Das Phänomen Medienkunst

ARS ELECTRONICA / LINZ 02. - 07. September 1996

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Gerfried Stocker ist ausgebildeter Komponist und Datenfernübertragungstechniker. Als Telekommunikationskünstler machte er im Rahmen von Projekten wie "Transit" Furore. Nun ist er Geschäftsführer des Ars Electronica Centers und ist in dieser Funktion gleichzeitig für die Programmgestaltung der Ars Electronica zuständig.

Armin Medosch: Welches Resummee kannst du über die diesjährige Ars Electronica ziehen?

Gerfried Stocker: Im Großen und Ganzen, sind es dieses Jahr zwei verschiedene Schwerpunkte: Zum einen die Eröffnung des Ars Electronica Center, welches für mich nach ungefähr 1 1/2 Jahren sehr umfangreicher, sehr anstrengender Arbeit, ein Etappenziel darstellt. Dadurch ist eine sehr neue und sehr viele Veränderungen in sich bergende Situation entstanden.
Und das zweite ist das Festival heuer, das natürlich auch das erste von mir programmierte Festival, schon mit einer gewissen Tendenz zu Änderungen hin, darstellt. Diese beiden Sachen sind im Resümee vielleicht auch ein bißchen unterschiedlich zu betrachten. Wenngleich das Resümee für beide - für mich sehr - positiv ist. Wir haben, was das Center anbelangt ein so enormes Echo bekommen, eine so enorm positive Response, daß ich selber schon fast ein bißchen beunruhigt bin. Weil das ganze natürlich eine enorme Vorgabe ist, für das, was wir in der nächsten Zeit machen müssen. Es ist sehr interessant, daß gerade eine breite Öffentlichkeit so sehr auf diese Aspekte, diese Thematik, die mit so einem Center angeschnitten wird, jetzt wirklich aufspringt...

Breite Öffentlichkeit - woher resultiert diese Erkenntnis?

Es ist von den Medien, allein das Echo von den Zeitungen und zwar jetzt auch die ganze Palette der Redaktionen, also nicht nur Kultur - Redaktionen. Und natürlich neben den Medien, das Interesse, das unheimlich positive Feedback, die Euphorie sämtlicher Politiker aller Fraktionen da in der Stadt und im Land, bis hin zu Bundespolitikern, die sich jetzt der Reihe nach hier anmelden um dieses Haus zu besuchen, bis zum Gewerkschafts-Bund-Chef usw.

Das sind oft wirklich Leute, die bisher nicht einmal gewußt haben, daß es ARS ELECTRONICA überhaupt gibt, die plötzlich ein ungeheures Bedürfnis verspüren, hierher zu kommen. Weil sie im Moment etwas sehr stark betrifft, ein Phänomen, der sogenannten Medienkunst oder Digitalen Kunst, und die Auseinandersetzung damit. Auf der anderen Seite ist das unheimlich wichtig für dieses Haus, und es bedeutet auch eine wesentlich gestärkte Situation für das Festival.

Vermischt Du da nichts, indem Du diesen weiten öffentlichen Zuspruch auf Medienkunst beziehst. Ich würde sagen, das hat sicherlich auch etwas mit dem Internet-Hype zu tun, der nach wie vor grassiert, und hat auch sicherlich damit zu tun, das diese ganze "Cyber-Kultur" eigentlich wesentlich präsenter ist...

Ich würde sagen, 70% der Medienkunst haben genauso, nur mit dem Hype von Internet und Cyberspace zu tun. Wenn man konfrontiert ist, als Programm-Macher von Festivals, 70% der Arbeiten die man präsentiert kriegt, und Künstler, die in diesem Bereich arbeiten, sind selbst in ihrer Arbeit inspiriert oder veranlaßt, durch den Hype bzw. diese seltsam große Aufmerksamkeit, die diesem Bereich künstlerischer Arbeit entgegengebracht wird. Du hast völlig Recht, da geht es nicht um künstlerische Arbeit - es ist kein Interesse an der Kunst, das ist völlig klar. Das ist die seltsame Situation für uns, daß wir eigentlich als Festival der Medienkunst, Festival für Digitale Kunst, für Computer-Kunst und wie immer das dann heißen soll, mit diesen Aktivitäten jetzt in einem Rampenlicht stehen, daß mit Medienkunst eigentlich nichts mehr zu tun hat. Und vor allem von Leuten getragen wird, die an Medienkunst selber gar nicht interessiert sind. Das ist die Situation, der symbiotischen Kombatibilität zwischen Wirtschaft und Kunst im Moment, die natürlich wirklich nur eine scheinbare Symbiose ist.

