeichen der Bundeswehr und einem fiktiven Anschreiben des MAD verwendet.
Auch das soll strafbar sein. Ein bemerkenswertes Signal für tatsächliche Bundeswehr-Angehörige: Wer beim deutschen Militär nach den Rechten sieht und sogar darauf drängt, dass sie verschwinden sollen, der setzt sein Amt aufs Spiel.
Unsere Waffen – wirklich?
Dabei geht es Ruch wirklich nur darum, die angeblich gute, demokratische Bundeswehr vor einer Unterwanderung durch Rechte zu schützen. Schließlich sollen Nato-Armeen aus seiner Sicht weltweit "politische Schönheit" durchsetzen; und zwar besser heute als morgen, daran lässt er in ernst gemeinten Interviews keinen Zweifel.
Als Ruch im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau über die Vorteile der Todesstrafe philosophierte, sagte er mit Blick auf den wegen Kriegsverbrechen verurteilten bosnisch-serbischen Ex-General Ratko Mladic: "Unsere Großmut im Umgang mit Mladic gönnen wir uns auf Kosten seiner Opfer."
"Wir" ist in diesem Zusammenhang erkennbar nicht nur seine staatstragende Satiretruppe, sondern der Wertewesten inklusive seiner Staatsapparate. Kleiner hat er es nicht. Daher ist es für ihn vermutlich auch keine Satire, sondern durchaus ernst gemeint, wenn das ZPS von "unseren Waffen" redet.
Die sind nach Ansicht von Ruch und anderen Protagonisten in der Ukraine oder in Nato-Stäben eindeutig besser aufgehoben. So kritisierte das ZPS mit Blick auf den Jugoslawien-Krieg nicht die vor allen von Deutschland maßgeblich betriebene ethnische Aufteilung des multikulturellen Jugoslawien, sondern dass dort die Waffen nicht richtig eingesetzt worden seien.
Am 11. Juli 1995 zerstören die schlimmsten Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa die bosnische Kleinstadt Srebrenica. Den unvorstellbaren Erschiessungen und Deportationen geht ein gigantischer Verrat an der Menschheit voraus: Während 40.000 Zivilisten gebannt in den Himmel von Srebrenica starren und auf ein Zeichen der Weltgemeinschaft warten, der ihnen ihren Schutz garantiert, entscheidet das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Zagreb, die Menschen auszuliefern. Während sämtliche Befehlsketten von UN und NATO die Verteidigung Srebrenicas schon unterschrieben haben, verfolgt ein einziger General andere Pläne. 8.372 Menschen kostet sein Verrat das Leben.
Zentrum für politische Schönheit.
Militaristischer Verratsbegriff
Hier wird suggeriert, dass ein Einsatz der Nato Tausende Menschen gerettet hätte, nur ein General hätte das verhindert und "Verrat" geübt. In antimilitaristischen und pazifistischen Kreisen galt Verrat immer als ein positiver Begriff, und jeder Mensch, der einen Bombereinsatz verhindert, wird gelobt, auch und gerade, wenn er Teil des Militärs ist.
Denn nur dann ist er überhaupt in der Lage, einen solchen Einsatz zu verhindern. Das ZPS hingegen verwendet in militaristischer Tradition den Begriff Verrat bewusst, um einen nicht ausgeführten Nato-Angriff anzuprangern. Heute würde es den General dann wahrscheinlich in die Nähe der russischen Außenpolitik rücken.
Im Ukraine-Krieg stand das ZPS schließlich an vorderster Front auf Seiten des globalen Westens, in dem es darüber abstimmen ließ, ob und wie Russlands Präsident Wladimir Putin hingerichtet werden soll. Da wurde der selbsternannte Sturmtrupp des aggressiven Humanismus zum Lautsprecher einer besonders aggressiven Variante des deutschen Imperialismus, der ja seit 1999 seine Kriege auch immer mit Vergangenheitsbewältigung und Humanismus begründet.
Und wo bleibt die Satire beim ZPS?
Die jetzige Anklage wegen der Waffensuche bringt dem ZPS wieder mehr Aufmerksamkeit. Die letzten Aktionen fanden längst nicht mehr so viel Interesse wie die Aktionen des Zentrums vor einigen Jahren, als es in der Bundeshauptstadt Gräber für die an der EU-Außengrenze gestorbenen Flüchtlinge ausheben ließ. Da war noch etwas Subversion in den Aktionen erkennbar. Doch beides konnte man in den letzten Aktionen nicht einmal mehr in Spurenelementen finden – dementsprechend ging auch das Interesse an ihnen zurück.
Schon längst gehört das ZPS zu den konformistischen Satirikern, denen der Witz abhandengekommen ist. Das Sterben der Geflüchteten an der EU-Außengrenze geht weiter; das ZPS sieht aber keinen Widerspruch darin, dass Staaten, denen es einst vorwarf, deren Blut an den Händen zu haben, mit militärischen Mitteln Weltpolizei spielen sollen, um "politische Schönheit" durchzusetzen.
Wenn der "Sturmtrupp des aggressiven Humanismus" dann doch einmal Ärger mit den repressiven Staatsapparaten bekommt, ruft er "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt". So erwartbar wie langweilig. Diese Satiriker sind so im Einklang mit den Zielen der deutschen Politik, dass ihnen auch eine Anklage nicht mehr helfen kann. Ruch und Co. müssen sicher nicht ins Gefängnis – und das ist auch gut so. Aber die juristischen Ermittlungen machen sich gut, wenn einige von ihnen dann bei den Grünen, bei FDP oder CDU ihren aggressiven Humanismus ganz ohne Witz ausleben werden.
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