CO2-Budget: 2031 ist Schluss

Deutschland hat eine lange und intensive CO₂-Geschichte. Doch die Tage dieser Ära sind gezählt. Symbolbild (Mercedes Simplex von 1906): Enslin / CC-BY-SA-2.5

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berechnen, wie viel Kohlendioxid Deutschland noch emittieren darf.

Wie viel Kohlendioxid (CO₂) darf Deutschland noch emittieren, wenn die Ziele der Pariser Klimaübereinkunft eingehalten werden sollen? Eigentlich gar keine, wenn man bedenkt, wie viel das Land zwischen Rhein und Oder in den letzten Jahren in die Luft geblasen hat und wie viel sich davon dort angesammelt hat.

Zwischen 1900 und 2002 wurden in Deutschland 71,8 Milliarden Tonnen CO₂ emittiert und seitdem noch einmal weitere gut 15,2 Milliarden Tonnen. 2002 lag Deutschland damit an vierter Stelle im Vergleich zu allen anderen Ländern.

Nur in den USA (303 Milliarden Tonnen), der Russischen Föderation (86,3) und China (80,1) wurden im 20. Jahrhundert mehr Treibhausgase in die Luft geblasen. Drei Länder, die eine zum Teil erheblich größere Bevölkerung haben.

Rund die Hälfte dieser Emissionen hat sich in der Atmosphäre angereichert und wird noch für viele Jahrhunderte zum Treibhauseffekt beitragen. Die andere ungefähre Hälfte wurde von der Biosphäre und den Meeren aufgenommen.

Pro Kopf mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts

Deutschland gehört also zu den Top-Verursachern der sich bereits angestauten Misere und hat auch nach über 30 Jahren Klimaverhandlungen noch immer einen Pro-Kopf-Treibhausgasausstoß, der mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts beträgt.

Seit fast 15 Jahren berechnen nun Wissenschaftler, wie viel CO₂ die Erdatmosphäre noch aufnehmen kann, wenn bestimmte Grade der Erwärmung nicht überschritten werden sollen. Im Pariser Vertrag von 2015 heißt es, dass sie auf "deutlich unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau" beschränkt und 1,5 Grad "möglichst" nicht überschreiten soll.

Der sogenannte Weltklimarat IPCC hatte in seinem letzten Bericht zum Beispiel ein verbleibendes Emissions-Budget von 460 Milliarden Tonnen CO₂ ab dem 1. Januar 2021 angegeben, wenn die 1,5-Grad-Celsius Grenze noch mit einer 50-prozentigen Chance eingehalten werden soll. (Rund 50 Milliarden sind seitdem bereits emittiert worden, sodass aktuell nicht viel mehr als 400 Milliarden Tonnen übrig bleiben.)

Will man das Ziel mit größerer Sicherheit erreichen, fällt das Budget entsprechend geringer aus. Wählt man hingegen ein weniger ehrgeiziges Ziel, zum Beispiel die Erwärmung auf 1,75 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, dann ist das Budget größer.

Die Frage ist, wie dieses Budget verteilt wird. Das Mindeste ist, es gleichmäßig auf alle knapp acht Milliarden Menschen aufzuteilen. Man könnte aber natürlich auch die historischen Emissionen einbeziehen, also ein Budget berechnen, das zu Beginn der Industrialisierung existierte, und dieses gleichmäßig auf die Weltbevölkerung verteilen.

Dann würde man feststellen, dass die USA, die Russische Föderation, Frankreich, Großbritannien und nicht zuletzt Deutschland ihren Anteil vom Kuchen längst aufgebraucht haben und nun auf Kosten anderer leben.

Budget auch ohne Einbeziehung historischer Emissionen bald erschöpft

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung und die deutsche Öffentlichkeit bereits seit 1972 berät, ist in dieser Frage großzügig und fragt bei der gerade vorgelegten Berechnung des deutschen Budgets nicht nach den historischen Emissionen. Er setzt erst 2016 an, nach der Unterzeichnung der Pariser Vereinbarung, und kommt dennoch zu einem dramatischen Ergebnis.

Für einen fairen, angemessenen deutschen Beitrag zu den internationalen Klimazielen verbleibt aktuell nur noch ein maximales CO₂-Budget von 6,1 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, wenn die Erhitzung der Erde auf 1,75 Grad Celsius begrenzt werden soll (mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit), heißt es in einer SRU-Pressemitteilung.

Damit wäre das 1,5-Grad-Celsius-Ziel allerdings schon gerissen. Soll das mit nur 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit erreicht werden, dürfen in Deutschland nur noch maximal 3,1 Milliarden Tonnen emittiert werden. Beim derzeitigen Niveau von rund 700 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr wäre dieses Budget bereits in vier bis fünf Jahren aufgebraucht.

Es kommt also nicht nur auf das Jahr an, in dem die Klimaneutralität erreicht wird, sondern auch um den Weg dahin, um die möglichst rasche Reduktion der Emissionen. Was zählt, ist letztlich die akkumulierte Menge aller Emissionen.

Vereinfacht kann man von einer jährlich gleich bleiben Verkleinerung, einer linearen Reduktion ausgehen. Würden die Emissionen von jetzt an linear auf null reduziert, heißt es beim SRU, müsste Deutschland demnach bereits 2040 für das 1,75-Grad-Ziel beziehungsweise 2031 für das 1,5-Grad-Ziel CO₂-neutral sein.

Und wie kommen wir dahin? "Deutschland muss von allen fossilen Energieträgern unabhängig werden, nicht nur von denen aus Russland", so SRU-Mitglied Wolfgang Lucht vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, der auch an der Berliner Humboldt-Universität lehrt. Also keine neuen Flüssiggasterminals bauen, sondern sofort den Erdgasverbrauch drastisch reduzieren.

Auch könnte die Plastikproduktion erheblich reduziert werden, wenn konsequent auf Mehrweg gesetzt und beim Verpackungsmaterial Papier statt Plastik vorgeschrieben würde. Und die Energiewende muss endlich wieder vorangetrieben werden.

Das noch verbleibende CO₂-Budget schmilzt rapide. Dies ist vor allem eine Folge der zuletzt verschleppten Energiewende in Deutschland. Die Bundesregierung sollte jetzt mit noch mehr Nachdruck Maßnahmen für den industriellen und privaten Bereich beschließen, die uns auf einen Pfad bringen, der nachweisbar im Einklang mit den Klimazielen von Paris steht.

Wolfgang Lucht, SRU

Um mehr Transparenz in der Klimapolitik zu schaffen, empfiehlt der SRU der Bundesregierung außerdem, ein deutsches CO₂-Budget klar zu benennen und zu begründen. Dann müsste die Regierung auch endlich mal Farbe bekennen, ob sie die Verantwortung für die historischen Emissionen übernehmen will.