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Crash-Kurs zwischen China und den USA

Screenshot aus dem YouTube-Video "Death by China" des von Trump zum Chef des Handelsrats ernannten Peter Navarro.

Unter dem neuen US-Präsidenten Trump droht ein massiver Handelskrieg, der zudem noch weiter eskalieren könnte

Noch immer setzt sich die Börsen-Rally weltweit fort, die seit dem Wahlsieg von Donald Trump zu beobachten ist. Sie wird auch "Trump Rally" genannt. Der neue US-Präsident könnte vor allem zu einer Gefahr auch für die US-Wirtschaft werden [1]. Die Gefahren wurden in den letzten Wochen weiter erhöht. Nach seiner Vereidigung am 20. Januar dürfte es bald zu einem bösen Erwachen kommen, wenn die sich aufblähende Blase platzt.

Dazu trägt bei, dass ein auf Protektionismus setzender Trump derzeit drauf und dran ist, einen massiven Handelskrieg mit China vom Zaun zu brechen. Das Reich der Mitte droht ohnehin schon mit Sanktionen, weil ihm auch von den USA der Marktwirtschaftsstatus verweigert wird und damit Schutzzölle weiterbestehen. Trump hat China längst über seine Taiwan-Politik provoziert, indem er die "Ein-China-Politik" infrage stellte.

"Die Welt im chinesischen Würgegriff"

Er gießt weiter Öl ins Feuer und hat mit Peter Navarro einen ausgewiesenen Isolationisten und China-Kritiker auf den Chefposten des neu gegründeten Handelsrats gesetzt. Die schlauen Chinesen werden zunächst nur Notiz davon nehmen, sich zwar vorbereiten, aber abwarten, ob Trump die Rezepte dieses Hardliners tatsächlich umsetzt. Der kalifornische Wirtschaftsprofessor hat aus seiner China-Abneigung nie einen Hehl gemacht, die einen klaren rassistischen Unterton hat. So spricht er zum Beispiel schon im Titel eines seiner Bücher von dem großen Handelspartner als "Lauerndem Tiger" oder vom "Tod durch China". In seinen Büchern beklagt Navarro die stärker werdende Rolle der Volksrepublik.

In deutscher Sprache ist das verschwörungstheoretische Machwerk unter dem Titel "Die Welt im chinesischen Würgegriff" erschienen. Unverhohlen spricht Navarro darin davon, dass Chinas Aufstieg um jeden Preis verhindert werden müsse. Der Wirtschaftswissenschaftler, der von seinen Kollegen ohnehin nicht ernst genommen wird, lehrt an der weitgehend unbekannten University of California-Irvine’s Paul Merage School of Business. Er spricht davon, dass sich die USA längst in einem Wirtschaftskrieg mit dem aufsteigenden Reich der Mitte befinden. Zudem fordert er, dass die US-Regierung eine harte Haltung gegenüber der der Militärpolitik der Volksrepublik einnehmen müsse.

Trump hatte sich immer wieder lobend über die Thesen von Navarro geäußert, der der einzige promovierte Ökonom in seiner Wahlkampftruppe war und bisher der einzige wirkliche Wirtschaftswissenschaftler ist, den er nun in seine Dienste gestellt hat. Doch es ist wohl einer der krudesten, der in den USA aufzutreiben war. Von Navarro stammt auch die von Trump im Wahlkampf verbreitete Idee, Waren aus China mit einem Einfuhrzoll von 45% zu belegen zu wollen. "Ich habe vor Jahren eines von Peters Büchern über Amerikas Handelsprobleme gelesen und war von der Klarheit seiner Argumente und der Gründlichkeit seiner Forschung beeindruckt", sagte [2] Trump nach Angaben der Financial Times.

"Kaufen Sie nicht 'Made in China'"

Ganz auf der Linie von Navarro lagen auch die Vorwürfe im Wahlkampf, dass die chinesischen Exporte in die USA vor allem durch unfaire Mittel wie Subventionen und eine künstlich niedrig gehaltene Währung befördert würden, was Trump den "größten Diebstahl in der Weltgeschichte" nannte. Er vergisst dabei natürlich, dass es in der Krise seit 2008 jahrelang die USA waren, die über die Notenbank FED zur Exportförderung den Wert des Dollars per Geldschwemme heruntergeprügelt haben. Schließlich zog auch die Europäische Zentralbank (EZB) nach und verschärfte ihrerseits den Währungskrieg [3].

