Deutsche Außenpolitik: Zeichen stehen auf Sturm

Bild: Felix Mittermeier/ pxhere.com, Public domain

Zur Außen- und Sicherheitspolitik im neuen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Ein Kommentar

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien von SPD, Grünen und FDP ist ganz im Geiste eines militanten Transatlantismus verfasst. In der Geschichte der Bundesrepublik ist sicherlich das Ausmaß der kompletten Ausrichtung auf eine Juniorpartnerschaft mit den USA seit Konrad Adenauer einmalig.

Das politische Personal, das in Zukunft die Außenpolitik Deutschlands bestimmen wird, lässt mit der grünen Außenministerin Annalena Baerbock und einem Wirtschaftsminister Robert Habeck sogar noch Raum für eine Politik der Eskalation, gerade was die Beziehungen zu unserem Nachbarn Russland und zu China angeht.

Und auch wenn etwa die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 im Ampel-Vertrag nicht erwähnt wird, so sitzen mit Baerbock und Habeck als die beiden transatlantisch geprägten Minister an den entscheidenden Stellschrauben, um das Ganze doch noch zu verhindern und stattdessen die US-Fracking-Gaskonzerne stärker ins Geschäft zu bringen.

Zentral ist die Einigung im Vertrag, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato weiterzuverfolgen. Entgegen allen Versprechungen gerade auch der Grünen an die Wählerinnen und Wähler bedeutet dies eine Orientierung auf eine massive Aufrüstung und eine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf rund 85 Milliarden Euro von jetzt bereits 53 Milliarden, wie sie 2021 an die Nato gemeldet wurden. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass die Kommunikation der Ampel-Koalition zur Verkleidung der Aufrüstung viel geschickter sein wird als unter dem Kabinett Merkel.

So heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, man wolle "drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln" investierten und so "seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik" stärken. Wer könnte denn da schon dagegen sein?

Dann aber kommt der entscheidende Nachsatz "und seine in der Nato eingegangenen Verpflichtungen" erfüllen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Der Koalitionsvertrag ist ein Aufrüstungsvertrag, der sich auf Frieden schminkt. Dazu passt die Vereinbarung, an der nuklearen Teilhabe Deutschlands im Rahmen der Nato und damit an der Stationierung der US-Atomwaffen festhalten zu wollen wie auch die vorgesehene Modernisierung der entsprechenden Atombomber.

Die Bundeswehr soll als globale Interventionsarmee zudem zum ersten Mal mit Kampfdrohnen ausgerüstet werden. Mit Territorialverteidigung hat dies alles nichts zu tun.

Deutschland reklamiert exklusive Einflusszonen

Mit dem Ampel-Koalitionsvertrag soll Deutschland zur ausgabenstärksten Militärmacht Europas werden weit vor Frankreich und Großbritannien, aber auch weit vor Russland. Während man gemeinsam mit den USA "autoritären Entwicklungen" weltweit begegnen will, steht auffällig neben einer symbolischen Verpflichtung zum Dialog mit Moskau die Kampfansage an Russland.

Hier wird eine deutsche exklusive Einflusszone in Mittel- und Osteuropa wie auch der südlichen Nachbarschaft reklamiert, aus der sich Moskau herauszuhalten habe.

Ganz anders dagegen gehen SPD, Grüne und FDP mit dem Nato-Partner Türkei um. Der Koalitionsvertrag hält fest, dass die Türkei trotz Erdogans Generalangriff auf Demokratie und Menschenrechte und trotz seiner völkerrechtswidrigen Militärinterventionen in Syrien und im Irak ein "wichtiger Nachbar der EU und Partner in der Nato" bleibt.

Menschenrechte im Falle der Türkei werden bei westlichen Verbündeten weder als Legitimation für Sanktionen noch für eine Kürzung der üppigen Finanz- und Wirtschaftshilfe herangezogen. Das ist der Kern der viel beschworenen "wertegeleiteten Außenpolitik".

China wird im Sinne der Eskalationspolitik zum ersten Mal zum Systemrivalen stilisiert. Dazu passt das erklärte Bemühen, das von der UNO nicht anerkannte Taiwan diplomatisch aufzuwerten und den Indopazifik als eine Zielregion der "Strategien Deutschlands und der EU" zu identifizieren.

Der preußische Generalmajor Carl von Clausewitz hatte einmal vom Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln gesprochen. Die Ampel bringt einen Vertrag auf den Weg, der eine Politik als Fortsetzung eines Krieges mit anderen Mitteln konzipiert. Anders lässt sich die ehrgeizige Konfliktbereitschaft an der Seite der USA kaum umschreiben.

Aber man könnte einwenden, es gäbe in diesem Schwarz doch auch Positives wie die Ankündigung, ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen zu wollen. Wer aber wissen will, wohin die Reise auch bei den Rüstungsexporten geht, der muss sich nur die Passage zum Jemen anschauen.

Während Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2018 ein Waffenexportverbot an alle am Jemen-Krieg unmittelbar beteiligten Staaten fixierten, will die Ampel nur noch ein Exportverbot an Staaten, die "nachweislich unmittelbar" am mörderischen Krieg im Jemen beteiligt sind.

Damit ist Tür und Tor geöffnet, noch ungenierter als in der Vergangenheit die saudisch geführte Jemen-Kriegskoalition beliefern zu können. Ganz zu schweigen von den anderen vorgesehenen Ausnahmen "im Einzelfall".

Die humanitären Verkleidungen werden zunehmen, die Zeichen in der deutschen Außenpolitik aber stehen auf Sturm.

Sevim Dagdelen ist Außenpolitikerin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag