CDU/CSU: ein Wahlprogramm für die Reichen

Wohlhabende Haushalte werden um vierstellige Beträge im Jahr entlastet. Der Rest - vor allem die junge Generation - sollte anders wählen. Bild: 3D Animation Production Company auf Pixabay (Public Domain)

Wertkonservativ ist das Programm der Unionsparteien für die nächste Legislaturperiode jedenfalls nicht. Eine Wortmeldung aus christlicher Perspektive

Ein "kaltes Herz" attestierte die Süddeutsche Zeitung in einem Leitartikel zum Wahlprogramm der Unionsparteien CDU und CSU. Die SZ zitiert dabei eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Demnach sehen die Steuerpläne der deutschen Parteien zur Bundestagswahl im September so aus: SPD, Linke und Grüne kümmern sich eher um die Mehrheit der Bevölkerung, während sich die FDP und die Unionsparteien eher um die Gutverdiener bemühen.

Die Unionsparteien wollen in ihrem Programm Haushalte, die über mehr als 12.000 Euro Monatseinkommen verfügen, um die 5.000 Euro jährlich entlasten, aber Haushalte mit geringerem Einkommen nur um wenige hundert Euro pro Jahr. Für "C"-Parteien ein erbärmliches Programm.

Und wie sieht es bei den Umweltthemen aus? Das Zauberwort für christliche Parteien heißt hier "Bewahrung der Schöpfung". Das steht formal zwar auch so im Programm der beiden C-Parteien. Doch zur praktischen Umsetzung ist so gut wie nichts Fortschrittliches zu finden. Am Kohleausstieg bis 2038 wird festgehalten, obwohl alle Klimaforscher sagen, dass dies eine Katastrophe wäre. Am Paris-Ziel, die menschengemachte Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird ebenfalls formal festgehalten, aber es werden keine konkreten Schritte zu dessen Erreichung aufgezeigt. Kein rascherer Ausbau von Solar- und Windenergie. Eine Vervierfachung der Ausbautempos wäre nötig, um das Paris-Ziel zu erreichen.

Energie vom "Chef" selbst

Das Zauberwort der Konservativen könnte heute heißen: Bewahren, was uns bewahrt. Konkret und praktisch hieße das: Die tot geprügelte Windkraftbranche wieder zum Leben erwecken und verstehen, dass Solarenergie Energie von ganz, ganz oben ist, Energie vom "Chef" selbst. Kostenlose himmlische Energie, weil die Sonne und der Wind keine Rechnung schicken. Und umweltfreundlich und unendlich sind sie noch dazu. Welch ein konservatives marktwirtschaftliches Zukunftsprogramm! Hinzu kommt, dass Solarstrom inzwischen so preiswert ist, dass er auch Sozialstrom ist.

Was heute konservativ ist, habe ich mit großer Begeisterung und Zustimmung in der katholischen Soziallehre und in der evangelischen Sozialethik gefunden. Konservative orientieren sich an Maß und Mitte und sind nicht für den Brutal-Kapitalismus anfällig. Papst Franziskus brachte es auf den Punkt: "Diese Wirtschaft tötet". Doch von alldem ist im Unions-Programm nichts Konkretes zu finden.

Wertkonservativ statt strukturkonservativ?

Welchen Beitrag könnte oder müsste ein moderner Konservativismus heute in der öffentlichen Debatte leisten? Die parteipolitisch Konservativen haben - von Ausnahmen wie früher Herbert Gruhl in der CDU oder heute Josef Göppel in der CSU abgesehen - die Klimakrise sowie den Umwelt- und Artenschutz - verschlafen. Schon Heiner Geißler erkannte: "Wir hätten Herbert Gruhl in der CDU halten müssen."

Erst durch die Ernsthaftigkeit und Denkklarheit der "Fridays For Future"-Bewegung scheinen auch viele Konservative aufzuwachen. Jetzt gibt es sogar eine Klima-Union von CDU/CSU-Mitgliedern, die ein fortschrittliches Konzept für die solare Energiewende vorgelegt hat. Leider ist aber davon im offiziellen Unions-Wahlprogramm nichts zu finden.

Als käme "konservativ" von Konservendose

Maß und Mitte sind seit Sokrates, Aristoteles und Platon die Wesensmerkmale des Konservativen. Aber wo bleiben sie, wenn wir unsere Lebensgrundlagen zerstören? Ach wären die "Konservativen" doch konservativ! Gerade heute! Konservative sagen gerne, dass sie ihre Kinder lieben. Das ist reine Heuchelei, wenn sie gleichzeitig die Zukunft ihrer Kinder verbrennen.

Das Unions-Wahlprogramm liest sich als käme "konservativ" von Konservendose, aber es kommt vom lateinischen "conservare" und heißt bewahren. In der heutigen Umwelt-Situation heißt konservativ: bewahren, was uns bewahrt. Konservative, die diesen Namen verdienen, setzen auf folgende Werte:

• Rechtsstaatlichkeit, Frieden ("Du sollst nicht töten"), Menschenrechte, Demokratie und Wahrheit ("Du sollst nicht lügen"),

• Gerechtigkeit, Umweltschutz und Klimaschutz,

• Hilfe und Empathie für sozial Benachteiligte, Menschen mit Behinderung und Geflüchtete

• Arbeitsplätze für Alle

• Ein Europa des Friedens ohne Waffenexporte in Krisengebiete,

• Abrüstung und Reduktion der Militarisierung unserer Gesellschaft. Wie Helmut Kohl es einmal formulierte: "Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" und ein atomwaffenfreies Europa

• Sie engagieren sich - wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erst nach der Atomkatastrophe von Fukushima - für den Ausstieg aus der Atomkraft. Weil sie wissen, dass jedes Akw ein Restrisiko birgt und uns damit jeden Tag "den Rest" geben kann.

• Sie arbeiten stattdessen an der solaren Energiewende, an einer ökologischen Verkehrs- und Bauwende sowie an einer ökologisch-nachhaltigen Landwirtschaft.

• Sie brauchen keine Feindbilder, weil sie wissen, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind oder - religiös gesprochen - Kinder Gottes.

• Sie haben ein Weltbild, dem die Idee der einen Menschheit, auf der einen Erde unter einer Sonne zugrunde liegt.

• Konservative sind geprägt von einem Menschenbild der Toleranz, der Freiheit und Völkerverständigung, das in den letzten 70 Jahren die "Europäische Union" hervorbrachte. Noch nie hat innerhalb der EU ein Land gegen ein anderes Krieg geführt. Das sollte auch weltweit Schule machen.

• Konservative wissen, dass die Ökologie die modernere und intelligentere Ökonomie ist, weil sie die Folgekosten mit bedenkt.

Wirkliche Konservative sind Wertkonservative und nicht Strukturkonservative, denen Institutionen und deren Strukturen wichtiger sind als Werte. Diese wesentliche Unterscheidung stammt vom wertkonservativen Christen und Sozialdemokraten Erhard Eppler.

Das Konservative darf nicht zur Polit-Folklore wie dem zwanghaften Aufhängen von Kreuzen in bayerischen Amtstuben verkommen oder zur schieren Brauchtumspflege.

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