Das Verdummen der Macht
Seite 2: Disneyfizierung pur: Angst vor Experimenten
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So hastet der Film pflichtschuldig dahin, sampelt all jene parallelen Schauplätze, die selten bis gar nicht zusammengeführt werden, neue und alte Figuren - Chewbacca, R2D2, C3PO, sogar Yoda - und Schauspieler aller Hautfarben und Generationen: Benicio del Toro hat einen Gastauftritt, Laura Dern ebenfalls, und Andy Serkis ist unter der Maske wie immer nicht zu erkennen.
Dazu kommen technologischer Fetischismus und die bekannten Eso-Dialoge - man könnte das alles ironisch nehmen, aber der Jedi-Kult um die "Macht" mit ihren hellen und dunklen Facetten ist für manche eine bierernste Weltanschauung. Die alten zentralen Musikthemen von John Williams tun ein Übriges, um das Publikum in andauernder Sicherheit über die Bedeutung der jeweiligen Szene zu halten.
So belastet die schwere Aufgabe der Erfüllung all der kaum zu vereinbarenden Zuschauerwünsche den Film. Manchmal ächzt er unter der Last der Anforderungen. Auch wenn die meisten der einzelnen Figuren für sich genommen interessant sind, unberechenbar sind sie nie.
Es handelt sich um lauter Verschnitte: Rey ist wie auch Jyn in "Rogue One" ein Princess-Leia-Verschnitt: Ein Girl, Ende Zwanzig mit braunem Haar, weil das auf der weißen Uniform besser aussieht als blond, das nach hinten zu Zöpfen gebunden ist. Poe ein Han Solo Verschnitt - nur leider zu brav, trotz schlechter Rasur. Und Ben ("Benjamin"?) Solo ein Darth Vader Verschnitt und wie dieser ein Schurke mit Narbe im Gesicht. Auch BB-8 ist nur ein rollender R2D2. Aus derlei Nachgeäffe kann nichts Klassisches draus werden.
Das ist Disneyfizierung pur: Vor Experimenten hat der Konzern seit jeher Angst, darum spürt man das Motto "Zurückhaltung um jeden Preis" und "Sicherheit zuerst" überdeutlich. Allemal wirkt er angespannt, die Pflicht erstickt jede Kür, es fehlen Leichtigkeit und Entspannung - nicht nur wenn die Handlung unverhohlen einer Opfertod-Bereitschaft der Helden das Wort redet - mehr Krieg und Pathos als Fantasy.
Die Macht ist mit den Familienbanden
Wie bei der Artus-Sage, bei Tokien, ist das, was altdeutsch: Blut, neudeutsch: die Gene, postmodern verschwallt: Körpergedächtnis heißt, wichtiger als alle Erfahrung, Erziehung, Bildung, der Kopf.
Wir haben es bei Star War mit einer Variante von "Dynastie" zu tun, mit der Geschichte ein paar weniger elitärer Sippen. Nicht jeder kann Jedi und Weltretter werden, sondern nur die Kinder und Kindeskinder der alten Schachteln und Säcke. Da spiegelt das "Star Wars"-Universum das amerikanische, das Land der Bushs und Clintons, und des Trump-Prinzips: Die Macht ist nicht mit Dir und mir, sondern mit den Familienbanden - wie in der Renaissance.
Auch sonst gibt es kaum Handlungsfreiheit: Die Figuren können allenfalls wollen, was sie müssen, die Geschichte ist unausweichlich vorbestimmt - aus "Star Wars" wird "Der Herr der Ringe", statt Fortschritt droht in der Geschichte die ewige Wiederkehr des Gleichen: Ein bemerkenswertes Pop-Phänomen, das eine Zeit spiegelt, in der der Westen den Glauben an Fortschritt und unendliche Selbstverbesserung verloren hat, in der die Menschen sich "von unüberschaubaren politischen und wirtschaftlichen Dynamiken - und zum Teil auch bereits von undurchschaubaren 'Mächten' bestimmt sehen. Wie im Naturalismus oder in der antiken Tragödie kann man jetzt auch im "Star Wars"-Universum seiner Bestimmung, seinen Deformationen nicht mehr entkommen." (SZ)
Die Zukunft?
Die Ambivalenz der Figuren ist somit nur behauptet. Ein Problem ist zudem, dass dem arg vorhersehbaren Film genaugenommen jede Spannung fehlt. Man weiß nicht nur, wie es ausgeht, sondern auch was auf dem Weg dahin passiert. Nur zwei, drei Überraschungen peppen das letzte Drittel etwas auf, ansonsten Fehlanzeige.
Vielleicht ist es ja wirklich so, wie die etwas unsachliche, narzisstische und Dietmar-Dath-haft verpeilte, aber ganz hervorragend zu lesende Autorin der "Süddeutschen" schreibt, dass dem aktuellen Science-Fiction "irgendwie die Zukunft abhanden gekommen ist". Wobei natürlich "Star Wars" noch nie etwas mit Science-Fiction zu tun hatte, noch weniger als "Star Trek". Mit Zukunft aber natürlich schon.
So ist "Star Wars: Die letzten Jedi" ein aseptischer Film, allzu kalkuliert in dem Bemühen, es allen recht zu machen. Formatisiertes Fortsetzungskino, das vielleicht in der Gegenwart noch Geld machen kann - die Zukunft des Kinos wird der Film nicht prägen.
"It's time for the Jedi to end."
Von wegen! Spätestens in zwei Jahren soll Teil 9 ins Kino kommen.