Wie ist Dein offizieller Titel?

Ich bin Geschäftsführer der ARS ELECTRONICA CENTER Betriebs Gesellschaft;

Es ist doch interessant, daß Du als Künstler jetzt in dieser Funktion bist, und aus Deinen Worten spricht ja, daß Dir das kritische Denken nicht abhanden gekommen ist. Was willst Du gegen den Hype tun, ich denke, Dein Interesse ist, die wirklich guten Sachen rauszuholen, Du willst ja nicht auf dieser Hype-Welle mitreiten. Was willst Du tun, um dieses Element zu fördern?

Dieses Haus/Center wird, in einem gewissen Bereich, notwendigerweise die Hypewelle immer reflektieren müssen, eben abbilden und darauf eingehen. Das Center ist Resultat dieses Hypes. Daß dieses Center zustande gekommen ist, hat natürlich zu tun mit Traditionen der Ars Elektronica und mit ganz bestimmten Personen, die das wirklich sehr stark gefeatured haben. Aber daß es nun tatsächlich dazu gekommen ist, daß die öffentliche Hand 180 Millionen Schilling hergibt, und Sponsoren noch einmal 50 Millionen drauflegen, ist ein Resultat dieses Hypes. Damit fällt dem Haus eine gewisse Aufgabe zu, nämlich eine der Intentionen des Hauses ist es ja, diese enorme Präsenz und Wichtigkeit sogenannter moderner Technologie auch für eine breite Öffentlichkeit hinsichtlich der Auswirkungen auf Alltags-Leben, die Allgemeinheit zu reflektieren und zu vermitteln. Das ist eine Sache in der wir auf jeden Fall drinnen stehen. Das wichtige daran ist es ja zu verhindern, daß das Haus ungesehen zum Apologeten neuer Technologie wird, daß wir dazu verkommen, jetzt gerade wegen des großen Interesses, drum habe ich eingangs gesagt, daß mir dabei schon etwas mulmig ist, weil dieses enorme Interesse auch fordert, daß wir gewisse Aktivitäten setzen. Und ich möchte natürlich schon verhindern, daß dieses Haus ein reiner Repräsentations-Schuppen der digitalen Revolution wird. Die Strategien, die ich mir dafür überlegt habe, gehen im wesentlichen darauf hin, daß man auf das Potential von ARS ELECTRONICA, des Festivals, zurückgreift, daß man aus der Geschichte und der hohen Reputation des Festivals heraus auch jenes Rückgrat bilden kann, mit dem man diesen Versuchungen etwas widerstehen kann. Beweisen müssen wir das Ganze in nächster Zeit, bis jetzt scheint es sehr gut angenommen zu werden, gerade diese Tatsache, daß wir nicht nur eine "kleine Linzer CeBit" aufziehen.

Die Ars Electronica wirkt nicht nur territorial sehr verstreut. Inwiefern ist das vielleicht programmatisch?

Daß es DIE Ausstellung nicht gibt, hängt glaube ich damit zusammen, daß es keine Notwendigkeit mehr für Ausstellungen gibt. Ein Festival wie die ARS ELECTRONICA hat zwei Möglichkeiten:
Erstens quasi so etwas wie die Salzburger Festspiele der Medienkunst zu werden; (Früher war es ja schon eher so, - da hatte man schon Angst es geht in die Richtung!) Die ARS ELECTRONICA hätte bestimmt beste Chancen diese Rolle einzunehmen, 17 Jahre lange Tradition, der ganze Internationale Ruf, wieso sollte nicht ausgerechnet da auch mit dem finanziellen Background der Stadt Linz so etwas wie eine "Best of Collection der Medienkunst" alljährlich entstehen?! Das ich das eine nicht will, habe ich glaube ich schon mit der Wahl der Worte mit einfließen lassen, oder die zweite Möglichkeit ist, zu versuchen, auch entsprechende adäquate Präsentations- und Rezeptionsformen zu bringen. Die Ausstellung als solches ist an sich ein schon fast unlösbares Problem. Es ist unheimlich schwierig, überhaupt noch gute Arbeiten zu finden, die man ausstellen kann. Viele Künstler klagen nicht zu Unrecht darüber, daß ihre Arbeiten in Ausstellungen sehr schlecht repräsentiert werden, unheimlich schlecht rüberkommen und es gibt zahllose Projekte, wo man so richtig merkt, daß im letzten Moment noch irgend etwas an das Projekt dazu geklebt wurde, damit man es irgendwo ausstellen, irgendwo als Performance aufführen kann. Aber die eigentlich interessanten Sachen bilden sich weder in der Ausstellung, noch in der Performance ab.