Entsprechend seiner kruden Thesen fordert Navarro in einem begleitenden Dokumentarfilm [4] zu seinem Buch praktisch auch zum China-Boykott auf: "Helfen Sie, Amerika zu verteidigen und beschützen Sie Ihre Familie - kaufen Sie nicht 'Made in China'." Um das noch in einer drastischen Art zu bebildern, die ebenfalls auf tief sitzende Ressentiments abstellt, ist in dem Video zudem zu sehen, wie ein chinesisches Messer in eine Abbildung der USA sticht, was zu einem alles übertünchenden Blutstrom führt.

Er führt darin aus, seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 die Wachstumsraten in den USA eingebrochen seien, von durchschnittlich 3,4% in den 15 Jahren vor dem Beitritt auf seither 1,8%. China "flute" den amerikanischen Markt mit "illegal subventionierten" Produkten, behauptet der Mann, der nun für die Handels- und die Industriepolitik der USA zuständig ist. "57.000 amerikanische Fabriken sind seither verschwunden", meint Navarro. Deshalb fänden mehr als "25 Millionen Amerikaner" keinen vernünftigen Job. Und zudem schuldeten die USA nun der "weltgrößten totalitären Nation mehr als drei Billionen Dollar".

Alle Jobs sollen nach Chine gehen. Screenshot aus dem YouTube-Video "Death by China" [5] des von Trump zum Chef des Handelsrats ernannten Peter Navarro.

Das ist eine sehr banale Sichtweise auf Vorgänge wie die Globalisierung und er fragt sich natürlich nicht, warum man sich so extrem in China verschuldet hat und für bunte Papierscheine, frisch gedruckt von der Fed, aber reale Waren erhalten hat. Er tut zum Beispiel auch so, als wären viele Firmen aus den USA nicht aus Profitinteresse in Richtung Mexiko (oder China) und andere Billiglohnländer verschwunden und als könne man sie zum Beispiel einfach durch Exportzölle von 35%, wie er sie für Mexiko fordert, wieder zurückbeordern.

Ähnlich irreführend sind aber auch seine Zahlen. Völlig falsch ist seine Angabe über die Schulden. Nach Angaben des US-Finanzministeriums hält China nur noch für gut eine Billion Dollar Staatsanleihen der USA [6]. Weil China die sogar noch stärker als Japan verkauft, hat Japan inzwischen das Reich der Mitte sogar als größten Schuldner der USA abgelöst. Allerdings ist das immer noch eine starke Waffe, sollte Trump den Konflikt mit China anheizen.

Anerkennung als Marktwirtschaft verweigert

Gerade wurde den Chinesen die Anerkennung als Marktwirtschaft durch die WTO verweigert. Eigentlich war am 11. Dezember der Tag gekommen, an dem sich der Beitritt Chinas zur WTO zum fünfzehnten Mal jährte. Damit hätte der Artikel 15 des Beitrittsvertrages in Kraft treten sollen. Demnach hätten die bisher bestehenden Antidumping-Maßnahmen gegen China abgebaut werden müssen.

Doch zum Entsetzen im Reich der Mitte wurde dem Land der Marktwirtschaftsstatus vor allem von den USA, Japan und Kanada verweigert, weshalb weiter Zölle und andere Handelshemmnisse bestehen bleiben. In Brüssel eiert man dagegen wie gewöhnlich herum und sucht angeblich nach einem Kompromiss, um einerseits die vertraglichen Verpflichtungen umsetzen zu können, sich aber andererseits doch vor chinesischen Dumpingpreisen (wie beim Stahl) zu schützen. Denn die EU ist in der Frage gespalten und diskutiert derzeit über die Einführung einer Regelung gegen Marktverzerrungen, die besagen könnte, dass China sich nicht an die WTO-Grundsätze halte.

China beharrt gegenüber diesem Protektionismus - den das Land seinerseits aber auch praktiziert -auf seiner Position und fordert die Anerkennung als Marktwirtschaft. Man glaubt, dass Populismus wie in den USA den Marktwirtschaftsstatus nur als Ausrede für einen verstärkten Protektionismus gegen das Land benutze. Das Land hat deshalb schon bei der WTO ein Verfahren wegen der sogenannten "Drittland-Klausel" eingeleitet.

Screenshot aus dem YouTube-Video "Death by China" [7] des von Trump zum Chef des Handelsrats ernannten Peter Navarro.

China werde entschieden seine legitimen Rechte und Interessen verteidigen, erklärte [8] der chinesische Außenamtssprecher Geng Shuang. Im Land meint man, längst weitreichende Zugeständnisse gemacht und die Liberalisierung seines Handels beschleunigt zu haben. Einfuhrzölle seien von 45% im Jahre 1992 bis 2001 auf 15% Prozent gesenkt worden. Im Jahr 2015 sollen sie durchschnittlich noch 9,5% betragen haben, sagte [9] der stellvertretende WTO- Direktor Yi Xiaozhun. Das stimmt zwar weitgehend, lässt aber aus, dass es zahlreiche Möglichkeiten zur Behinderung gibt, nicht allein Zölle sind entscheidend dafür.

