Covid-19: Welche Medikamente können helfen?

Seite 2: Substanzen ohne nachgewiesenen Nutzen bei Covid-19

Chloroquin/ Hydroxychloroquin

Diese beiden Wirkstoffe sind in Deutschland zugelassen unter anderem zur Prophylaxe und Therapie der Malaria sowie zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Die antivirale Aktivität und eine Hemmung des Wachstums unterschiedlicher Viren konnte sowohl für Chloroquin als auch für Hydroxychloroquin nachgewiesen werden. Demgegenüber waren aber die Ergebnisse klinischer Studien bei viralen Infektionen (zum Beispiel Influenza, HIV und Hepatitis) enttäuschend.10

Nachdem jedoch erste klinische Daten aus einem chinesischen Register, in dem Therapieergebnisse von etwa 100 Patienten dokumentiert wurden, die in mehr als zehn chinesischen Krankenhäusern wegen einer Pneumonie bei SARS-CoV-2-Infektion mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin behandelt wurden, für eine Wirksamkeit dieser Arzneimittel sprachen, berichtete auch eine offene, nicht randomisierte Studie aus Marseille über positive Ergebnisse zur Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin.

Die nachfolgenden Studien konnten aber diesen ersten Eindruck nicht bestätigen. Eine Studie löste im Lancet wegen gefälschter Daten einen Skandal aus und wurde von den Autoren zurückgezogen.11

Die Fachgruppe der COVRIIN schätzt mittlerweile den Nutzen von Chloroquin und Hydroxychloroquin so ein: Aufgrund der vorliegenden Daten besteht kein klinischer Benefit im Vergleich zur Standardbehandlung, das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen (vor allem Herzrhythmusstörungen mit QT-Zeit-Verlängerung) bei bisher nicht bewiesenem klinischem Nutzen in Therapie oder Prophylaxe ist gegeben und es besteht ein Trend zur erhöhten Sterblichkeit.

Lopinavir/ Ritanavir

Diese Kombination von antiviralen Wirkstoffen wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt. Mehrere durchgeführte Studien bei Covid-19 haben jedoch keinen klinischen Benefit im Vergleich zur Standardbehandlung ergeben.

Ivermectin

Ivermectin ist eine Weiterentwicklung von Avermectin, ein von Erdbakterien der Gattung Streptomyces produziertes Antibiotikum, welches pharmakologisch zu den Makrolidantibiotika gezählt wird und eine große Bedeutung bei der Behandlung tropischer Infektionen hat.12

Für die Entdeckung dieser Wirkstoffe haben William Campbell und Satoshi Omura 2015 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Ivermectin ist nicht teuer und steht auf der "Essential drug list" der WHO. Es ist in oraler Form für die Indikationen gastrointestinale Infektionen zugelassen sowie in topischer Form zur Behandlung entzündlicher Läsionen bei (papulopustulöser) Rosazea, einer speziellen Hauterkrankung. Von der FDA ist es darüber hinaus zur Therapie der Onchozerkose (Flussblindheit) zugelassen.

Auf der Suche nach zugelassenen Arzneimitteln, die auch bei Covid-19 wirksam sind ("drug repurposing"), haben Forscher aus Australien im Juni 2020 in-vitro-Daten veröffentlicht, wonach eine einmalige Zugabe von Ivermectin innerhalb von 48 Stunden die Zahl der Viren in einer Zellkultur 5.000-fach reduziert. In der Folge wurde eine Vielzahl klinischer Studien mit diesem Wirkstoff bei Covid-19 begonnen, vor allem in warmen Ländern wie Ägypten, Argentinien, Bangladesch, Indien, Iran, Irak und Brasilien.

Nach dem oben genannten Artikel im Arzneimittelbrief sind auf clinicaltrials.gov derzeit 57 Studien angemeldet, 18 davon haben den Status "completed". Keines dieser Studienergebnisse ist aber bislang in Pubmed® publiziert, die meisten liegen auf Preprint-Servern ohne ein "Peer review". Und die Studien sind sehr heterogen.

Die Indikationen für Ivermectin in diesen Studien umfassen die Prophylaxe von Covid-19, die ambulante Behandlung in frühen Krankheitsphasen, die Therapie stationärer Patienten und die Behandlung des Post-Covid-Syndroms. Oft werden Therapiecocktails mit gleich mehreren Wirkstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln verabreicht, und die Vergleichstherapien reichen von einer Standardbehandlung über Placebo bis zu diversen Therapien.

Es herrscht derzeit somit ein großes Durcheinander mit erheblichen Unsicherheiten, die eine valide und systematische Bewertung nicht ermöglichen, sagt der Autor des Artikels im Arzneimittelbrief.