Deutsche Außenministerin soll nach Macron-Besuch in China "Schaden" begrenzen
Annalena Baerbock will europäische Geschlossenheit demonstrieren. Trotz Warnungen aus der Politik investieren Unternehmen weiter in China.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beginnt am Donnerstag ihren Besuch in China. Und transatlantische Kreise in Deutschland und Europa verbinden mit ihr die Hoffnung, dass sie in Peking repariert, was der französische Präsident Emmanuel Macron vermeintlich beschädigt hat.
Bei der Nachrichtenagentur Reuters heißt es, sie beginne ihren Besuch mit dem Ziel, "eine gemeinsame Politik der Europäischen Union gegenüber Peking zu bekräftigen, nachdem Äußerungen des französischen Präsidenten […] auf eine uneinheitliche Haltung des Kontinents gegenüber der aufstrebenden Supermacht hindeuteten".
Gemeint ist damit die "transatlantische Einheit", die Macron untergraben haben soll. Wenn unter dieser Einheit zu verstehen ist, dass die Regierung in Washington Linie und Takt vorgibt, während Europa hinterhertrottet, dann dürfte dieses Urteil über Macron gerechtfertigt sein. Ein Europa, das selbstbewusst seine Interessen vertritt, stört diese Einheit dagegen nur.
Die Vorstellung, dass die europäischen Länder momentan mit den USA auf Augenhöhe agieren, ist im besten Fall ein naiver Wunsch. Dieses Ungleichgewicht in den transatlantischen Beziehungen wird in deutschen Medien durchaus thematisiert – wenn auch selten und nur am Rand.
Es herrsche für Europa ein Druck, "sich einzureihen", erklärte etwa ein Vertreter vom Center for Strategic and International Studies gegenüber dem Handelsblatt. Die USA hatten im Alleingang etwa Exportkontrollen und damit verbundene Maßnahmen im Technologiebereich gegenüber China eingeführt. "Washington lege seinen Verbündeten damit ziemlich direkt nahe, ‚ähnliche Richtlinien herauszugeben‘, ansonsten drohten wirtschaftliche Nachteile", heißt es im Handelsblatt weiter.
Das Entkoppeln der westlichen Wirtschaften von China ist ein weiterer Punkt, bei dem Washington den Takt vorgibt. Der ehemalige Präsident Donald Trump hatte in dieser Hinsicht bereits einen Wirtschaftskrieg mit China begonnen und die Regierung von Joe Biden hat Maßnahmen ergriffen, um den technologischen Fortschritt in China zu bremsen.
Unter dem nächsten Präsidenten könnte die Situation weiter eskalieren. Der Republikaner Ron DeSantis, der im Frühjahr seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten erklären könnte, macht laut Handelsblatt bereits Druck, die Entkopplung der Volkswirtschaften ernsthafter zu betreiben.
Sollte DeSantis gewählt werden, würde sich die Frage stellen, ob die Europäer auch dann – entgegen ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen – dieser Linie folgen würden. Bislang ist diese Frage eher rhetorischer Natur, denn der Handel zwischen den USA und China blüht weiterhin.
Mehr als 690 Milliarden US-Dollar hat das Handelsvolumen zwischen beiden Rivalen im vergangenen Jahr ausgemacht – ein neuer Rekord, wie das Handelsblatt anmerkt. Trotz aller Steine, die dem gemeinsamen Handel in den Weg gelegt werden, floriert er. Die Unternehmen hätten offenbar Wege gefunden, trotz alledem weiter zusammenzuarbeiten.
Die große Mehrheit der US-Unternehmen hat auch keine Pläne, ihre Geschäfte in andere asiatische Länder zu verlagern. Ganz im Gegenteil: sie bauen sie sogar noch aus; der chinesische Markt ist zu verlockend.
Microsoft, Amazon, Facebook und IBM haben zuletzt alle ihre Investitionen in China ausgebaut. McDonald’s und Starbucks eröffnen demnächst Hunderte neuer Filialen in China. Die Modehäuser Ralph Lauren und Tapestry planen neue Shops. Die US-Fleischkonzerne Tyson Foods und Hormel Foods bauen neue Werke.
Handelsblatt, 11.04.2023
Den chinesischen Firmen ist es auch gelungen, die Zollbeschränkungen der USA zu umgehen. Sie bauen etwa in Mexiko Fabriken für Elektronik, Kleidung, Möbel sowie Batterien für Elektroautos, und sie können diese Waren dann zollfrei in die USA einführen.
Lediglich im Technologiebereich gibt es Anzeichen einer Entkopplung. Die Einfuhrzölle aus der Trump-Ära führten in einigen Bereichen zu einem Rückgang des Handels. Bei "Spielen, Video-Konsolen, Smartphones, Laptops und Monitoren" seien die Importe dagegen gestiegen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch deutsche und europäische Firmen weiterhin in China investieren, allen Warnungen aus der Politik zum Trotz.
In den Konzernzentralen teilt man zwar die Auffassung der Bundesregierung, dass man die wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren müsse. Allerdings hat man dafür andere Gründe als den Taiwan-Konflikt oder "westliche Werte", sondern: Industriespionage, unlauterer Wettbewerb und Menschenrechtsverletzungen. Auch über die Art und Weise, wie die Abhängigkeiten reduziert werden sollen, gibt es divergierende Ansichten.
Von verschiedenen Seiten wird nun von Baerbock erwartet, dass sie bei ihrem Besuch die deutsche Position zu Taiwan deutlich mache. Das erklärte etwa der SPD-Politiker Nils Schmid gegenüber Reuters.
Aber auch Wirtschaftsvertreter haben ein Interesse daran, dass sich der Konflikt zwischen China und Taiwan nicht zu einem Krieg entwickelt. In einem solchen Fall würde die europäische Wirtschaft massiv getroffen.
Europäische Unternehmen sind nicht nur von den in dem Land [Taiwan] hergestellten Chips abhängig, sondern stellen auch die größten Investoren in Taiwan. Zudem gehen geschätzt rund 40 Prozent des Warentransports der EU durch die Straße von Taiwan.
Handelsblatt, 12.04.2023
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