Das geheime Hollywood-Filmstudio

Lookout Mountain Studios: Die amerikanischen Atombombenfilmer

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Ein Filmfreak blickt hinter die Kulissen eines Filmstudios, das zeitweise für eine Knappheit des Filmmaterials sorgte und doch kaum bekannt war, weil seine äußerst teuren und aufwendigen Erzeugnisse eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren.

Der erste von Peter Kuran über die Atombombentests gedrehte Film "Trinity and beyond" (Bombenstimmung in 3D und Dolby Digital) löst bei europäischen Zuschauern mitunter etwas Verwunderung aus, weil man zu diesem Thema eigentlich etwas kritischere Berichterstattung erwartet. Doch ist der Regisseur Peter Kuran nun einmal primär Filmer, nicht Atomphysiker oder gar Umweltschützer. Ihm ging es zunächst einmal darum, das von 1945 bis zur Einstellung der amerikanischen Atomtests in der Atmosphäre 1964 gesammelte Filmmaterial der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bevor es unbrauchbar wird, damit auch spätere Generationen von den zweifelhaften Aktionen jener Tage erfahren können und nicht am Ende noch einmal Atombomben für Tests oder Schlimmeres in der Atmosphäre zünden.

Um festzustellen, ob normale Militäruniformen vor den direkten Auswirkungen einer Atombombenexplosion wie sofortigen Verbrennungen schützten, wurden Schweine in solche Stoffe gesteckt und einer Atombombenexplosion ausgesetzt

Kurans Dokumentarfilme lassen die Bilder und Dokumente für sich sprechen, ohne dem Zuschauer deshalb eine Meinung vorzugeben. Dennoch hat Peter Kuran einen Grund, warum er sich gerade mit diesem Thema so ausführlich beschäftigt hat: Er war als Schüler der 6. Klasse zum Jahrestag des Bombenabwurfs in Hiroshima und hat diese Bilder nie vergessen. Im bei DVDs gebräuchlichen, weil leicht zu erstellenden, doch vom Käufer selten entdeckten Audiokommentar des Regisseurs kommt hier vieles zu Tage, was die Bilder allein nicht verraten.

Schweine in Uniform

Mittlerweile gibt es auch eine deutsche Version "Trinity & Beyond - Die Geschichte der Atombombe" als DVD, die für jeden, der Englisch nicht perfekt beherrscht, zu empfehlen ist, zumal sie auch weiterhin die englische Tonspur und den Kommentar von Peter Kuran enthält und bis auf einen Fehler - Pazifikinseln wurden wegen ihrer fortlaufenden Zerbombung knapp und folglich teuer und nicht billig - sehr korrekt ist. Lediglich der in der US-Version zusätzlich gebotene 5-Kanal-Ton ist entfallen, doch der ist bei einer solchen Dokumentation ohnehin eher ein fragliches Gimmick, denn selbstverständlich wurden die Bombentests zwar mit technisch sehr hohem Aufwand und teilweise tatsächlich in Cinemasope, doch natürlich nicht in Surroundton gefilmt.

Ein ganzer Wald wurde abgeholzt und die Bäume dann in zuvor gebohrte Löcher in der Wüste von Nevada gesteckt, um festzustellen, wie gut sie den folgenden Atomtest überstehen würden

Einige Kameraschwenks haben durch die Umsetzung von US-Fernsehnorm auf PAL trotz Verwendung der digitalen Masterbänder ein leichtes Ruckeln erhalten und die Laufschrift, die als Untertitel in den dankenswerterweise nicht synchronisierten Interviews mit Zeitzeugen durchs Bild jagt, ist nicht abschaltbar. Dafür sind die teils zu heftig restaurierten Farben der US-Version auf der deutschen DVD deutlich besser wiedergegeben und natürlich entfallen die Kosten für den Import der US-DVD.

Bäume in die Wüste

Tatsächlich sollte der deutsch synchronisierte Film ursprünglich im zweiten deutschen Fernsehen gezeigt werden, doch wurde dem die Lizenz für den Film zu teuer, sodass sich die Übersetzung verzögerte und der deutsche Produzent CMV Laservision den Film nun auf eigene Rechnung vertreibt. Wenn der Umsatz die Produktionskosten wieder einspielt, werden dann auch die anderen Kuran-Filme eingedeutscht. Kurioser ist, dass auch eine japanische Version des Films erscheinen soll. Ob Kurans Werk dort wirklich gut ankommen wird, ist fraglich, leiden Land und Leute doch heute noch unter dem atomaren Alptraum von 1945.

"Ground Zero - Population 5": Die US-Army beschränkte sich nicht auf Tierversuche - hier stellte man fünf Wissenschaftler mitten in die Wüste und ließ die Atombombe exakt auf ihrer Position nur ein paar Kilometer über ihren Köpfen hoch gehen, um die Ungefährlichkeit der Bombe zu beweisen

Neben den Übersetzungen von Kurans erstem Atombombenfilm hat er jedoch inzwischen auch alle späteren Filme überarbeitet und unter Veränderung des Titels auf DVD umgesetzt, zuletzt "Atomic Filmmakers (Behind the Scenes)", der als DVD nun "Hollywoods Secret Film Studio (Atomic Filmmakers)" heißt. Hier geht Kuran genauer auf die filmischen Aspekte der Atombombenaufnahmen ein.