Wie, die Entwicklung der Medienkunst führt dazu, daß man nicht mehr sieht? Alles ist nur mehr irgendwo im Netz?!

Ich meine nicht, daß es unsichtbar wird, dematerialisiert usw. Es ist eher das, daß es diesen temporären Eventcharakter immer weniger bekommt. Und vielmehr in eine permanente Prozeßhaftigkeit reingeht. Ich glaube, daß sie trotzdem sehr spürbar, sehr sichtbar ist.Daß es sicher auch möglich ist, Strategien und Wege zu finden, es trotzdem auch einem Publikum zu vermitteln. Eine Ausstellung, die eine Woche lang läuft, in einem Festival, das eine Woche dauert, ist für viele Sachen wirklich nicht die adäquate Art. Allein dieser wahnsinnige Aufwand, den man betreibt, um für ein paar Tage die Infrastruktur an einem Ort zu schaffen, damit man schließlich und endlich dort ein Netzwerkprojekt präsentieren kann. Das ist ein völliges Paradoxon. Mit dem Center hoffe ich, daß wir uns wesentlich leichter tun, in Zukunft. Weil die Infrastruktur permanent da ist, und weil wir auch zeitlich nicht nur diese 4 Tage zur Verfügung haben, sondern auch in die Breite gehen können. Es wird verstärkt Events geben, die vielleicht zum Festival so quasi ihren Höhepunkt haben, oder einen bestimmten Höhepunkt entwickeln, aber eben schon wesentlich früher beginnen, und länger dauern können, und vom punktuellen Event weg zu einem längerfristigen Prozeß gehen.

Aus meiner Sicht gibt es im Kunstprogramm auffällig mehr Sound-Arbeiten. Ist das Teil einer Linie, die sich andeutet?

Daß viel soundbasierte Arbeit da ist, stimmt sicherlich. Das hat weniger mit einer Programmatik hin zur Musik (Sound Art zu machen) zu tun, es hängt vielleicht damit zusammen, daß es mir sehr daran liegt, Echtzeitkunst, wenn man versucht einen Begriff dafür zu finden, zu präsentieren. Das heißt, Projekte die sich in bestimmten auch Enviroments, Ambientes, zum Beispiel mit den ganzen Dingen da rund um das Quarter die sich in solche Ambientes und Enviroments einbauen lassen, die auf das Bezug nehmen. Projekte, die sich eben auch in der Zeit entwickeln. Das ist etwas was sich mit Sound, also mit Klangarbeiten wesentlich leichter realisieren läßt und was wesentlich öfter passiert. Also es hat damit viel eher zu tun, diese Hinwendung zur Echtzeit, zur Realtime, als zur Musik.

Ich habe das Gefühl, daß das Ganze eine gewisse Konzeptlosigkeit vermittelt?! Oder zumindest ist für mich kein klares Thema ersichtlich?

Kann ich mir gut vorstellen, daß dieser Eindruck entsteht, wenn man die Dinge nicht genau genug studiert. Vor allem, wenn sie nicht im Zusammenhang ihrer Verstreuung gesehen werden. Es ist ein konzeptioneller Ansatz dahinter, diese Verstreuung, her zu gehen und wie gesagt, bewußt gegenteilig aufzuziehen. Nicht her zu gehen, und sagen, das ist unser Thema, weil wir ja wissen, was das Thema ist und deswegen suchen wir die Arbeiten aus, von denen wir wissen, daß die zu dem Thema passen. Die Zeiten sind einfach vorbei, ich glaube, daß das durchaus vor einigen Jahren noch möglich war, so einen repräsentativen Überblick, repräsentative Aussagen zur Medienkunst zu treffen. Mittlerweile geht das nicht mehr. Und in dem Ausmaß, in dem es mir wichtig ist, wie gesagt, ja nicht in diesen "Best of Selection"-Charakter zu kommen, versuche ich natürlich diese Heterogenität oder Diversität in den Projekten sehr stark rüber zu bringen. Es sind aber keine zusammengeworfenen Projekte, nach dem Motto "alles was wir kriegen konnten", sondern es sind schon ganz klare Linien drinnen. Projekte die sich sehr konzeptiv gegenüber gestellt sind. Brain Opera mit dem Projekt Louis-Philippe Demers und Bill Vorn, also Brain Opera - No ManŽs Land. Dann Dinge wie die Subtronic Musikschiene im Kontrast zu Liquid Cities. Oder Contained im Verhältnis zu Rivers and Bridges, also wirklich Projekte, die sehr stark in ihrer Gegenüberstellung die zwei wesentlich unterschiedlichen Herangehensweise an künstlerische Arbeit hier zur Diskussion stellen. Und gerade Brain Opera - No ManŽs Land, in dem ist die Geschichte unheimlich stark aufgegangen. Da ist es eher darum gegangen, zwei sehr gegensätzliche Positionen, die sehr markant sind im Moment, in verschiedenen Projekten (Herangehensweisen) gegenüber zu stellen.

