Die 20-Prozent-Macher: Die fatale Allianz der Extremen Mitte mit der AfD

Seite 2: Die sozialen "Schmarotzer"

Währenddessen werden auch Deutsche am unteren gesellschaftlichen Rand diskreditiert, um den Frust der darüber liegenden Gruppen, insbesondere der Mittelschichten, dorthin abzuleiten (und eben nicht nach oben, zu den Frustverursachern). So wurden Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger von Journalisten und Politikern als "Schmarotzer" und "Arbeitsunwillige" diskreditiert, um die Hartz-IV-Reformen und den Abbau des Sozialstaats gegen die Widerstände in der Bevölkerung durchzusetzen. Wie Umfragen zeigen, waren Mehrheiten gegen sie und wollten eine andere, solidarische Modernisierung.

Und während heute die Multimillionäre und Milliardäre im Land kaum noch vor Vermögen, Besitz und Anlage-Portfolios laufen können, wird ihnen weiteres Geld in die Taschen gestopft, während bei denen, die Unterstützung vom Staat erhalten müssen, um sich über Wasser zu halten (wegen fehlender Jobs, zu geringer Entlohnung oder den galoppierenden Mieten und Preisen), jeder Euro umgedreht wird.

So streiten die politischen Meinungsmacher über zu viel "Bürgergeld" für die Armen (bei einem Satz von 563 Euro für Alleinstehende), wobei die Anpassung kaum die Inflation ausglich, nicht jedoch über das kontinuierliche Pampern von Millionären und Milliardären.

Sündenbock "Öko-Terroristen"

Die Extreme Mitte verbreitet dabei weiter den Mythos, dass im Grunde alles in Ordnung sei und ein paar Heftpflaster hier und da ausreichten: ein Euro mehr Mindestlohn zum Beispiel – der nicht mehr als die Inflation ausgleichen würde und oft von Unternehmen ohnehin untergraben wird.

Wer jedoch an die extremen Gehälter und Vermögen, an die Kapitalerträge von Investoren und Unternehmen (oft in Steuersümpfen geparkt) will, wird entweder mit Ignoranz bestraft (siehe die linken Forderungen im Bundestag) oder mit wirtschaftlichen Untergangsszenarien angegriffen.

Und noch eine weitere Gruppe wurde zur Zielscheibe des politischen Establishments. Politiker und Journalisten befeuern toxische Narrative bei Klimaschutz. Um die fossilen Lobbys zu beschwichtigen und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu verlangsamen, sabotiert das Establishment (bzw. gewichtige Teile davon) die Energiewende, prangert Forderungen nach Sofortmaßnahmen an, diskreditiert Demonstrierende als "Öko-Terroristen" und stellt den Klimaschutz als wirtschaftliche Belastung sowie als Bedrohung für den Wohlstand insbesondere der unteren und mittleren Schichten dar. Gleichzeitig werden Windräder, Solarmodule und Elektroautos in Kulturkämpfe hineingezogen.

Das hat es der AfD und rechten Kräften leicht gemacht, Klimapolitik als Elitenprojekt darzustellen und sich selbst als Beschützer der einfachen Leute vor den Belastungen und Kosten der Energiewende. Das gleiche könnte man zeigen für die "Wokeness"-Debatte – ausufernde Gefechte um Gendersternchen oder Transsexualität, die von konservativen Schichten der Extremen Mitte gepuscht wurden, während die dadurch angefachten Abwehrreaktionen in der Bevölkerung von der extremen Rechten für Kampagnen genutzt werden konnten.

Warum die Linke (bisher) nicht profitiert

Die "politische Mitte" hat eine extreme gesellschaftliche Situation geschaffen, von der in Deutschland nur die AfD profitiert. Ihr Aufstieg ist eng verbunden mit dem politischen Versagen und Frustableitungen auf Schwächere des Establishments, dessen Vertreter dann Krokodilstränen über den Zuspruch für die AfD vergießen. Das gleiche gilt für andere europäische Länder und die USA.

Bleibt die Frage, warum linke Politikangebote nicht wie rechtsextreme die Lücke ausfüllen konnten, die die Extreme Mitte erzeugte – wobei das überraschende Wahlergebnis der Linken am Sonntag zeigt, dass das nicht so bleiben muss.

Sicherlich wurden in linken Parteien Fehler begangen. Aber der eigentliche Grund liegt an anderer Stelle. Denn die Extreme Mitte bot den Rechten über Jahrzehnte etwas an, was sie den Linken bis heute verwehrt: Mobilisierungsplattformen für ihre Politikangebote.

Während AfD-Themen wie die Bedrohung durch Flüchtlinge, eine die Bürger drangsalierende Energiewende und volkserziehende Wokeness über Jahrzehnte die Medien fluteten, wurde ein Debatte über progressive Maßnahmen, die die sozialen Ursachen des Frusts beheben, unterdrückt.

Hohle Versprechen statt Abbau Ungleichheit

Während Asylrecht und das Abschottungsregime zunehmend verschärft werden und man die Energiewende blockiert, wartet man weiter auf die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Verschärfung der Erbschaftssteuer für Hyperreiche, eine Schließung von Steuerschlupflöchern sowie Steuersümpfen, den Abbau zerstörerischer Subventionen, die Regulierung der Finanzindustrie oder eine Wiederbelebung der Sozialstaats.

Wenn überhaupt werden die Deutschen mit vagen Versprechungen und Täuschungen, wie der Sozialforscher Christoph Butterwegge auf Telepolis eindringlich gezeigt hat, vor den Wahlen vertröstet. Danach werden die populären Ideen auf Wiedervorlage gelegt oder nicht ernsthaft angegangen.

Dem progressiv ausgerichteten Politikklima, wie es einmal Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre zumindest in Ansätzen vorhanden war, ist der Sauerstoff seitdem systematisch entzogen worden. Darüber könnte man lange diskutieren.

Solange aber der Abbau der Ungleichheit und der Missstände nicht ganz oben auf die politische Tagesordnung gesetzt, sondern weiter von der Extremen Mitte rechter Kulturkampf als Ablenkung betrieben wird, müssen rationale Antworten auf den Frust gegen einen mächtigen Strom anschwimmen. Zum Schaden der Republik, ihres Wohlstands und ihrer Stabilität.

Wie die Extreme Mitte durch die Verschärfung von Ungleichheit im Zuge der neoliberalen Wende in Deutschland an Attraktivität gewinnen konnte, darüber können Sie im ersten Teil der Analyse lesen.