China und Brasilien weisen den Weg, nicht die G7

Seite 2: Mehr vom Gleichen: Sanktionen, Drohungen, Erdgas

Und dann teilte der chinesische Außenminister, Qin Gang, gestern auch noch seinen israelischen und palästinensischen Amtskollegen mit, dass Beijing bereit sei, Friedensgespräche zwischen ihnen zu ermöglichen. Auch in diesem Punkt könnten den USA und der EU ihre Parteilichkeit und diplomatische Tatenlosigkeit über Jahre und Jahrzehnte auf die Füße fallen, während man weiter zuschaut, wie Israels Apartheid-, Siedlungs- und Annexionspolitik unter der rechtsextremen Regierung zu eskalieren droht.

Kommen wir zu einem dritten und letzten Punkt. Bei dem G7-Außenministertreffen ging es zudem um Energiesicherheit und Klimawandel. Auch hier zeigen sich die mächtigen sieben Staaten unfähig, auf die Menschheitskrise einigermaßen rational zu reagieren.

Erneut wurde keine Deadline für Kohlekraftwerke festgelegt. Vor allem alarmierten Wissenschaftler:innen und Klimaschützer:innen Äußerungen der G7-Gruppe zu verflüssigtem Erdgas (LNG), das als fossile Brücke zu einer sauberen Energiezukunft präsentiert wurde.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, so die Energie- und Umweltminister der G7-Staaten, können "Investitionen in den Gassektor …. geeignet sein, potenzielle, durch die Krise verursachte Marktengpässe auszugleichen, sofern die nationalen Gegebenheiten klar definiert sind und die Investitionen im Einklang mit unseren Klimazielen stehen."

Letztes Jahr hatten sich die G7 darauf verständigt, die finanzielle Unterstützung für die fossile Brennstoffindustrie bis Ende 2022 zu beenden. Einem Bericht von Oil Change International zufolge finanzierten die G7-Länder zwischen 2020 und 2022 jedoch Projekte für fossile Brennstoffe mit 73 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie sie in diesem Zeitraum für saubere Energie bereitstellten (28,6 Milliarden Dollar).

Noch letzte Woche genehmigte die Biden-Regierung in den USA LNG-Exporte der Alaska Gasline Development Corporation. In Deutschland werden für das Fracking-Gas "made in USA" parallel neue, völlig überdimensionierte LNG-Terminals an den Küsten gebaut, während man das unzureichende Klimaschutzgesetz beschneidet.

Dabei ist LNG keineswegs, wie oft behauptet, ein klimafreundlicherer Brennstoff. Der Kohlenstoff-Fußabdruck von verflüssigtem Erdgas ist oft größer als der von Kohle oder auch Öl, da während des Produktions- und Transportprozesses Methan entweicht. Es ist keine "grüne Brücke", sondern eine, die in eine heißere, gefährlichere Welt für uns alle führt.

Sicherlich sind China und Brasilien keine Engel, wenn es zu Klimaschutz kommt – einmal abgesehen davon, dass beide Länder wesentlich weniger zur Klimakrise beitragen bzw. beigetragen haben, gemessen an der Bevölkerungsgröße, als die mächtigen Industriestaaten.

Jedoch gehen die aktuellen Entwicklungen dort in eine vielversprechende Richtung. So werden in China, wie Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn schreibt, mehr Solar- und Windkraftanlagen ans Netz angeschlossen, als irgendwo sonst auf der Welt.

Der Absatz von Elektrofahrzeugen (EV) in China hat sich im Jahr 2022 fast verdoppelt. Jedes vierte in China verkaufte Fahrzeug ist mittlerweile ein E-Auto. Auf China entfielen rund 60 Prozent des weltweiten EV-Absatzvolumens.

Die Treibhausgas-Emissionen sanken dort im letzten Jahr um rund ein Prozent, in den USA stiegen sie überdurchschnittlich um 1,5 Prozent.

In Brasilien hat Lula nach seiner Amtseinführung Anfang dieses Jahres angekündigt, das Land zu einer "grünen Supermacht" zu erheben. Man werde nach den Bolsonaro-Jahren illegale Abholzungen im Amazonas Regenwald energisch bekämpfen und die Entwaldung stoppen. Dafür wurde von der neuen Regierung der Amazonas-Fonds wiederbelebt.

In einer gemeinsamen Erklärung mit Xi Jinping betonte Lula, man werde beim Waldschutz eng mit China kooperieren. Beijing unterstützt demgegenüber Brasiliens Bewerbung, die Klimakonferenz im Jahr 2025, die COP30, als gastgebendes Land auszurichten.

Die Hoffnung bei Beobachter:innen ist nun, dass die beiden einflussreichen und großen Schwellenländer eine Art Green-New-Deal-Allianz im globalen Süden bilden, die den Industriestaaten auch bei den Klimaverhandlungen die Stirn bieten kann.

So viel sollte durch die Ausführungen klar geworden sein: In all den oben angeführten Punkten, beim Ukraine-Krieg, beim Konfliktfeld Naher Osten oder bei der Menschheitskrise Erderhitzung, haben die mächtigen G7-Staaten der Welt nicht viel mehr als bleierne Stagnation und hohle Versprechungen anzubieten.

Demgegenüber wirken China und Brasilien dynamisch und kreativ auf der Weltbühne. Sie lassen sich vom "Club der glorreichen Sieben" nicht mehr belehren und einschüchtern, gehen selbstbewusst nach vorn und beschreiten unabhängige Wege, die die globalen Krisen adressieren, statt sie zu verstärken.

Und hinter ihnen stehen viele andere Länder des globalen Südens und ein Großteil der Weltbevölkerung, die Verhandlungen, Kooperation, Fairness und Gleichberechtigung sehen wollen statt Heuchelei, nationalen Chauvinismus der Stärke und eine Politik der verbrannten Erde.

In dunklen Zeiten ein Silberstreif, der zu einer echten globalen Perspektive ausgebaut werden kann, wenn genügend Druck in der Zivilgesellschaft erzeugt wird, der die Regierungen vor allem in den Industriestaaten zum Umsteuern zwingen könnte.

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