Das Rights Protection System der Musikindustrie für Grenzkontrollen im Netz
Zurückhaltung und Begehrlichkeiten
Der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft wirbt weiterhin für das unter seiner Regie entworfene "Rights Protection System" (RPS). Die Reaktionen fallen bislang zurückhaltend aus. Daneben öffnet der Verband Raum für Vermutungen, wonach RPS auch andere Einsatzgebiete finden könnte.
Mit RPS möchte die Musikindustrie Grenzkontrollen im Netz einführen. Zugriffe aus Deutschland auf urheberrechtsverletzende Inhalte im Ausland sollen bei Providern mit einer Auslandsverbindung über einen den Routern vorgeschalteten Filter unterbunden werden. Telepolis berichtete.
Im Werben um Verständnis für das System hatte der Verband RPS verschiedenen Ministerien vorgeführt. Dort verfolgt man die Entwicklung mit Interesse, sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Die Auskunft des Justizministeriums lautet kurz und bündig, RPS sei bekannt, eine endgültige Meinungsbildung gebe es jedoch nicht. Das Bundesfinanzministerium ist sehr gut über das System informiert, so war zu erfahren. Die Initiative möchte man jedoch nicht ergreifen, da die damit verbundenen Veränderungen tiefgreifend seien. Sollte der Markt RPS akzeptieren, könnte das Ministerium jedoch tätig werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie steht der Entwicklung von Instrumenten zum Selbstschutz der Wirtschaft grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings müssten diese innerhalb der Wirtschaft entwickelt werden. Über die Rechtmäßigkeit des Instrumentariums müssten letztlich die Gerichte entscheiden.
Offiziell hat sich der Bundesverband noch nicht an einzelne Provider gewandt. Dessen Pläne haben sich jedoch langsam herumgesprochen und stoßen nun auf Skepsis. Jürgen Hoffmeister, Pressesprecher beim Hamburger Provider POP, stellt die technischen Möglichkeiten in Frage: "Sollen wir unsere Auslandsanbindung damit ausbremsen?" Alexander Adler von AOL meint zwar, das Anliegen sei berechtigt, zweifelt jedoch ebenfalls an der technischen Machbarkeit.
Beim Verband der Internet-Wirtschaft, eco, hat die Musikbranche auch schon vorgefühlt. Dessen Vorsitzender, Harald Summa, teilt die Ansicht der anderen Provider und ergänzt: "Ein deutscher Alleingang bringt in diesem Fall nichts" und verweist auf das Beispiel der linksextremen Zeitschrift "radikal". Die deutschen Provider hatten im September 1996 drei Wochen lang ihre Möglichkeiten durchexerziert, den Zugriff auf eine URL beim holländischen Provider XS4All zu verhindern - vergeblich (Generalbundesanwalt stellt "radikal"-Verfahren gegen Provider ein).
Als unvorstellbar weist Summa die Vorstellung zurück, RPS am innerdeutschen Netzknoten, dem DE-CIX zu installieren. Diese Idee war unvermittelt auf den Seiten des Bundesverbandes ins Gespräch gebracht worden. Dort hieß es: "Konsequenterweise setzt das RPS bei den ISPs (Internet Service Provider = Diensteanbieter) mit einer Auslandsverbindung an. Dies sind in Deutschland nicht mehr als 50-70 Stellen, zuzüglich der de.cix (zentraler Knotenpunkt für den innerdeutschen Datenverkehr)." (Im zweiten Satz wurde der Teil nach dem Komma vor kurzem stillschweigend entfernt.)
Bemerkenswert wird die geisternde Idee durch den Zusammenhang, in den das Bundesfinanzministerium RPS bringt: Dort kann man sich vorstellen, sollte das System sich durchsetzen, es als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von Online-Geschäften zu nutzen. Dietmar Schlumbohm, beim Referat für Technologie des Bundesverbandes, möchte die Äußerung am liebsten zurücknehmen, bestätigt jedoch: "Es gibt Überlegungen, wie ein illegaler Markt mit RPS trocken gelegt werden kann. Das DE-CIX wäre jedoch nur im Zusammenhang mit innerdeutscher Kriminalität interessant." Darauf ziele die Musikbranche jedoch nicht, ihr vorrangiges Interesse gelte der Grenzkontrolle.