Das Auto kommt auf den Hund

Der Wagen der Zukunft kann die Gefühle seines Lenkers darstellen und hat einen tierischen Schwanz

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Ein Toyota-Patent stellt sich das Auto der Zukunft als Mensch-Tier-Hybrid mit wedelndem Antenne-Schwanz oder "Augenbrauen“-Lichtern über den Frontscheinwerfern vor. Der PKW-Bordcomputer kann die Gefühle seines Herrn und Lenkers registrieren und für andere Verkehrsteilnehmer entsprechend darstellen. Der Unterhaltungswert der Teilnahme am Straßenverkehr soll sich dadurch steigern.

Deutschland im permanenten Früh-Herbst. Es ist zum Weinen. Oder Lachen. Wechselhaft halt. Der Sommer hat sich 2004 bisher seiner Verantwortung weitestgehend entzogen und kommt erst jetzt (vielleicht) halbwegs in die Gänge. Das rot-grüne Schönwetter-Orchester deliriert still vor sich hin und versucht durch den eisernen Ruf!-Mich!-An!-Reservekanzler Clement mit Taschenspieler-Tricks die Arbeitslosen um die Januar-2005-Bezüge zu behumsen. Das schwarz-weiße Chaos-Orchester hat bei der Fußball-Europameisterschaft die Rolle als würdiger Vertreter seines Landes exakt verinnerlicht und entlässt bereits nach der Vorrunde gnädig den grundguten Volkstribun Ruudi, damit dieser als Lucky Loser Thomas Gottschalk bei "Wetten Dass“ die Schau stehlen kann.

Eigentlich schade, dass Hartz IV nicht bereits jetzt auch für arbeitslose Fußballtrainer gilt, dann hätte man die furchtbar peinliche DFB-Trainersuche nach einem Fußball-Lehrer für die WM 2006 wirkungsvoll verkürzen können. Denn fortan muss schließlich jede Arbeit als zumutbar angenommen werden, sei sie auch noch so – hm, a bissle anspruchsvoll. Ein Rentner, der solche Probleme nun nicht mehr hat, dreht einfach trotzdem in München durch und knallt als reifer First-Person-Shooter mehrere Nachbarn nieder. Allerdings gewiss nicht ob der überschäumenden Vorfreude auf Doom III oder Half-Life 2, sondern infolge übermäßigen Genusses von Adolf-Weltkrieg-Dokus im ZDF, die der teuflische Guido Knopp in einem geheimen, schlecht ausgeleuchteten Studio-Bunker am Fließband produzieren lässt. In der so geprägten totenstillen Pendler-S-Bahn löst bereits raschelndes Umblättern der Zeitung bei der Morgenlektüre des täglichen Wahnsinns indignierte Blicke aus.

Also doch lieber die Flucht ins Refugium eigenes Auto? Nun, die Freude am Fahren im geliebten Automobil, die den gebeutelten Stillstand-Deutschen den grauen Alltag etwas erträglicher / beweglicher macht, wird getrübt durch immer höhere Spritpreise, häufige, von Bauarbeitern häufig gemiedene Straßenbaustellen, fiese Politessen und – vor allem – andere Fahrer. Der Krieg auf Deutschlands Straßen, der Kampf um jeden Zentimeter vor der Stoßstange, er wird durch die bulligen kühl-silbergrauen Limousinen und Geländewagen auch nicht gerade ästhetischer. Und das Schreien, erboste Schütteln der Faust bzw. Vorführen des heftig erigierten Mittelfingers hält zum einen vom Handy-Telefonieren ab (eine Hand braucht man ja noch zum Lenken) und wird von kurzsichtigen Kontrahenten eventuell gar nicht richtig wahrgenommen. Hilfe!

Gut, dass es da die Japaner gibt, unsere alten und ebenfalls wirtschaftlich angeschlagenen Verbündeten. Dem Japaner als solchen ist im Unterschied zum Germanicus allerdings eigen, dass er wegen der Hiroshima/Nagasaki-Spätfolgen, perverser TV-Folter-Shows und zuviel Manga-Comics trotzdem ein verspielter Spaßvogel ist. Und so erfinden diese Asiaten ein Kuriosum nach dem anderen. Mobile Sockenwaschanlagen z.B., wo man sich kleine Behälter mit Waschlauge an die Waden schnallt und die Strümpfe beim Gehen gewaschen werden. Oder halt: Autos mit Mimik und differenzierter Kommunikationsfähigkeit. Spinnerei? Unmöglich? Nichts ist unmöglich – genau, Toyota.

Vier kluge Köpfe des Unternehmens Toyota Jidosha Kabushiki Kaisha of Japan haben sich neulich in den USA etwas ganz Tolles patentieren lassen. Ein revolutionäres "POD“-Auto (Personalization on Demand), das eine bewegliche Antenne, ein höhenverstellbares Fahrgestell, regulierbare Scheinwerfer und ein ungewöhnliches Karosserie-Styling hat, mit dem eine quasi menschenähnliche Gesichts-Mimik und hundeähnliche "Körpersprache“ erzeugt werden können. Geforscht wird an solchen "Pod“-Vehikeln schon seit einigen Jahren (vgl. Das persönliche Auto, das mit der Antenne am Heck wackelt).

Der sensible Wagen der Zukunft soll mit Software ausgestattet sein, die den Zustand von Straße und Fahrzeug automatisch erkennt. Fahrer und sonstige Insassen können ihre persönlichen Befindlichkeiten ins System eingeben. Jedoch soll das Vehikel die Befindlichkeiten des Lenkenden optisch und akustisch ausdrücken. Dabei nehmen nach Vorstellung der Entwickler Scheinwerfer, Antenne, Windschutzscheibe und Frontkarosserie die Rollen von Augen, (tierischem) Schwanz und sonstigen Körperbestandteilen ein. Das Fahrverhalten des Menschen am Steuer wird vom Bordcomputer ständig überwacht. Häufen sich dabei Merkmale wie hohe Geschwindigkeit oder ein bestimmtes Bremsverhalten, wird dies als aggressives Verhalten interpretiert und ein entsprechender Datenwert gespeichert. Bei der Überschreitung eines bestimmten Grenzwerts veranlasst das Computerprogramm eine für andere Verkehrsteilnehmer sichtbare Reaktion.

Ist somit das Auto (bzw. sein Fahrer) angefressen, leuchtet die Motorhaube bedrohlich rot und die Antenne steht kraftvoll erigiert. Hat der PKW aber einen technischen Defekt, "leidet“ er (und der Mensch natürlich mit). Visualisiert wird dies für andere Zeitgenossen dann durch traurig-dunkelblaues Leuchten der Haube und den blinkenden "Träne“-Scheinwerfer unter einem Frontscheinwerfer. Die wackeren Erfinder Keni Mori, Simon Humphries, Naoto Kitagawa und Akihiro Inukai glauben, dass sich durch PKWs, die Emotionen darstellen können, der Unterhaltungswert für Verkehrsteilnehmer zukünftig entscheidend erhöhen wird. Als wie wenn die Teilnahme am Verkehr nicht schon "unterhaltsam“ genug wäre.