No ManŽs Land, Foto ruba/AE

Immer wieder zwei kontrastierende Projekte, nicht generell zwei - über Žs ganze Festival bezogen?

Nein, in bestimmten Gruppen. Es hat jedes Projekt also auch seinen Gegenspieler. Die Distribuiertheit da in der Stadt usw., das Auseinanderlegen, das Verstreuen auf verschiedene Orte, bis hin da zu den kleinen Festivals im Festival, die hier zu zu lassen, in Anführungszeichen, ist für mich ein Versuch, eine Strategie zu entwickeln, mit der man dem momentan vor sich gehenden Paradigmen-Wechsel in der künstlerischen Produktion usw. usw., auch entsprechende Präsentations- und Rezeptionsmöglichkeiten gegenüber setzt. z.B. die Geschichte vom Just (Anmerkung:Just Merritt, der das Projekt "Rückspiegel zur Realität" inhaltlich konzipiert und organisiert hat), draußen auf dem Gelände, wo man wirklich hergeht und eine grundsätzliche Diskussion mit jemanden führt, und frägt interessiert dich das, zu diesem Gesamtthema, zu dieser Gesamtkonzeption einen Beitrag zu leisten - und dann paßt er - ab die Post, das ist dein Budget, und mach das jetzt.

Oder die Geschichte mit Subtronic, eine völlig autonom organisierte Sache. Subtronic ist der Fali Dorninger. Rivers & Bridges, das riesige Radioprojekt, wo wieder ein ganz ein kleines Element, von was weiß ich, an die 40, 50 Radiostationen die sie dieses Jahr wieder gehabt haben, davon ist dann ein ganz ein kleines Element hier vorort passiert. Also sehr autonome Projekte, die nur in einem gewissen Frame-Work arbeiten. Das mag vielleicht in der Tradition von Festival-Organisation und Konzeption manchem konzeptlos erscheinen, ist aber eine sehr absichtsvolle Vorgangsweise, um aus der traditionellen Festivals-Notwendigkeit heraus zu kommen. Und eine Entsprechung zu finden für das, was Künstler immer mehr tun, nämlich in Kollektiven verteilten Systemen zu arbeiten. Und das Paradigma, das entstanden ist durch die Arbeit am Computer, im Netzwerk ist mittlerweile eins, das sich sehr stark auf künstlerische Arbeit, die gar nicht direkt jetzt im und mit dem Computer stattfindet, immer stärker auswirkt.

Es gibt viele Stimmen, die sagen, viele von den Sachen hier, sind verspielte Sachen und beschäftigen sich mit technikimmanenten Dingen. Und haben darüber hinausgehend keine soziale Relevanz.

