"Demokraten sind zu schwach, um Maßnahmen gegen Klimawandel durchzusetzen"

Seite 2: "Kosten für Umweltverschmutzung erstmals mitkalkuliert"

Welche Rolle spielt der hohe Preis für CO₂-Zertifikate für die hohe Inflation? Werden da Mehrkosten einfach an die Konsumenten weitergegeben?

Robert Engle: Viele Unternehmen versuchen natürlich, die Ausgaben für Zertifikate an die Konsumenten weiterzugeben. Manchmal sind die Konsumenten bereit, diesen höheren Preis zu zahlen. Wenn nicht, gibt es aber auch andere Wege, die Kosten weiterzugeben: an die Mitarbeiter, indem man Löhne kürzt, oder an Investoren, indem Gewinne reduziert werden und die Aktienpreise fallen. Und das ist genau so gewollt.

Die Kosten für die Umweltverschmutzung waren auch vorher schon da. Jetzt werden sie aber erstmals im System mitkalkuliert und werden am Ende von denen getragen, die dazu am ehesten in der Lage sind.

Sie beraten ein Finanzunternehmen, das einen globalen ETF-Index für CO₂-Preise entwickelt hat. Auch private Investoren können hier ihr Geld anlegen. Warum stehen Sie hinter diesem Projekt?

Robert Engle: CO₂-Zertifikate sind eine der wenigen Methoden, um die Emissionen direkt zu reduzieren. Wer auf einen steigenden Preis setzt, macht den Luftverschmutzern das Leben schwer. Es ist also ein zu 100 Prozent nachhaltiges Investment. Das macht die Sache auch für private Kleinanleger so interessant.

Lohnt sich das Investment aber auch?

Robert Engle: Es sind mehrere Szenarien denkbar. Wenn die Inflation hochbleibt, werden die Zentralbanken mit höheren Leitzinsen reagieren, was wiederum die wirtschaftliche Produktion und die Nachfrage nach CO₂-Zertifikaten bremst. Die Preise würden dann fallen. Wenn es zu einem Friedensabkommen in der Ukraine kommen würde, wäre das für die Finanzmärkte ein Aufschwungfaktor und der CO₂-Preise würden steigen.

Langfristig gilt: Je dringender die Klimakrise wird, desto geringer wird das Angebot der Zertifikate und desto mehr müssen Konzerne zahlen, um CO₂ ausstoßen zu dürfen. Erst wenn genügend Unternehmen emissionsarm produzieren und die Klimaziele erreicht werden, werden die Preise wieder fallen.

Kritiker der CO₂-Zertifikate warnen vor Preisverzerrungen durch Spekulanten. Wäre es nicht besser gewesen, die Emissionen durch eine CO₂-Steuer zu reduzieren?

Robert Engle: In der Theorie sind CO₂-Steuern genauso wirksam wie frei handelbare Zertifikate. In der Praxis ist es für politische Entscheider aber schwer, die Höhe der Steuer genauso festzulegen, dass das gewünschte Klimaziel erreicht wird. Deswegen ist es in der Praxis zielführender, je nach Klimaziel eine maximale Menge an CO₂-Emissionen festzulegen und es dem Markt zu überlassen, wie viel die Tonne CO₂ kosten soll.

Die Frage ist außerdem, ob das Investieren in Indizes, die den Preis für ein Gut lediglich nachbilden, auch den Preis des realen Guts – also der Zertifikate – maßgeblich beeinflussen können. Ich glaube nicht, dass der Handel mit Futures den Preis der Zertifikate nennenswert beeinflusst.

Es gäbe die Möglichkeit, die Idee handelbarer Zertifikate auch auf andere Bereiche auszuweiten, etwa die Fleischproduktion. Nehmen wir an, für jede Tonne produziertes Fleisch müssen Unternehmen einen bestimmten Preis zahlen. Damit würden die realen Umweltkosten, die die Fleischproduktion verursacht, im System endlich mitberücksichtigt werden.

Wenn der Fleischkonsum an sich problematisch ist, kann das eine Idee sein. Aber wenn es uns in Wirklichkeit um den CO₂-Ausstoß geht, der durch die Fleischproduktion entsteht, dann sollten wir Instrumente in die Hand nehmen, die die Emissionen direkt betreffen. Ansonsten kommt es zu Verzerrungen.