Das große Impfen hat begonnen

US-Arzneimittelbehörde FDA beurteilt das neuartige mRNA-Vakzin von Pfizer und BioNTech positiv. Massenimpfung in Großbritannien startete am Dienstag

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Corona-Impfstoff des US-Pharmakonzerns Pfizer und des deutschen Biotechnologieunternehmens BioNTech drängt mit großem Tempo auf den Markt. Wenige Tage nachdem die britischen Behörden grünes Licht für den Einsatz des neuartigen mRNA-Vakzins gegeben haben, wurde am Dienstag im britischen Coventry die erste Dosis im Rahmen einer Massenimpfkampagne verabreicht. Zugleich stellte die US-Arzneimittelbehörde FDA dem nukleinsäurebasierten mRNA-Impfstoff BNT162b2 ein gutes Zeugnis aus.

Nach FDA-Einschätzung ist die Impfung mit dem Pfizer-BioNTech-Präparat sicher. Die Behörde stützte ihr Urteil vom Dienstag auf eine zweimonatige Nachbeobachtung einer klinischen Studie mit 38.000 Teilnehmern. Es gebe auf Basis dieser Beobachtungen "keine besonderen Sicherheitsbedenken", hieß es von der US-Behörde, die am Donnerstag dieser Woche über eine Notfallzulassung in den USA entscheiden will. Neben den üblichen meist lokalen Nebenwirkungen habe es bei weniger als 0,5 Prozent der Probanden schwerere Begleiterscheinungen gegeben – diese seien im gleichen Maße jedoch auch bei der Placebo-Kontrollgruppe aufgetreten.

Zuvor hatten klinische Studien bereits über Impfreaktionen an der Injektionsstelle berichtet, aber auch über Müdigkeit, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost sowie Fieber. Nicht mehr und nicht weniger also als bei manchen Grippe-Impfungen. Diese Beobachtungen hatten zahlreiche Fachmedien kommentiert, in Deutschland etwa der in Berlin erscheinende Arzneimittelbrief – mit einem sehr kritischen Urteil (Corona-Impfungen als größtes Humanexperiment der modernen Geschichte).

Schwerere Reaktionen, so heißt es nun bei der FDA, seien nur bei 4,6 Prozent der freiwilligen Studienteilnehmer aufgetreten. Betroffen davon waren vor allem jüngere Probanden ab zwölf Jahren, im Vergleich zu den Testpersonen im Alter von über 55 Jahren. Die US-Experten der FDA erklären diese Unterschiede mit der aktiveren Immunabwehr in jüngeren Jahren.

Die Einschätzung der FDA ist dennoch positiv für Pfizer und BioNTech: Die US-Behörde bestätigte nicht nur die Wirksamkeit des Impfstoffes von 95 Prozent ; sie bescheinigte auch eine Schutzwirkung schon nach der ersten von zwei Dosen.

Massenimpfung in Großbritannien startet in Coventry

Um 06:31 Uhr Ortszeit, halb acht Uhr mitteleuropäischer Zeit, startete am Dienstag die erste westliche Massenimpfkampagne gegen das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 und die mit ihm assoziierte Atemwegserkrankung Covid-19. Im britischen Coventry bekam die 90-jährige Margaret Kennan die erste der beiden Injektionen verabreicht.

Der Start der Massenimpfung wurde von britischen Medien - soweit bei den beteiligten Akteuren möglich - geradezu als Pop-Event zelebriert, gemischt mit politischer Symbolik. So sprach Gesundheitsminister Matt Hancock vom "V-Day", dem ersten Tag der "Vaccinations", also Impfungen. Die Parallele zum "V-E-Day" 1945 – dem Victory-in-Europe-Day – war offenbar so reizvoll, dass die zumindest zur Hälfte deutsche Herkunft des Vakzins bemüht übergangen wurde.

Schließlich hatte das Vorpreschen der Briten bei den Corona-Impfungen in Kombination mit dem erneut zugespitzten Brexit-Streit jüngst für Spannungen gesorgt. Nachdem britische Regierungsvertreter die rasche Zulassung als Vorteil des Brexits bezeichneten, verwies Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn auf die europäische Herkunft des Mittels. "Das zeigt doch, wenn ein Produkt aus der Europäischen Union so gut ist, dass es in UK so schnell zugelassen wird, dass das Beste in dieser Krise die europäische und internationale Zusammenarbeit ist", so der CDU-Politiker.

Ungeachtet dieser viel beschworenen Kooperation hat das globale Wettimpfen längst begonnen. Großbritannien will im ersten Jahr vier Millionen Menschen immunisieren, insgesamt hat London 40 Millionen Dosen des Pfizer-BioNTech-Vakzins bestellt. In den USA kündigte der designierte Präsident Joe Biden an, in 100 Tagen 100 Millionen Corona-Impfungen zu organisieren.

Wird das Kühl-Problem gelöst?

Positiv aufgenommen wurde die Nachricht, dass der Corona-Impfstoff von Pfizer und BioNTech künftig offenbar doch nicht durchgehend bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden muss. Man arbeite an einer Weiterentwicklung, um diese bisher notwendige Kühlung zu vermeiden, sagte Pfizer-Hauptgeschäftsführer Albert Bourla am Dienstag gegenüber Pressevertretern in Genf. Bourla nahm dort an einer Tagung des internationalen Pharmaverbandes IFPMA teil.

Der Pfizer-Chef versuchte bei der Konferenz Bedenken aufgrund der schwierigen Transport- und Lagerbedingungen zu zerstreuen. Ingenieure hätten eigens Boxen entwickelt, die den Transport des Impfstoffs ohne Kühlung von außen ermöglichen. In den Boxen soll der Wirkstoff offenbar auf Trockeneis gelagert werden. Zuvor hatte BioNTech-Finanzvorstand Sierk Pötting versichert, dass auch die bisherige Variante mehrere Tage in normalen Kühlschränken gelagert werden kann.

Bei der Bundesregierung dürften solche Zusagen für Erleichterung sorgen. Denn angesichts des hohen Entwicklungstempos waren viele Fragen bezüglich der finanziellen Ausgaben ungeklärt. "Über anfallende Kosten für die Einhaltung der Transport- und Lagerbedingungen des COVID-19-Impfstoffs von Pfizer/BioNTech liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor", hatte das Gesundheitsministerium dem Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler noch vor gut drei Wochen geantwortet.

Zu diesem Zeitpunkt wurde gerätselt, wie die Impfstoffe unbeschadet EU-weit und global verteilt werden können. Entsprechende Überlegungen wurde bei der Bundesregierung aber offenbar nicht angestellt, als hunderte Millionen Euro in die Entwicklung des nukleinsäurebasierten mRNA-Impfstoffs investiert wurden.

Klar ist damit nicht nur, dass hinter der Impfkampagne massive Hoffnungen auf ein Ende der Pandemie stehen. Deutlich wird auch, wie massiv die gesundheits- und finanzpolitischen Unklarheiten nach wie vor sind.