Es gibt sicher Projekte, für die das völlig zutrifft - ist auch notwendig, die Projekte da zu haben. Aber wenn man sich Projekte anschaut, wie das Projekt von Fujihata - die Art der Kreation einer Kommunikations-Infrastruktur im virtuellen Raum mit der Schnittstelle zum realen Raum. In dem Moment, wo ein Künstler hergeht, und Kommunikationsräume schafft, ist das glaube ich ein höchst soziales und politisches Anliegen. Das ist ganz klar in dem Projekt drin. Es sind Projekte, wie das Radio TNC Projekt, die sich schon sehr klar damit auseinandersetzen, gerade auch in diesem Bereich der sozialpolitischen moralischen, wie auch immer - das Spektrum ist ja gerade am Dienstag, im Symposium extrem weit strapaziert worden, die aber in diesem Spektrum absolut eine Relevanz haben. Ich sehe es nicht so, daß man da das Gefühl haben müßte, daß dieser Teil zu kurz kommt. Es geht hin bis zu Dingen, schon im ganz populären Bereich, der im Center immer wieder eine Rolle spielt, hin zum Projekt "Telegarten". Der eine publikumskompatiblere Version des Ei im Internet-Projekts ist. Und außerdem muß man zur Ehrenrettung von Telegarten sagen, daß er schon 1 1/2 Jahre länger existiert, als das Ei im Internet. Aber eigentlich sehr stark den gleichen Ansatz hat, aber nur in der Vermittlung einen wesentlich verspielteren und verständlicheren Weg geht.

Wie wird das AEC in Zukunft arbeiten, auch hinsichtlich permanenter Programme in Richtung Kunst vor allem?

Ich bin im Moment in einer noch nicht ausgestandenen Diskussionsphase, auch mit dem Ministerium. Eben nicht nur eine reines Artists in Residence - Programm zu machen, wo man irgendwie eine versteckte Art der Künstler-Subventionierung macht, und sagt, o.k. Künstler werden dazu eingeladen und bekommen ein bißchen Geld und dürfen dann da ein halbes Jahr herum dümpeln, sondern ganz gezielt auf ein "Project-in-Residence-Programm" zu gehen, welches Transdisziplinarität als wichtigsten imanenten Projektfaktor hat, d.h. ich tendiere eher dahin, die Frage ist, ob man das wirklich realisieren kann, daß man eine Gruppe, zumindest drei Leute, einen Künstler, einen Techniker und einen Theoretiker, als Team zu finden, die ein Projekt, dessen Kern ein transdisziplinärer ist, vorschlagen, und auf Grund der Projekte werden die dann eingeladen und wirklich entsprechend ernsthaft unterstützt, hier etwas zu machen.

Ich finde das ja alles interessant, aber wird das im Prinzip nicht ein neues Dogma mit der Transdisziplinarität? Das allein kannŽs ja auch nicht sein. es ist ja auch denkbar, daß jemand nur mit Grafik in 2D etwas Interessantes macht oder nur mit Text und Computer.

Es geht ja trotzdem darum, die Projekt-Qualität zu beurteilen, und die Selektion der Stipendien nach Projekt-Qualität zu machen. Wenn wir da schon polemisieren, glaube ich, ist Transdiziplinarität so ein wichtiger, und im Moment immer noch zu marginaler Faktor, so daß wir ein wenig Dogma ruhig vertragen könnten. Vor allem eine Transdisziplinarität, die auch ernst genommen wird. Die meisten Künstler, die im Moment Trans- oder Interdisziplinär arbeiten, tun das ja nicht aus Überzeugung zur Interdisziplinarität, sondern sie hauen sich mit Wissenschaftlern und Technikern auf ein Packl, damit sie besser und leichter den Zugang zur Infrastruktur kriegen. Die ganze Symbiose, die da so existiert, zwischen Kunst und Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft usw. das ist alles nur eine absolute Alibi-Situation. Und ich glaube, das wichtige ist es, wenn man schon so ein extrem dichtes Enviroment hat, wie da im AEC, ich mein, da steht ein Equipment herinnen, daß es einfach kein zweites Mal gibt im Moment. Dann ist es glaube ich, eine unheimliche große Chance auch, jetzt nicht einfach herzugehen, und zu sagen, o.k. ich bin ein Künstler, ein guter Künstler, ich habe ein gutes Projekt, unterstützt mich dabei, sondern zu sagen, o.k. du bist ein guter Künstler, setzt dich dieser Infrastruktur hier aus. Also wirklich eine Konfrontation. Die künstlerische Konzeption von jemanden auszusetzen, der technischen Realität in diesem Haus. Und zu schauen, ob dabei etwas herauskommt.

Es geht darum, nicht dahin zu kommen, daß eine künstlerische Konzeption da ist, wo man dann sagt, o.k. ich verwende den Computer nur als Werkzeug, lasse mich aber von ihm nicht beeinflussen. Wenn ich so etwas höre, ist das Projekt für mich gestorben. Das ist uninteressant.

