"Demokraten sind zu schwach, um Maßnahmen gegen Klimawandel durchzusetzen"

Robert Engle, 2022. Bild: Jon Demske / CC-BY-SA-4.0

Der Wirtschaft-Nobelpreisträger Robert Engle zum Sinn von CO₂-Zertifikaten, die industrielle Nachfrage nach dem Covid-Schock und die Polarisierung in den USA.

Ökonomen lieben dieses Instrument des Klimaschutzes. CO₂-Zertifikate sind auf dem freien Markt handelbar und ihr Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Idee dahinter ist einfach: Für jede Tonne an CO₂, die ein Unternehmen in der Produktion ausstoßen will, muss es ein Zertifikat erwerben.

Die Menge verfügbarer Zertifikate hängt vom jeweiligen Klimaziel ab und wird politisch festgelegt. So müssen Unternehmen die von ihnen verursachten Umweltkosten in der Produktion mitberücksichtigen und haben einen monetären Anreiz, auf nachhaltige und emissionsarme Produktionsmethoden umzusatteln.

Die Idee funktioniert auch in der Praxis. In der EU sind die Treibhausgas-Emissionen von 1990 bis 2020 um 26 Prozent gesunken. Grund dafür sollen unter anderem die Emissionsrechte sein, die europäische Unternehmen – vor allem aus dem Energiesektor und der verarbeitenden Industrie – seit 2005 erwerben müssen, um schädliches CO₂ in die Luft pusten zu dürfen.

Auch für private Investoren sind die Zertifikate eine attraktive Anlage. Indem sie auf Finanzprodukte setzen, die den Preis der Emissionsrechte nachbilden, können sie von den steigenden CO₂-Preisen profitieren – und machen gleichzeitig den "Umweltsündern" das Leben schwer.

Doch nicht alle sind Gewinner. Unter steigenden Emissionspreisen leiden nicht nur die Produzenten, sondern auch die Verbraucher, denen viele Unternehmen die Mehrkosten weitergeben. Allein seit 2018 hat sich der Preis der Zertifikate in der EU mehr als verzehnfacht. Gerät der Handel mit CO₂-Preisen gerade außer Kontrolle? Und erklären die hohen CO₂-Preise auch die zurzeit ausufernde Inflation?

Robert Engle, Nobelpreisträger für Wirtschaft und Experte für Klimarisiken, hat als Berater bei Climate Finance Partners einen der wichtigsten ETF-Indizes für den globalen Preis von CO₂-Zertifikaten mitentwickelt. Im Interview verteidigt er die Zertifikate als wirksames Mittel im Kampf gegen die Klimaerwärmung, zeigt die Grenzen von Initiativen wie "Fridays for Future" auf und begründet, warum vor allem Regionen und Bundesländer aktiver werden sollten.

Der Preis für CO₂-Zertifikate bewegt sich knapp unter der 100-Euro-Marke. Was treibt den Preis der Zertifikate?

Robert Engle: Die Nachfrage nach industrieller Produktion war nach der Covid-Schockstarre größer als erwartet. Wer mehr produzieren will, braucht mehr Zertifikate. Der Gasmangel wegen des Krieges in der Ukraine verschärft die Situation zusätzlich, weil Energie häufig wieder aus Braunkohle gewonnen werden muss. Es gibt aber auch Druck aus dem Finanzmarkt, da CO₂-Zertifikate ein attraktives Mittel geworden sind, um nachhaltig und gegen den Klimawandel zu investieren. Je dringender es wird, den Klimawandel zu stoppen, desto geringer wird das Marktangebot der Zertifikate sein – und desto höher der Preis.

Bis 2018 war der Preis für die Zertifikate so tief, dass das Projekt kurzweilig als gescheitert galt. Dann stieg der Preis von sieben auf aktuell 90 Euro.

Es gab einen Wandel in der Handhabung der Zertifikate. Zu Beginn wurde der Markt mit Zertifikaten regelrecht überschwemmt. Es waren mehr Zertifikate da, als gebraucht wurden.

Es war also ein politischer Fehler?

Robert Engle: Ja, aber ein verzeihlicher Fehler. Der Handel mit den Zertifikaten hatte auf diese Weise genügend Zeit, sich zu etablieren, auch wenn er nicht sofort sein Ziel erreicht hat. Jetzt aber kann davon ausgegangen werden, dass der Handel wirksam ist und zu geringeren CO₂-Emissionen führt.