Creative Commons Launch in Deutschland

Die "Public Domain"-Lizenz der Künstler: Neue Chancen für die künstlerische Kreativität

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"never – fewer – more" – auf diese eindringliche Formel brachte der Copyright-Spezialist Lawrence Lessig seine Einwände gegen das herrschende Urheberrecht: Nie haben weniger Menschen mehr Kontrolle gehabt über künstlerische Werke. Weltweit ermöglicht wurde dieses Missverhältnis durch die jüngsten Neuerungen in Sachen Urheberrecht. Wobei Lessig besonders bedauerlich fand, dass nicht einmal die europäischen Parlamente Widerstand geleistet haben gegen die Verschärfungen, die größtenteils in den Vereinigten Staaten ersonnen wurden.

Um der Regulierungswut etwas Differenziertes entgegenzusetzen, rief Lessig vor über zwei Jahren das Creative Commons-Projekt ins Leben. Statt auf Veröffentlichungen wie bislang üblich die Formel "all rights reserved" zu schreiben, können Kreative in den Vereinigten Staaten nun wählen, ob sie tatsächlich alle oder nur gewisse Rechte für sich allein beanspruchen – und ihr Werk dann stattdessen mit der Formel some rights reserved kennzeichnen. Seit vergangenem Freitag liegt die Lizenz auch in deutscher Fassung vor.

Dass die deutsche Version der Creative Commons Lizenz ausgerechnet am Alexanderplatz – genauer gesagt: im Congress Centrum Berlin, direkt am Alexanderplatz zu Berlin – aus der Taufe gehoben wurde, fand Lawrence Lessig irgendwie passend. Schließlich stehe der Alexanderplatz für ein untergegangenes Regime; ein Regime, das eine zwanghafte Neigung zu Überwachung und Kontrolle hatte. Ähnlich verhalte es sich mit dem aktuellen Urheberrecht, das abgelöst werden soll von einer zeitgemäßeren Version.

Verträge nach dem Baukastenprinzip

Gestaltet wird der Creative Commons-Lizenzvertrag nach dem Baukastenprinzip. Der Urheber legt beispielsweise fest, ob sein Werk lediglich frei zugänglich oder darüber hinaus auch veränderbar ist. Die Lizenz selbst ist dreischichtig aufgebaut: Zum einen wird eine Lizenzvereinbarung erstellt, die auch für Normalsterbliche verständlich ist. Zum anderen gibt es einen Text für Anwälte und – last but not least – gibt es eine maschinenlesbare Version, die es ermöglicht, das Web gezielt nach Werken abzusuchen, die mit einer Creative Commons-Lizenz ausgestattet sind. Auf diese Weise können sich freizügige Kreative gegenseitig unterstützen und promoten.

Ein langer Weg vom Sitz des Stasi-Kontrollregimes zur Freiheit der Kunst: Berlin Alexanderplatz (Bild: Berlin – City in Space, Tobias Madörin)

Langfristig sollen alle Staaten dieser Erde eine aufs nationale Recht abgestimmte Lizenz erhalten. Koordiniert wird dieses Großprojekt von Christiane Asschenfeldt. Das Projekt steht unter Zeitdruck, denn während bislang vor allem juristische Hindernisse zu überwinden sind, werden sehr bald technische Neuerungen jede Kreativität im Keim ersticken. Konventioneller Kopierschutz und Digital Rights Management (DRM) sorgen schon jetzt dafür, dass mehr und mehr Menschen nicht mehr uneingeschränkt Zugriff haben auf Kulturgüter.

Jetzige Situation: Remixes, Sampler und Satire stehen unter juristischem Beschuss

Was Lessig am meisten stört am aktuell geltenden Urheberrecht ist die Tendenz, ganze Bevölkerungsschichten zu kriminalisieren. Schließlich sind Sampling und Remixing etablierte Kulturpraktiken. Allerdings verschließe das aktuell gültige Urheberrecht die Augen vor der Realität, indem es die Nutzer von urheberrechtlich geschützten Werken zu passiven Konsumenten degradiert. Das ist laut Lessig kein Problem, so lange man ein Leben als Couch Potatoe führt. Doch mit dieser passiven Form von Medienkosum kann ein Großteil der nachwachsenden Generation nichts anfangen. Umgekehrt stößt die kreative Aneignung von bereits vorhandenem Material bei konventionellen Rechteinhabern nicht selten auf Unverständnis – so geschehen im Fall von "Read My Lips". In diesem Clip schwören sich George W. Bush und Tony Blair lippensynchron zu Lionel Ritchies Schmachtfetzen "Eternal Love" ewige Liebe. Das Label Columbia untersagte die Verwendung des Songs mit der Begründung, der Clip sei "nicht lustig".

Das Congress Centrum Berlin am Alexanderplatz (Bild: Berlin – City in Space, Tobias Madörin)

Dass es auch anders geht, beweist die wachsende Zahl von Künstlern, die ihre Werke mit einer Creative Commons-Lizenz ausstatten. So publizierten die beiden Telepolis-Autoren Armin Medosch und Janko Röttgers ihre jüngsten Bücher mit einer Creative Commons Lizenz. DJ Bjoern Hartmann betreibt seit vier Jahren ein Netlabel, denn er hatte schnell gemerkt, dass man mit den Tonträgern an sich sowieso kein Geld verdient. Vielmehr komme es darauf an, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erlangen und dann für Live-Auftritte gebucht zu werden. Deshalb werden die Veröffentlichungen auf seinem Label in Zukunft mit der Creative Commons-Lizenz ausgestattet.

Kommerzielle wollen sofort Creative Commons missbrauchen

Selbst Kino-Filme können mit einer Creative Commons-Lizenz zum Erfolg werden: Die Action-Komödie CH7 von Michael Grob zum Beispiel wurde parallel zum Kinostart im Internet zum Download angeboten – und inzwischen mehrere hunderttausend Mal heruntergeladen. Auf diese Weise hat die kleine Indie-Produktion nach Einschätzung von Michael Grob weitaus mehr Zuschauer erreicht als auf konventionellem Wege möglich gewesen wäre. Was Grob und seine Mitstreiter in der Creative Commons-Lizenz allerdings ausgeschlossen hatten, war eine kommerzielle Weiterverwendung ihres Werkes. Leider wurde der Film dessen ungeachtet von geldgierigen Usern auf Ebay versteigert. "Wenn man das für ein oder zwei Euro, also zum Selbstkostenpreis, macht, geht das ja noch in Ordnung", meinte Grob. "Aber nicht, wenn man zehn, zwanzig Euro dafür nimmt".

Am dreistesten jedoch war das Ansinnen eines großen Unternehmens: es wollte Szenen aus CH7 in Werbeclips verwenden. Ohne dafür zu bezahlen. Schließlich sei der Film ja umsonst im Web zu haben. Dass in der Creative Commons-Lizenz eindeutig drinsteht, dass das Werk nur für nicht-kommerzielle Weiterverwertung freigegeben ist, interessierte die Unternehmer nicht im Geringsten. Nicht einmal ein paar hundert Euro wollten sie dafür bezahlen – ein Armutszeugnis sondergleichen, fand Grob und verzichtete auf das unmoralische Angebot.

Das Beispiel zeigt, dass insbesondere kommerzielle Anbieter umdenken müssen. Wenn ein Werk für so genannte Endverbraucher kostenlos zugänglich ist, heißt das nämlich noch lange nicht, dass es von Dritten finanziell ausgeschlachtet werden darf.