Die Filmer des Horrors

Dass von den Atomangriffen auf Hiroshima und Nagasaki praktisch keine Aufnahmen existierten, weder am Boden noch aus der Luft, war zu Kriegszeiten unwichtig - da waren die Amerikaner froh, dass die Bomben überhaupt funktioniert hatten und hatten von den schrecklichen langfristigen Auswirkungen noch gar nichts mitbekommen. Später wollte das Militär jedoch genaueres über die Wirkung der neuen Wunderwaffe wissen. Prompt übertrieben die US-Militärs 1946 für die Atomtests von "Operation Crossroads" in die Gegenrichtung: Praktisch jede mögliche Kamera, ob für Film oder Foto, wurde in Position gebracht. 19 Army-Flugzeuge und 17 Navy-Schiffe waren nur mit Kameratransporten beschäftigt

"Kleiner Sonntagsausflug": Zur "Operation Crossroads" wurde jede Kamera, der man habhaft werden konnte, in ein Flugzeug verfrachtet

Aus PR-Gründen durften an "Operation Crossroads" neben den eigenen Leuten auch Militärs anderer Länder und die Presse teilnehmen. Insgesamt waren es über 40.000 Beobachter. Der plötzliche enorme Bedarf an Filmmaterial sorgte für dessen Verknappung auf dem freien Markt: Über 500 Kilometer Film wurden verbraucht und über eine Million Fotoaufnahmen gemacht, die teils gleich vor Ort entwickelt wurden, um die Geheimhaltung zu wahren, weshalb zu dieser Zeit auch mehrheitlich Schwarzweiß-Film verwendet wurde.

500 Kilometer Film

Die vielen Parallelbelichtungen sollten dabei dazu dienen, die verschiedenen Stadien der Explosion festzuhalten, denn "irgendwas war immer auf dem Film", aber je nach Belichtungseinstellung nur die ersten Sekunden oder aber später der Pilz und dafür auf den ersten Metern Film von der Explosion in die Emulsion gebrannte Löcher. Später wurden Filme mit mehreren verschieden empfindlichen Schichten entwickelt. Aus diesen "XR-Filmen" entstanden übrigens die heutigen Farbnegativfilme.

Bombenfotos aus dem Flugzeug: Für die Aufnahmen waren Frachtflugzeuge und Bomber extra umgebaut worden

"Operation Crossroads" fand dabei ausschließlich auf See statt - die erste Bombe wurde über, die zweite unter Wasser gezündet und die Beobachter befanden sich deshalb auch auf Schiffen oder in Flugzeugen. Die meisten Tests fanden jedoch auf Südseeinseln oder - als dies zu teuer wurde - in der Wüste von Nevada statt.

15.000.000 Bilder/s

Spezielle Zeitlupenkameras wie die sogenannte O' Brien-Kamera waren schon beim Trinity-Test verwendet worden. Sie konnten 15 Millionen Bilder pro Sekunde aufnehmen und waren für die ersten Momente nach der Zündung der Bomben bestimmt, in denen sich der Feuerball aufbläht und die Beine der Türme verschlingt, auf denen die Bomben oft gezündet wurden. Ebenso wurden die Fotografen und Filmer bei den Tests der "Operation Sandstone" im Pazifik auf insgesamt 75 Fototürmen platziert.

Schneller Filmwechsel

Der Filmschnitt fand dagegen in Hollywood statt. Anfangs wurden hierzu abgesicherte Bereiche der normalen Hollywood-Studios benutzt. Später wurde "Lookout Mountain" eingerichtet - kein normales Filmstudio, sondern ein spezieller Militärkomplex, in dem nicht nur die wenigen Innenaufnahmen von Sprechern aufgenommen und die fertigen Filme vorgeführt, sondern auch 16- und 35-Millimeter-Filme entwickelt werden konnten. Bis 1969, als das Studio geschlossen wurde, hatte es mehr als 6500 Filme hergestellt worden, von denen viele heute noch der Geheimhaltung unterliegen. Die Nachbarn in Hollywood waren allerdings wenig begeistert und nahmen an, dass dort auch Bomben hergestellt wurden.

Ungesunder Job

Nicht nur die eigenen Soldaten, auch die Filmer wurden dabei aus heutiger Sicht viel zu nah an den Explosionen platziert. Allerdings hielten sie in Nevada zumindest einen Mindestabstand von 6 Kilometern ein. Für Aufnahmen noch dichter an der Bombe wurden Automatikkameras benutzt bis hinunter zu Distanzen von 1,5 Kilometern. Die Soldaten mussten dagegen bis zu 2,5 Kilometer an die Bombe heran, um sich "an Atomexplosionen zu gewöhnen" und litten anschließend unter Strahlenschäden und qualvollem Krebstod auch noch nach Jahrzehnten. Im Pazifik mit den größeren Tests standen die Kameras mindestens 6 bis 30 Kilometer entfernt.

Ein Atomfilmer in Arbeitskleidung

Alle Bilder stammen aus den Filmen und von Peter Kurans Website www.vce.com