Vom möglichen Handelskrieg zu einer militärischen Eskalation?

Schon bevor Trump nun den militanten China-Kritiker Navarro berufen hatte, hielten [10] es Beobachter für nicht ausgeschlossen, dass "China sich in einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt begeben könnte". Andere befürchten [11] sogar schon, dass der Handelskrieg, der in den USA von Navarro ja längst beschworen wird, sogar zu einer "militärischen Eskalation" führen könne.

Sicher ist mit China nicht zu spaßen, wenn es um seine Ansprüche über Taiwan geht. Hier hatte Trump ebenfalls schon für ausreichend Provokation gesorgt, als er nach seinem Wahlsieg mit Tsai Ing-Wen telefonierte, die seit Mai die Präsidentin Taiwans ist. Er erklärte danach, man habe über "die engen Beziehungen beider Staaten in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sicherheit" gesprochen.

Dass es sich um keinen Ausrutscher eines Neulings handelte, wurde spätestens dann klar, als der künftige US-Präsident offen die "Ein-China-Politik" zur Disposition stellte, wonach Taiwan als untrennbarer Teil von China gesehen wird. Entsprechend verschnupft reagierte man darauf auch in Peking und zeigte sich "sehr besorgt" über die Äußerungen. "Die Taiwanfrage gehört zu Chinas Kerninteressen und betrifft die chinesische Souveränität", sagte [12] der Sprecher des Außenministeriums. Ding Shuang führte weiter aus, dass die Einhaltung der "Ein-China-Politik" die Grundlage der Beziehungen zwischen den USA und China seien. Werde dieses Fundament zerstört, könne es keine gesunde und stabile Entwicklung der Beziehungen mehr geben, warnte er schon deutlich.

Da Diplomatie nicht die Stärke von Trump ist, darf man getrost davon ausgehen, dass die Ernennung von Navarro die Retourkutsche auf die chinesische Warnungen ist, womit ein Weg in die Eskalation weiter beschritten wird. Zwar ist man sich in China bewusst, dass ein Handelskrieg auch der Volksrepublik schaden würde, doch wird das Reich der Mitte davor vermutlich nicht zurückschrecken, wenn es um die Verteidigung seiner vitalen Interessen geht. Schon vor der Ernennung Navarros warnte der chinesische Vize-Finanzminister Zhu Guangyao am Samstag auf einer Wirtschaftskonferenz vor einem Handelskrieg zwischen den beiden weltweit führenden Wirtschaftsmächten: "Wir hoffen, dass es dazu nicht kommt. Sonst könnten beide Länder Schaden nehmen", sagte Vize-Finanzminister Guangyao. Die Volksrepublik werde ihre zentralen Interessen entschlossen wahren, warnte der Minister.

Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Trump und Navarro sind ohnehin schon Rezepte für ein Desaster. Die wirtschaftlichen Aussichten unter Trump werden in einem allgemein schwieriger werdenden Umfeld schlechter, da die Notenbank Fed erneut die Leitzinsen angehoben hat und sie vermutlich weiter anheben muss, zudem steigen die Ölpreise. Schon diese beiden Faktoren machen es unwahrscheinlicher, dass es zu dem versprochenen Jobwunder kommen kann. Sollten sich die USA aber tatsächlich auf einen heißen Handelskrieg mit China einlassen, dann sind die negativen Folgen kaum noch absehbar.


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[3] https://www.heise.de/tp/news/Zuspitzung-im-Waehrungskrieg-2415715.html
[4] https://www.youtube.com/watch?v=mMlmjXtnIXI
[5] https://www.youtube.com/watch?v=W0VjwU8cWEw
[6] http://ticdata.treasury.gov/Publish/mfh.txt
[7] https://www.youtube.com/watch?v=W0VjwU8cWEw
[8] http://german.china.org.cn/txt/2016-12/14/content_39914485.htm
[9] http://german.china.org.cn/txt/2016-12/12/content_39896575.htm
[10] http://www.dw.com/de/sierens-china-die-verweigerte-anerkennung-als-marktwirtschaft/a-36777503
[11] http://english.alarabiya.net/en/features/2016/12/19/Trump-and-China-From-trade-disputes-to-military-escalation.html
[12] http://www.sueddeutsche.de/politik/taiwan-trump-legt-im-streit-mit-china-nach-1.3290669