Deutschlands Zukunft ohne Bauern? Landwirte zwischen Wettbewerb und Klima-Verträgen
Seite 2: Bauern warnen vor "falschen Schlüssen"
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- Bauern warnen vor "falschen Schlüssen"
- Fragwürdiges Vorbild: Neuseeland
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Seine hypothetischen Überlegungen zur Bauern-Frage beginnt besagter Podcast mit einer – wie sich herausstellen wird – etwas einseitigen Feststellung.
Eigentlich deute nämlich alles darauf hin, dass die Bauern keinen Grund zur Klage hätten. Dank einer "gestiegene(n) Produktion" und "Gewinne(n) in Milliardenhöhe" sei es um die deutsche Landwirtschaft doch verhältnismäßig gut bestellt, heißt es. Eine Feststellung, die aus Sicht mancher Bauern so jedoch gar nicht zutrifft.
Darunter etwa Anthony Lee, Sprecher des Vereins "Landwirtschaft verbindet Deutschland" (LsV). Der mittlerweile in zwei unabhängige Organisationen zerfallene Verein (siehe LsV-O) lief bereits 2019 bei den Traktor-Demonstrationen gegen schärfere Auflagen zum Insekten- und Umweltschutz Sturm, bekundete bei den Bauernprotesten 2022 seine Solidarität mit den Niederländern und beteiligt sich auch federführend an den derzeitigen Protesten gegen die Agrardiesel- und Kfz-Steuer-Kürzung.
Das Missverständnis über die hohen Produktionswerte
In einem Gespräch mit dem Kölner Philosophen Matthias Burchardt bezeichnet Lee den Verweis auf die hohen Produktionswerte der Bauern im vergangenen Jahr als Missverständnis.
Die Gewinne seien nicht etwa einem vermehrten Ertrag, sondern der Preisinflation durch die Ukraine-Krise und einem vorteilhaften Verhältnis zum damals noch günstigen Dünger zu verdanken.
Das vermeintliche Privileg der Bauern werde sich angesichts der nun drastisch gestiegenen Preise absehbar in sein Gegenteil verkehren, so Lee. Und es gibt noch einen weiteren Punkt.
Alarmierende Aussichten
Den schnitt der Präsident des Bauernverbandes Joachim Rukwied an, als er bei der Veröffentlichung des sogenannten Situationsberichts am 7. Dezember 2023 vor "falschen Schlüssen" warnte:
Nach wirtschaftlichen schwachen Jahren sei die Erholung der Betriebsergebnisse dringend notwendig gewesen, damit die Landwirte die gestiegenen Marktrisiken und auch die Klimarisiken bewältigen könnten.
Laut Rukwied wird die positive Entwicklung allerdings durch zwei Faktoren getrübt. Zum einen seien die Erzeugerpreise seit dem Jahreswechsel bei wichtigen pflanzlichen und tierischen Produkten wieder im Sinkflug.
Zum anderen hätten die Betriebe trotz der erheblich verbesserten wirtschaftlichen Lage deutlich weniger investiert.
"Gerade in der Tierhaltung geht der starke Strukturwandel unvermindert weiter und führt zum Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung", so der DBV-Präsident. Dass die Betriebe kaum in neue Ställe investieren, obwohl wichtige Zukunftsinvestitionen anstehen, nannte er "alarmierend".
agrarheute, 07.12.2023
Was die Kleinen machen sollten?
Auch wenn der Tagesschau-Podcast verpasst, auf diese Umstände einzugehen, werden auch kritische Punkte der modernen Landwirtschaftspolitik aufgegriffen. So gestehen die Moderatoren zu, dass es besonders die großen Betriebe seien, die von den Subventionen profitierten, da diese gemäß der landwirtschaftlichen Fläche zugeteilt würden.
Anfügen könnte man noch, dass jene großen Betriebe auch besser aufgestellt sind, die bürokratischen Vorgaben arbeitsteilig an entsprechende Fachkräfte auszulagern.
Das Fazit des Tagesschau-Podcasts: Die Kleinen müssen sich entweder "umorientieren", zum Beispiel in Richtung Tourismus, oder einen hochpreisigen Nischenmarkt besetzen, wie etwa den für Bio-Fleisch. Denn letztendlich, so die Suggestion, sei es die kompromisslose Preispolitik der großen Discounter, die die Arbeit der Landwirte entwerte. Das ist nicht falsch.
Aber auch hier greift die Darstellung zu kurz. Denn was bei den sogenannten Dumping-Preisen ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt, ist der internationale Markt.