Deutsches Militär unterstützt hochgerüsteten Grenzschutz in Saudi-Arabien

Das Verteidigungsministerium schickt "einsatzerfahrene Soldaten" zur Ausbildung an aus Deutschland gelieferten Drohnen. Die Bundesregierung gibt zu, dass diese "zu Aufklärungszwecken im Rahmen der Grenzsicherung" genutzt werden

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Auch das Verteidigungsministerium unterstützt den zivil-militärischen Grenzschutz Saudi-Arabien. Hierfür werden saudische Soldaten in der Bedienung von Drohnen geschult, die aus Deutschland geliefert werden. Im Sommer wurde bereits offenkundig, dass die Bundespolizei saudi-arabische Grenzpolizisten an einem zwei Milliarden Euro teuren System zur Bewachung seiner 9.000 Kilometer langen Grenze ausbildet. Offensichtlich sind die aus Deutschland gelieferten LUNA-Drohnen in das System des Rüstungsgiganten EADS integriert.

Gelandet werden die LUNA-Drohnen mit Fallschirmen oder wie hier mit Netzen. Bild: eucom.mil

Deutsche Soldaten unterstützen das Militär in Saudi-Arabien in der Bedienung von Drohnen, die von der Firma EMT aus Penzberg geliefert werden. Dies teilte die Bundesregierung kürzlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion bezüglich der "Änderung des Luftverkehrsgesetzes zum Drohnen-Einsatz" [] mit. Demnach seien "auf Weisung" des Bundesverteidigungsministeriums "drei einsatzerfahrene Soldaten zur Ausbildungsunterstützung" nach Saudi-Arabien entsandt worden. Dort hätten sie das Militär "während der Erstinbetriebnahme und Durchführung" von Drohnen des Systems LUNA geschult.

Deutsche Ausbilder sollen "im Einsatz erfahren" sein

Erst auf schriftliche Nachfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke wurde mitgeteilt, dass die Vereinbarung bereits 2010 geschlossen wurde. Demnach habe EMT "einen Vertrag zum Verkauf des UAS LUNA inkl. Ausbildung und Versorgung" mit Saudi-Arabien geschlossen. Doch das Land will sich nicht auf Zivilisten verlassen: Zur Ausbildung forderten die saudischen Militärs "im Einsatz erfahrene Soldaten des Heeres" an. Diese als "Ausbildungsunterstützung" bagatellisierte Beihilfe wurde am 10. Dezember 2010 zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Drohnen-Hersteller EMT vereinbart. Der Firma entstehen hierfür scheinbar keine Kosten.

Die Abkürzung LUNA steht für "Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung". Die Systeme wiegen ca. 40 Kilogramm und haben, nach Angaben der Firma, eine Reichweite von mehr als 100 Kilometern. Beim Militär sind sie für die "Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung" zuständig. In Deutschland sind 51 LUNA-Drohnen an den Standorten Munster, Aachen/Eschweiler, Eutin, Gotha, Freyung, Füssen, Zweibrücken, Augustdorf und Seedorf stationiert. Ihr Betrieb ist nicht ungefährlich: "Während des Ausbildungsflugbetriebes" seien laut Bundesregierung bereits zwei LUNA-Drohnen in Deutschland abgestürzt, im Kriegseinsatz in Afghanistan sogar weitere sechs. Über Informationen zu dabei entstandenen "Schäden an Dritten" verfügt die Bundesregierung nicht (Drohnen: Fünf Prozent stürzen ab).

Vom Verkehrsministerium werden die LUNA-Drohnen dennoch auch für Flüge in Deutschland zugelassen. In der Gewichtsklasse "25 bis 150 kg" hat die Bundeswehr anscheinend 89 zum Flugbetrieb lizensierte LUNA-Drohnen im Einsatz, die Firma EMT darf weitere sieben Geräte in Deutschland steuern.

Übung von "taktischen Missionsflügen"

Rund 1.500 Soldaten wurden bei der Bundeswehr bereits zur Steuerung, Wartung, Auswertung und Überprüfung unbemannter Luftfahrzeuge ausgebildet. Für die LUNA-Drohnen ist hierfür eine "lehrgangsgebundene Ausbildung" am Ausbildungszentrum Munster verpflichtend. Inhalte werden in Ausbildungsrichtlinien und Zulassungsvorschriften geregelt. Neben der Schulung saudischer Militärs wurden zwischen 2007 und 2010 auch 43 nicht näher bezifferte "Lehrgangsteilnehmer" aus den Niederlanden sowie zwei aus Luxemburg an Drohnen unterrichtet.

Wiederum erst auf Nachfrage, diesmal von der Abgeordneten Katja Keul, hat nun der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zum Deal mit Saudi-Arabien nachgelegt. Demnach seien von den deutschen Soldaten "circa 20 Soldaten, die den Royal Saudi Landforces angehörten", ausgebildet worden. Die Gruppe setzte sich aus "einem Major (Zugführer) und Unteroffizieren" zusammen. Doch auch die saudische Rüstungsindustrie war mit einem Vertreter der "Military Industrial Cooperation" anwesend. Dabei habe es sich um einen "Hauptmann" gehandelt. Die "Military Industrial Cooperation" sei "vergleichbar mit dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung". Vermutlich handelt es sich aber um einen Schreibfehler, und gemeint ist die "Military Industrial Corporation". Der Betrieb fertigt etwa Schnellfeuerwaffen, die auch international vertrieben werden.

