Christlich Demokratische Alternative für Deutschland

Seite 2: CDU: Innerparteiliche Kampfansage

Längst haben Merz' Konkurrenten deutlich gemacht, dass er für sie noch nicht als Kanzlerkandidat ausgemacht ist. Natürlich sind noch viele Fragen offen, unter anderem, wann die nächste Bundestagswahl stattfindet. Es kann als unsicher betrachtet werden, ob die Regierung in ihrer jetzigen Konstellation die gesamte Legislaturperiode übersteht. Auch die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen spielen eine wichtige Rolle.

Damit hat Merz eine Ankündigung stillschweigend zurückgenommen. Er hatte sich einmal vorgenommen, die Wahlergebnisse der AfD zu halbieren. Damals lag die Rechtspartei bei rund zehn Prozent, eine Halbierung hätte sie in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde gebracht.

Wenn es heute gelänge, die Zustimmung zur AfD zu halbieren, wäre sie ungefähr dort, wo sie heute im Bundestag sitzt. Insofern könnte Merz sein Versprechen mit Worttricks vielleicht doch noch einlösen, wenn der demographische Höhenflug der AfD – wie man erwarten kann – sein Ende findet.

Ob es seiner Partei aber gelingen wird, der AfD vor allem im Osten Stimmen streitig zu machen, ist völlig offen. Immerhin hat die AfD in einigen Bundesländern ein eigenes Milieu aufgebaut, das nicht so schnell zu einer der verpönten "Altparteien" zurückkehrt.

Dort hätte eine sozial-konservative Wagenknecht-Partei prinzipiell größere Chancen, wie es in der Praxis aussieht, bleibt abzuwarten. Dass die Aufstellung eines rechtskonservativen CDU-Politikers in Ostdeutschland nicht unbedingt eine Erfolgsgarantie ist, zeigte die Nominierung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in Südthüringen. Seine Kandidatur sorgte dafür, dass sich die Kräfte, die einen rechtsextremen Kandidaten ablehnten, zusammenschlossen und ihren Kandidaten durchsetzten.

Die AfD konnte zufrieden sein, konnte sie doch einmal mehr für sich reklamieren, die beste Adresse für diejenigen zu sein, die rechte Politik im Bundestag vertreten sehen wollen. Dass ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen ausgerechnet in den Tagen des Amtsantritts von Linnemann abgelehnt wurde, dürfte eher dem Terminkalender dieses Gremiums geschuldet gewesen sein.

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass in die Entscheidung auch Signale aus der Berliner Parteizentrale eingeflossen sind, den rechten Rand wieder stärker einbinden zu wollen. Gleichwohl dürften die Wirkungsmöglichkeiten Maaßens auf die Werteunion und ihr Umfeld beschränkt bleiben. Dafür hat er sich in den letzten Jahren zu deutlich am rechten Rand positioniert.

Kampagnenfähige Bürgergesellschaft

Hier zeigt sich auch das Dilemma einer CDU, die den rechten Rand wieder stärker integrieren will. Prinzipiell hätte sie dazu viele Möglichkeiten, denn in vielen gesellschaftspolitischen Fragen sind die Schnittmengen zwischen konservativer CDU und AfD groß.

Aber es gibt inzwischen eine linksliberale Zivilgesellschaft, die kampagnenfähig ist. Sie wird sofort mobilisieren, wenn sich die Positionen von CDU und AfD in bestimmten Fragen zu sehr überschneiden.

Wie das funktioniert, wurde erst kürzlich bei der Auseinandersetzung um das Renaturierungsgesetz im EU-Parlament deutlich. Da wurde der konservative Fraktionsvorsitzende Manfred Weber schon mal mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verglichen, weil er sich gegen die Vorstellungen der Grünen und vieler Umweltverbände stellte.

Das Gesetz bekam zwar eine knappe Mehrheit, war dann aber auch aus ökologischer Sicht so verwässert, dass die Konservativen das als Erfolg verbuchen können.

Wenn rechte Kooperationen kaum auf Kritik stoßen

Die Kampagnenfähigkeit der Linken zur Verhinderung rechter Kooperationen hat allerdings Grenzen. Dass sich die postfaschistische italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni recht erfolgreich als Teil der europäischen Konservativen zu präsentieren versucht, ist auch deshalb nicht so skandalträchtig, weil sie in der Frage des Umgangs mit dem Russland-Ukraine-Konflikt mit vielen Liberalen auf einer Linie liegt.

Es geht um die weitere Aufrüstung der Ukraine und die Etikettierung des Konflikts als Kampf zwischen Freiheit und Diktatur. Da mögen sich Rechte in der Opposition prorussisch geben, wie manche AfD-Politiker. Rechte, die in Europa Regierungsämter bekleiden, mögen sich wie Meloni als besonders nationaltreu darstellen.

Aber das wird in weiten Teilen des linksliberalen Spektrums nicht skandalisiert, weil man sich einig ist. Deshalb stieß auch ein Interview des verteidigungspolitischen Sprechers der CDU/CSU Roderich Kiesewetter in der taz kaum auf Kritik. Dabei rüstete er dort zumindest rhetorisch weiter auf, indem er Deutschland und nicht abstrakt einen Wertewesten als russisches Angriffsziel benannte. Auch sonst bediente er sich einer militaristischen Rhetorik, als er die Stationierung von Bundeswehrsoldaten in Ostdeutschland kommentierte:

Mit dieser Entscheidung geht auch ein Ruck durch die Bundeswehr. Damit wird deutlich, es sind keine Verteidigungsbeamten im Inland, sondern es sind Soldaten, und zwar Soldaten, die die Sicherheit Deutschlands und des Bündnisses verteidigen. Russland versucht sehr schleichend, den Zusammenhalt der westlichen Staaten zu zerstören, und wir sind hybrides Kriegsziel. Putin darf nicht an unserem politischen Willen zweifeln, dass wir die rumänischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verteidigen, oder das Baltikum mit seinen rund sechs Millionen Menschen.

Roderich Kiesewetter im Taz-Interview

Noch vor etwa 25 Jahren galt bis weit in linksliberale Kreise hinein der Grundsatz, dass Bundeswehrsoldaten zumindest in den Ländern nichts zu suchen hätten, in denen im Zweiten Weltkrieg Wehrmacht, Sondereinsatzkommando und Deutsche Bank gewütet haben.

Inzwischen gilt es fast schon als Standortvorteil für die Bundeswehr, wenn sie wieder in Ländern wie dem Baltikum stationiert ist, in denen es eine starke prodeutsche Nationalbewegung gab, die bereits mit dem Nationalsozialismus kollaborierte.

Vor rund zehn Jahren gab es in Süddeutschland ein kleines antimilitaristisches Bündnis, das gegen die von Kiesewetter maßgeblich initiierten Königsbronner Gespräche protestierte.

Wie sich jetzt herausstellt, hatten die Antimilitaristen mit ihrer Kritik völlig recht, dass Kiesewetter auch mit diesem Gesprächsformat eine Modernisierung des deutschen Militarismus vorantreibt. Hier wurden Diskussionen vorweggenommen, die heute in der Ära der Zeitenwende hegemonial geworden sind.

Nur hört man von den Antimilitaristen, die diese vorausschauende Kritik formuliert haben, heute kaum noch etwas. Roderich Kieswetter, der in der Union bestens vernetzt ist, entzieht sich der linksliberalen Kritik. Denn die Verteidigung des neuen deutschen Militarismus gilt dort nicht mehr als rechts.