Chemiebranche: Hohe Energiepreise lassen Produktion einbrechen
Der Markt meint es nicht gut mit deutschen Chemiekonzernen. Durch hohe Produktionskosten sind sie kaum wettbewerbsfähig. Welchen Ausweg Ökonomen und Branchenvertreter sehen.
Die Chemieindustrie leidet. Eine schwache Nachfrage, hohe Energiekosten und die eingetrübte Konjunktur machen ihr zu schaffen. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat am Freitag seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr deutlich gesenkt. Produktion und Umsatz dürften in diesem Jahr deutlich einbrechen.
Die Folgen werden nicht nur die Chemiekonzerne, sondern auch andere Branchen zu spüren bekommen. Der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Markus Steilemann, betonte: "Wir sind der erste Dominostein, der ins Wanken gerät. Wenn es uns schlecht geht, folgen bald andere."
Zuvor hatte es in der Branche Hoffnung gegeben: Ein milder Winter und gesunkene Energiepreise – da muss es doch wieder aufwärtsgehen. Doch die Lage hat sich verschlechtert, wie Steilemann einräumen musste. "Die Nachfrage nach Chemikalien geht zurück", sagt er. Die Zahlen für das erste Halbjahr seien rot, die Produktionskosten am Standort Deutschland nicht wettbewerbsfähig.
Wie sollte es auch anders sein, schließlich lag das Erfolgsgeheimnis der Branche in der billigen Energie aus Russland. Mit den Sanktionen gegen russische Energieträger und dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines gehört dieses Geschäftsmodell der Vergangenheit an.
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Die Lage der Branche ist aber auch ein Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die chemische Industrie ist Zulieferer für die Automobil-, Konsumgüter- und Bauindustrie und damit stark konjunkturabhängig.
Stottert die Wirtschaft im Land, bekommt das die Chemiebranche schnell zu spüren. Die Produktion schrumpfte um 10,5 Prozent, ohne das Pharmageschäft sogar um 16,5 Prozent.
Besonders betroffen waren die Grundstoffbereiche wie anorganische Grundstoffe (-26 Prozent), Petrochemikalien (-21 Prozent) und Polymere (-19 Prozent). Die Produktion von konsumnahen Chemikalien sowie Hygiene- und Oberflächenschutzmitteln wurde um zwölf Prozent gedrosselt, während der Produktionsrückgang bei Fein- und Spezialchemikalien mit sechs Prozent vergleichsweise geringer ausfiel.
An eine Erholung der Branche in diesem Jahr glaubt Steilemann nicht. Das sei nicht zu erwarten. Industriekunden hielten sich zurück und Absatzmärkte brechen weg – etwa in der Bauindustrie. Zudem stünden die Preise für Chemikalien wegen des harten Wettbewerbs unter Druck. Viele Kunden hätten zudem noch gut gefüllte Lager, die nur langsam abgebaut würden.
Die größten Sorgen bereiten Steilemann aber die Energiekosten in Deutschland. Auch wenn die Stromkosten gesunken seien, lägen sie immer noch über dem Vorkrisenniveau, sagte er und plädierte für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, den es so lange geben solle, bis genügend erneuerbare Energien vorhanden seien.
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Doch damit kommt die Bundesregierung in die Bredouille – auch wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür wirbt. Einerseits die Schuldenbremse, steigende Rüstungsausgaben, andererseits die knapp 30 Milliarden Euro, die der Industriestrompreis kosten würde. Das Geschenk an die Industrie dürfte dann wahrscheinlich durch die Kürzung bei Sozialprogrammen finanziert werden.
Manche Ökonomen sind dagegen überzeugt, man sollte die Chemiekonzerne ins Ausland abwandern lassen. Sie befürchten, so berichtet tagesschau.de, dass Branchen mittels Subventionen am Leben erhalten würden, die in Deutschland keine Chance mehr hätten. Dadurch würde nur die notwendige Anpassung an erneuerbares Wirtschaften verschleppt.
Aus Sicht des Chemiepräsidenten ist das "kurzsichtig und verantwortungslos", womit er nicht Unrecht haben dürfte: Geht die Chemiebranche ins Ausland, werden ihr wohl auch andere Industriezweige folgen.
Doch woher die Milliarden für die Subventionen nehmen? Woher könnten Erdgas und Strom zu erschwinglichen Preisen kommen? Ein Pessimist würde wahrscheinlich sagen: Deutschland ist auf einer schiefen Ebene und rutscht immer weiter hinunter.
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