Corona: "V-Day" in Großbritannien

Grafik: TP

Vier Tage nach den Russen impfen nun auch die Engländer gegen Sars-CoV-2

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Heute haben die britischen Medien wieder einmal einen "V-Day" ausgerufen. Diesmal steht das "V" darin nicht (oder nicht nur) für "Victory", sondern für "Vaccination". Für die Impfung mit dem von Pfizer und BioNTech entwickelten Serum BNT162b1, dem das Vereinigte Königreich am 2. Dezember eine Notfallzulassung erteilt hat.

"Starke Antikörperreaktionen" und "robuste CD4+- und CD8+-TZellantworten"

BNT162b1 besteht - anders als reguläre Impfstoffe - aus einem mRNA-Abschnitt, den die BioNTech-Forscher mit Nanopartikeln verändert haben. Er enthält den "Bauplan" des Spike-Proteins, mit dem dasSars-CoV-2-Virus Körperzellen attackiert. Die gerade veröffentlichten Ergebnisse einer zweiten nicht-randomisierten Studie mit 60 Teilnehmern zwischen 18-55 Jahren zeigen, dass zwei Impfungen mit BNT162b1 sowohl "starke Antikörperreaktionen" als auch "robuste CD4+- und CD8+-TZellantworten" mit Interferon-γ-Produktion hervorrufen. "Ernste adverse Ereignisse" oder "Studienabbrüche aufgrund unerwünschter Ereignisse" gab es dabei nicht. Über eventuelle Spätfolgen ist noch nichts bekannt, da die Daten aus dem Frühjahr stammen.

Geimpft wird zu Beginn in 50 Krankenhäusern, die die in Belgien hergestellten und seit dem Wochenende eingeführten ersten 800.000 Dosen des Serums wie erforderlich kühlen können. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Pfizer den Impfstoff in Packungen mit 975 Dosen zusammengefasst hat, die sich nicht einfach aufteilen lassen.

Senioritätsprinzip

Mit den ersten Dosen sollen unter anderem Ärzte, Krankenschwestern und Patienten über 80 geimpft werden. Später folgen dann Insassen und Mitarbeiter von Pflegeheimen (in denen es keine entsprechenden Kühlmöglichkeiten gibt) und nacheinander Senioren über 80, Senioren über 75, Senioren über 70 und "extrem anfällige" Jüngere, Senioren über 65, Personen zwischen 16 und 64 mit Vorerkrankungen, Personen über 60, Personen über 55 und Personen über 50.

Bis Ende des Jahres erwartet der staatliche britische Gesundheitsdienst NHS vier Millionen Dosen BNT162b1. Insgesamt hat er bei Pfizer 40 Millionen Dosen des Serums bestellt, die bei zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen für 20 der 66,65 Millionen Einwohner des UK reichen. Besteht danach noch Bedarf, soll nach Möglichkeit der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca eingesetzt werden, der zwar noch nicht zugelassen, aber womöglich weniger wärmeempfindlich ist. Von ihm hat sich die britische Staatsführung hundert Millionen Dosen reservieren lassen.

Russen und Amerikaner

In Russland, wo das Serum Sputnik V bereits im August eine Notfallzulassung erhielt, wird seit Samstag in 70 Kliniken in größerem Umfang geimpft. Sputnik V arbeitet mit zwei künstlichen Adenoviren - Ad5 und Ad26. Diese "Vektoren" oder "Taxis" werden mit zwei Impfungen injiziert. Sie ähneln an der Außenhülle genetisch den Sars-CoV-2-Viren, können sich aber nicht vermehren. Dieses System ist eine Weiterentwicklung einer vor fünf Jahren im Kampf gegen Ebola entwickelten Impflösung, die in Afrika seit 2017 zum Einsatz kommt.

In den USA erwartet der alte und wahrscheinlich auch neue Regierungsberater Anthony Fauci zwar eine Verfügbarkeit eines Impfstoffs bis Ende des Jahres - aber in nachfragegerechter Menge wird dieses Serum seiner Einschätzung nach erst ab April zur Verfügung stehen. Bis sich die Situation wieder normalisiert, wird es ihm zufolge Sommer - oder sogar Herbst. Vorher könne es im Januar eine "sehr düstere Zeit" geben, wenn sich die Amerikaner an den Weihnachtsfeiertagen genauso wenig an die Empfehlungen der Gesundheitsbehörde CDC hielten wie an Thanksgiving.

Dass sich nicht mehr Menschen an solche Vorschriften halten, dürfte sowohl in den USA als auch in Deutschland mehrere Ursachen haben. Eine davon ist, dass die im Frühjahr als harte aber kurze Einschnitte präsentierten Veränderungen mit wechselnder Intensität nun bereits ein Dreivierteljahr andauern. Eine andere, dass viele Maßnahmen empirisch fragwürdig fundiert und so widersprüchlich und unübersichtlich wirken, dass ein ähnlicher Effekt einsetzt, wie bei der deutschen Rechtschreibreform in den 1990er Jahren. Ein dritter könnte der religionshaft anmutende Dogmatismus sein, mit dem manche Gruppen die Maßnahmen außerhalb jeder Debattierbarkeit stellen, wodurch sie bei anderen erst (oder erst recht) Zweifel wecken. Diese Gesetzmäßigkeit könnte auch dafür sorgen, dass eine Debatte über eine Impfpflicht die Nachfrage nach einer freiwilligen Impfung herabsetzt.

Der britische Premierminister Boris Johnson geht davon aus, dass die Maßnahmen in seinem Land trotz der angelaufenen Impfung noch eine Weile aufrechterhalten werden. Vielleicht sogar bis Ostern, wie mehrere seiner Minister warnen. Das könnte auch deshalb der Fall sein, weil noch unklar ist, inwieweit der Pfizer-Impfstoff dafür sorgt, dass Geimpfte ohne Symptome das Virus nicht weitergeben. "Vielleicht", so Clive Dix, von der Impf-Arbeitsgruppe der britischen Regierung, "müssen wir auch jedes Jahr impfen, wie wir das bei der Grippe machen".

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