"Das hat nichts mit dem Islam zu tun"
Islamische Organisationen in Deutschland beziehen Stellung gegen den Terror der Dschihadis
Jede Maßnahme im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung, die so aussieht, als ob es gegen "den Islam" ginge, spielt den Tätern in die Hände, warnt Udo Steinbach, Leiter des deutschen Orient-Instituts in Hamburg. Es liege im Interesse der Täter, dass die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen im Westen tiefer werde.
Hier sei Behutsamkeit angebracht, so Steinbach. Eine Ausgrenzung der Muslime wäre ein Erfolg der Militanten. Man würde damit in die Falle Osama Bin Ladens tappen, der eine möglichst große Mobilisierung auf beiden Seiten wolle - in kulturellen und religiösen Dimensionen. Steinbachs Mahnung widerspricht der Neigung nicht weniger Politiker und Medien, das Erregungspotential der Verbindung zwischen Terror und "dem Islam" voll auszuschöpfen. Das richtige Feindbild sorgt für Auflage und Aufmerksamkeit und schafft Gelegenheit zur Ablenkung von "unpopulären Themen".
In Zeiten, wo der Generalverdacht des terroristischen Fundamentalismus "islamistischer Art" schon beim Anblick von Kopftüchern oder bestimmten Bärten aktiviert wird, sind eindeutige Stellungnahmen von Muslimen in Deutschland wohl nötig.
Wolfgang Wegener, Gründer und Redakteur der Muslim-Zeitung, hat sich an die Vorsitzenden der 13 "relevanten" islamischen Spitzenorganisationen und Dachverbände in Deutschland gewandt, um eine klare Stellungnahme zu erfahren. Erwartungsgemäß, aber in der Geschlossenheit und Deutlichkeit bislang noch nicht in der deutschen Öffentlichkeit zu hören: Von den beiden großen Spitzenverbänden, dem Zentralrat der Muslime und dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, bis zum Vorstand der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs war man sich einig in der scharfen Verurteilung terroristischer Akte und verwahrte sich entschieden gegen "jede Vermischung von Islam und Terrorismus".
Mehr organisierte Verbände der deutschen Muslime, die sich dazu aussprechen, kann man nicht finden. Die 13 Dachverbände sprechen für über 250.000 organisierte Muslime in Deutschland. Wenn man aber bedenkt, dass der Imam einer Gemeinde auch Zuhörern predigt, die keiner Organisation angehören, kann man diese Zahl leicht auf 500.000 erhöhen
Wolfgang Wegener
Die deutsche Presse habe sich bislang kaum Mühe gegeben, um eine klare Position der muslimischen Organisationen zu erfragen, so Wegener am Telefon gegenüber Telepolis. Eindeutige Stellungnahmen von Muslimen, die sich gegen den Terror der Dschihadis wenden, würden in der Öffentlichkeit oft "verschwinden" oder einfach nicht wahrgenommen. Als Gründe dafür nennt Wegener den strukturellen Unterschied von muslimischen Verbänden zu anderen Organisationen, eine andere Art des Kommunikationsflusses, der sich eher an Mitglieder wendet als an "die Öffentlichkeit", mangelnde finanzielle Möglichkeiten und zum Teil auch das fehlende "Know How."
Auf die Frage, ob nicht gerade die ganz eigenen Kommunikationsstrukturen der muslimischen Verbände dazu beigetragen haben, dass das Menetekel "Parallelgesellschaft" immer wieder neu in den Debatten auftaucht, antwortet Wegener mit dem Verweis darauf, dass für mehr Partizipation in den letzten Jahren erst günstigere Bedingungen geschaffen werden mussten.
Erst müssen die grundlegenden Bedürfnisse der Gemeinschaft erfüllt werden, dann kann es Partizipation geben.
Der Raum sei da eine zentrale Kategorie. "Viele Jahre lang mussten sich Muslime mit Hinterhofmoscheen begnügen"; die meisten Muslime in Deutschland waren Gastarbeiter und deswegen auch mehr am Herkunftsland orientiert. Erst nachdem man den sozialen "Unterstatus" ablegen konnte, war eine Beteiligung am öffentlichen Leben überhaupt möglich. In vielen Jahren habe sich ein umfangreiches Netzwerk an Moscheen, mittlerweile auch Großmoscheen, gebildet, eine Art Parallelstruktur, welche die Gemeindemitglieder sozial miteinander verbindet. Die Angebote deutscher Behörden, die eine soziale Teilnahme von Muslimen fördern, seien erst sehr viel später erfolgt.
Gerade aber die Organisation der Moscheengemeinden, die meist einem Dachverband untergeordnet sind, mache die Stellungnahmen der Vorsitzenden gegen der Terrorismus der Dschihadis beachtenswert, betont Wegener. Da die Dachverbände und die Gemeinden hierarchisch strukturiert sind und Imam-orientiert, sind deren Aussagen verbindlich - "handlungsweisend"; die Spitzenverbände, wie der Zentralrat und der Islamrat, würden dagegen repräsentativ für die muslimische Gemeinde als Ganze sprechen.
So überzeugend die Entschiedenheit ist, mit der sich etwa Nadeem Elyas, der Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, von den "abscheulichen Taten" distanziert und betont, dass sie "in keiner Weise islamisch begründet" werden können, so gibt es doch auch Aussagen von Verbandsführern, die einen bestimmten Argwohn erwecken, nämlich den, dass man es sich - zumindest nach außen - mit Kritik verschiedentlich allzu einfach machen will. Es ist eine Sache zu behaupten, dass die terroristischen Akte nicht islamisch begründet werden können, eine andere ist es zu negieren, dass die Terrorakte tatsächlich aber von wie auch immer irregeleiteten Muslimen islamisch begründet werden.
Hierfür steht die Aussage des Generalsekretärs der islamischen Kulturzentren (20.000 Mitglieder), Erol Pürlü, demzufolge die Terrorakte "nichts mit dem Islam zu tun haben"; was den Gedanken nahe legt, dass man auch in einigen muslimischen Verbänden gerne die Komplexität zugunsten von einfachen Aussagen opfert.