Die Ausbildung in Saudi-Arabien dauerte fast drei Monate. Laut Bundesregierung sei eine "Kontingentausbildung" über sechs Wochen an der Prince Sultan Air Base in Al Kharj vorgenommen worden. Über drei Wochen wurden dann "taktische Missionsflüge" in der Nähe der "Ortschaft Jizan" geübt.

"Subunternehmer" Bundeswehr und Bundespolizei

Die vom Militär gekauften Drohnen werden aber auch für Belange der inneren Sicherheit genutzt. Dies ist sogar der Bundesregierung aufgefallen: Angemerkt wird, dass die Übungsflüge "im grenznahen Bereich zum Jemen" ausgeführt wurden. Verantwortlich waren die "Royal Saudi Landforces", woraus selbst die Bundesregierung ableitet, "dass Saudi-Arabien das UAS LUNA zu Aufklärungszwecken im Rahmen der Grenzsicherung einsetzt".

Damit ist offensichtlich, dass die deutschen Drohnen auch in das von EADS bzw. dessen Tochterfirma Cassidian gelieferte Grenzsicherungssystem eingebunden sind. Der deutsch-französisch-spanische Rüstungskonzern bekam den Zuschlag für den Deal über zwei Milliarden im Jahr 2008. Es handelt sich um den größten Auftrag, der jemals in diesem Segment vergeben wurde.

Bekannt wurde letztes Jahr, dass Deutschland auch hierfür bereits eine umfangreiche Ausbildungshilfe finanziert hat. 77 Beamte der Bundespolizei sind gemäß der Bundesregierung seit 2009 nach Saudi-Arabien abgeordnet. Weil ihre Finanzierung nicht allein über den Haushalt der Bundespolizei abgewickelt werden konnte, wurden Auslandszulagen über ein örtliches Büro der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlt.

Der EADS-Deal wurde noch unter dem früheren Chef Markus Hellenthal eingefädelt. Die großzügige Ausbildungsunterstützung durch deutsche Grenzschutzbeamte kam durch Verhandlungen zwischen dem EADS-Manager Stefan Zoller und dem inzwischen abgesägten Staatssekretär August Hanning zustande. Angeblich beziffern sich die Projektkosten auf 7,6 Millionen Euro. Laut dem Magazin "Stern" klagen Beamte der Bundespolizei darüber, "quasi als Subunternehmer von EADS angesehen" zu werden.

Ausbildungsbüros auch in Grenznähe

Während die Bundeswehr im konkreten Flugbetrieb ausbildet, werden im Bereich des Grenzschutzes Führungskräfte "im Kooperativen Führungssystem" unterrichtet. Dabei gehe "ein Transfer rechtsstaatlicher Werte" einher, beschwichtigte die Bundesregierung auf weitere Nachfrage. Der Milliarden-Deal von EADS wird dort als das "exportwirtschaftliche Engagement eines Anbieters ziviler Sicherheitstechnik" heruntergespielt. Immerhin präzisiert der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Bergner, dass seit Februar 2009 "insgesamt 93 Trainingskurse mit 1 674 Teilnehmern" durchgeführt wurden. Die Bundespolizei habe hierfür ein Projektbüro in Riad bezogen, "das ständig mit zehn Beamten besetzt ist". In Grenznähe seien zwei "Außenstellen" der Bundespolizei eingerichtet, die "ständig mit je zwei Beamten" besetzt sind. Auch das Bundeskriminalamt hat einen ständigen Verbindungsbeamten in der Hauptstadt Riad stationiert.

Doch die hochgerüstete zivil-militärische Grenzsicherung in Saudi-Arabien dürfte nicht allein aus Drohnen, Radar und weiteren technischen Sensoren bestehen. In dem ähnlichen Projekt EUROSUR, das die Europäische Union an ihren Außengrenzen errichtet, ist auch Satellitenaufklärung eingebunden (Das Ende des "patrouillengestützten Ansatzes"). Hierfür baut die EU ein eigenes System unter dem Namen "Global Monitoring for Environment and Security" (GMES) auf, das aus sechs optischen und hochauflösenden, radarbasierten Satelliten besteht. Die Aufklärungsdaten können sowohl für den Klimaschutz als auch für Bedürfnisse von Polizei, Geheimdiensten und Militärs genutzt werden (Libyen-Krieg mit Satellitenaufklärung aus Neustrelitz).

Nach dem Vorbild des GMES-Projekts hat ein internationales Konsortium unter Federführung von Tochterfirmen des Rüstungsgiganten Finmeccanica bis 2010 auch in Saudi-Arabien eine Plattform zur Satellitenüberwachung errichtet. Angeblich sollen keine Militärs, Geheimdienste, Grenzschützer oder Polizisten auf die Bilder aus dem All zugreifen: Laut der Projektleitung handele es sich beim saudischen Satellite based Environmental Monitoring angeblich nur um eine "Umweltbeobachtung" (Grenzschutz mit Satellitenüberwachung).

Matthias Monroy