Jemand der z.Zt. sagt, mein Computer ist nur mein Werkzeug, ich lasse mich von ihm nicht beeinflussen, das interessiert mich hier im AEC nicht. Es gibt Sachen wo man das vielleicht ausstellen kann. Es kann sein, daß das ein großartiges künstlerisches Projekt ist. Das ist überhaupt keine Frage der künstlerischen Qualität, sondern für mich eine Frage der Präsanz und Aktualität der Arbeit. Ich habe nur gewisse Resourcen, ich kann nur eine gewisse Anzahl von Projekten im Jahr in diesem Haus verkraften, und abwickeln. Und die sollten natürlich einen Charakter kriegen, oder die sollten in einer Form sein, der nur am AEC möglich ist. Es geht ja darum, diesem Haus eine Positionierung über die Ausstellungshalle hinaus zu geben. Über das schöne, wunderbare Enviroment da hinaus, wo die tollen Bildschirme herumstehen.

Also mit anderen Worten, du willst besonders medienspezifische Sachen verwirklichen?

Wenn das einfacher ist, ja. Für mich ist es schon ein bißerl schärfer, es soll nicht nur medienspezifisch sein. Es sollen wirklich Arbeiten sein, und das ist es, was ich wirklich hoffe zu kriegen, was ich hoffe da provozieren zu können. Arbeiten die wirklich auf diese neue Situation eingehen, daß heißt auf die Tatsache, daß es jetzt Techniken gibt, mit denen Dinge möglich sind, die in der Form vorher nicht möglich waren. Es ist ja auch die Parallelität des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Funktion des Hauses und der künstlerische Backround enorm wichtig. Eventuelle kann dieses Haus sein, was Galerien und Museen nicht mehr sein können.

Klar Museen können das gar nicht mehr tragen, die müßten jedesmal neu Internet zugang beschaffen, wenn sie Netzarbeiten ausstellen wollen, weil sie noch nicht darauf eingestellt sind, das im Haus zu haben.

Eben das ist das spannende - wenn man das mit diesem Haus hin bekommt, dann ist es das Geld wert, das da investiert wurde.

Letzlich habt ihr aber auch einen gewissen politischen Druck. Ihr müßt wahrscheinlich sehr viele edukative Sachen machen, was an sich nicht schlecht ist. Aber dann läufts doch ein bißchen drauf raus, daß du die Ebene Kunst, die Ebene edukative Sachen, vielleicht auch noch so Stadtplanung und solche Geschichten drin hast, und daß das praktisch Feigenblätter sind für eine Industrie, wo es eigentlich um ganz andere Sachen geht, wo es um eine Computer Industrie geht, wo es um eine Informations-Industrie geht, um einen Technologie-Schub, wo ja eigentlich solche humanistische Aspekte überhaupt keine Rolle spielen, - wo aber eigentlich die Kohle gemacht wird.

Ja, stimmt. Das ist die einzige Antwort, die man darauf geben kann. Es ist besser, es werden ein paar Feigenblätter gemacht, als wenn gar nichts gemacht wird. Also ich bin da unheimlich pragmatisch in dem Punkt. Ich weiß es selbst aus vielen Jahren in denen ich viel gekämpft habe, um für irgendwelche Projekte Geld aufzureißen. WennŽs Möglichkeiten gibt, irgendwie so das Modell der mitteleuropäischen Kunstförderung durch die öffentliche Hand in die Medienkunst der nächsten Jahre hinüber zu retten, dann vielleicht am ehesten mit solchen Institutionen, die zumindest entweder (positiv formuliert) diesen Puffer bilden können zwischen den Interessen, (zynischer formuliert), sich in Situationen befinden, die zumindest das Feigenblatt brauchen. Ich habe überhaupt keinen Optimismus, was diese Kompatibilität zwischen Kunst und Wirtschaft anbelangt, und ich bin jedesmal fürchterlich verärgert, wenn ich von einem Politker höre, daß man Medienkunst ehŽ nicht fördern braucht, weil die wird ja eh so gut, die kriegt ehŽ des Sponsoring von der Industrie. Das ist ein absolut fataler Fehler, der auf längere Frist hin dazu führen kann, daß diese ganze großartige Medien-Kunst-Szene, die es da z.B. in Österreich gibt, und die von Österreich aus in der ganzen Welt arbeitet, daß die in kürzester Zeit zu einem Mainstream verkommt, oder überhaupt ganz austrocknet.

Danke für dieses Gespräch