"Der Computer ist ein wunderbares Werkzeug"
Ein Verein will die Demoszene promoten
Computerparties gibt es heute wie Sand am Meer: man trifft sich zum Spielen, zu Linuxinstallationen oder auch nur, um Dateien auszutauschen. Parties der Demoscene spielen eine Sonderrolle: hier wird der Kunst des Codens und dem Programmieren von Kunst gefröhnt. Doch die Scene hat Nachwuchsprobleme. Der Verein Digitale Kultur möchte Abhilfe schaffen.
Gegensätze ziehen sich an: ausgerechnet ein altes preußisches Fort hatten sich die Veranstalter der Evoke [1] ausgesucht, um zu einem Treffen der Demoszene einzuladen. Und die Demoszene kam: Fast 300 Teilnehmer aus ganz Europa und sogar Kanada strömten in den schummrigen Veranstaltungssaal, um ihn in ein Eldorado der Computerkunst zu verwandeln. Sie hatten teilweise eine lange Anreise in Kauf genommen, um drei Tage zu feiern und ihre Kräfte zu messen.
Cracker und Coder
Die Ursprünge der Demoscene liegen lange zurück. Als die Personalcomputer grade die Kinderzimmer eroberten, gab es schon die "Scene". Sie war eng mit den Raubkopierern verzahnt: zu jeder Raubkopie auf Diskette gehörte wie selbstverständlich auch ein Intro, das den Namen der Crackergruppe in angemessener Weise präsentierte. Der Platz war begrenzt - so mussten die Intro-Programmierer mit nur wenigen Kilobyte auskommen, um dem Konsumenten ein möglichst atemberaubendes multimediales Erlebnis zu bescheren. Später gab es die größeren Demos, bei denen sich die Coder nicht ganz so sehr zu beschränken brauchten.
Die Demos waren und sind Kunstwerke: kleine Filme, in Echtzeit berechnet. Sie führen den Betrachter in Fantasiewelten: Mal sieht man Raumschiffe durchs All fliegen, mal sieht man auch einen Flug durch eine bizarre Landschaft. Geometrische Effekte wechseln sich ab mit organischen Formen. Dazu gehört elektronische Musik. Es gilt, die Fähigkeiten des Computers auszureizen - auf immer neue Art. Nichts ist vorberechnet, die Bilder müssen live erzeugt werden. Die Democoder entwickeln dazu immer neue Techniken, die teilweise auch in die Spieleentwicklung übernommen werden. Sie schufen 3D-Effekte, lange bevor es 3D-beschleunigte Grafikkarten gab. So ist zum Beispiel das legendäre Parallax-Scrolling eine Erfindung der Democoder.
Von Skills und Parties
Die Demoscene baute von Anfang an ihre eigene Infrastruktur auf. Lange bevor das Internet Einzug hielt, traf man sich auf Mailboxen, man informierte sich über Diskettenmagazine und nfo-Files, die den Demos beilagen. Und ab und zu traf man sich auf Demoparties. Teilweise kamen mehrere Tausend Scene-Mitglieder zusammen, um sich gegenseitig ihre "Skills" vorzuführen, Erfahrungen auszutauschen und zu feiern.
Heute wurden die Diskettenmagazine längst vom Internet abgelöst: Zentrale Treffpunkte sind scene.org [2] , Pouet [3] und Orangejuice [4]. Die Parties sind nicht mehr ganz so groß - und wenn doch, werden die Scener von LAN-Spielern an den Rand gedrängt. Die Evoke gilt als Familientreffen, die Breakpoint als größte Demoparty in Deutschland zog dieses Jahr 800 Besucher an. Die Scene ist überschaubar. Weltweit gibt es zirka 12.000 Mitglieder, schätzt Ekkehard Brüggemann, der die Breakpoint mitorganisiert.
Wettbewerb als Ansporn
Eine Demoparty ist jedoch nicht nur Spaß an der Freude - Konkurrenzkampf ist angesagt. Auf der Evoke wurde über ein Dutzend verschiedener Wettbewerbe ausgetragen - von der besten Demo mit nur 4 Kilobyte bis zur besten Handzeichnung. Es geht nicht nur um die Ehre: Für die Sieger gab es bei der Evoke Geldprämien von insgesamt 2000 Euro und Sachpreise im Wert über 5000 Euro. Um dies zu ermöglichen, sind die Demoparties auf Sponsoren angewiesen. Nicht leicht für eine Gruppe, die in der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt ist. Den Evoke-Organisatoren ist es dennoch gelungen, eine Reihe von Hardwareherstellern zur Unterstützung zu bewegen. Als Hauptsponsor sprang Intel ein. Der Konzern greift bei Messen schon mal auf Scene-Arbeiten zurück, um die Leistungsfähigkeit seiner Chips zu demonstrieren - ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Geholfen hat auch, dass der im Februar gegründet Verein schon als gemeinnützig anerkannt ist.
In den Arbeiten, die auf der Evoke veröffentlicht wurden, stecken oft Monate Arbeit. So baute die Gruppe smash designs die Innenstadt Frechens im Computer nach und präsentierte nahezu fotorealistische Fahrten [5] durch die Stadt - ein klarer Sieg, der mit einem neuen PC belohnt wurde. Daniel Magyar trampte zwei Tage lang von Bulgarien nach Köln, um "egon + doenci" seiner Gruppe aenima vorzuführen - eine professionell animierte Trickfilmepisode, die er und sein Bruder später an eine Fernsehstation verkaufen wollen. Um auch Newcomern eine Chance zu geben, vergab der Verein auch einen Nachwuchspreis an die Gruppe Cubalid 7, die erst das zweite Mal an der Evoke teilnahm. Obwohl die Mitglieder erst relativ frisch dabei sind, nahmen sie schon an den schwersten Wettbewerben teil, einer Jury war das einen Anerkennungspreis von 100 Euro wert. Die gesammelten Arbeiten stehen auf der Webseite der Evoke zum Download [6] bereit.
Interview mit Tobias Heim vom Verein Digitale Kultur e.V. [7]
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Links in diesem Artikel:
[1] http://evoke-net.de
[2] http://scene.org
[3] http://www.pouet.net
[4] http://www.ojuice.net
[5] http://ftp.scene.org/pub/parties/2003/evoke03/demo/smash_weltenkonstrukt.zip
[6] http://evoke-net.de/0,7607,12664.html
[7] http://www.digitalekultur.org
[8] http://haujobb.scene.org
[9] https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Hacker-Sommerurlaub-machen-3430779.html
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