Die Angst der Parteien vor dem Wahlvolk
Seite 2: Demokratie nach Gutsherrenart
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Auf Grundlage der gezielten Infragestellung der demokratischen Orientierung der Bürger sowie ihrer moralischen und geistigen Kapazitäten wird ihr Wählervotum delegitimiert.
So erscheint es sogar geboten, diese Stimmen wie auch die gewählten Repräsentanten möglichst zu neutralisieren, indem man sie aus politischen Entscheidungsprozessen herausdrängt und die Institutionen der Demokratie möglichst weitgehend vom politischen Einfluss der Bürger und ihrer Vertreter abschirmt.
Diese Strategie unterhöhlt jedoch die Demokratie, denn ihre fundamentalen Prinzipien werden der Beliebigkeit preisgegeben, wenn die Segnungen der Demokratie unter den würdigen und weniger würdigen Bürgern und entsprechenden Repräsentanten ungleich verteilt werden.
In diese Kategorie fällt die gerade von CDU und BSW durchgedrückte Geschäftsordnungsänderung zur Wahl des Landtagspräsidenten im frisch gewählten Thüringer Landtag. Die in der Geschäftsordnung des Landtages Thüringens verankerte Praxis, wonach die stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten stellt, wurde ausgehebelt.
Damit wird fortan der Einfluss AfD als weitaus stärkste Landtagsfraktion auf der administrativen und organisatorischen Ebene des Parlamentsbetriebes in Thüringen eingedämmt. Diesen Handstreich von CDU, BSW, SPD und Linken bestätigte höchstrichterlich der Verfassungsgerichtshof Thüringens.
In die gleiche Richtung geht die von den Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU angestrebte verfassungsrechtliche Absicherung des Bundesverfassungsgerichts.
Zentrale Strukturvorgaben, wie insbesondere die Bindungswirkung von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, Wahl sowie Regelungen zur Wahl der Verfassungsrichter, sollen vom einfachen Gesetzesrecht, das Veränderungen mit einfachen Mehrheiten erlaubt, auf die Ebene der Verfassung gehoben werden.
Indem Änderungen zukünftig nur mit gesetzgebender Zwei-Drittel-Mehrheit möglich sein sollen, wird das Verfassungsgericht noch stärker als bisher vom Wählereinfluss abgeschirmt und dessen Funktion als Wächter über die Politik zementiert. Denn dadurch würden politische Strömungen daran gehindert, mit einfacher Mehrheit in Ordnung und Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts einzugreifen.
Im gleichen Zug wird nun das Bundesverfassungsgericht jedoch politisiert. Denn mit den geplanten Änderungen soll sichergestellt werden, dass auf politisch starke Minderheiten, die mehr als ein Drittel der Wähler repräsentieren, bei der Wahl der Verfassungsrichter zukünftig keinerlei Rücksicht genommen werden muss.
Um dies zu gewährleisten, werden nun gesetzliche Strukturen geschaffen, sodass das Recht zur Wahl der Verfassungsrichter vom Bundestag auf den Bundesrat und auf dem umgekehrten Weg übergeht, sofern in einem dieser Wahlorgane bei der Richterwahl nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht wird.
So sichern sich CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne, für den Fall, dass sie in einem der beiden Wahlorgane die gemeinsame Zwei-Drittel-Mehrheit verlieren sollten, sodass sie auch weiterhin alleine bestimmen zu können, wer Richter am Bundesverfassungsgericht wird.
Demokratie in Gefahr
Indem man die von ihren Wählern gewählten Repräsentanten daran hindert, jeglichen Einfluss in den demokratischen Institutionen zu erlangen, revidiert man die Ergebnisse demokratischer Wahlen.
Den Befürwortern dieser Abschirmung demokratischer Institutionen vor dem Einfluss populistischer Strömungen kommt jedoch nie in den Sinn, dass die Anwendung undemokratischer Methoden, mittels derer die Ergebnisse demokratisch abgehaltener Wahlen negiert werden sollen, eine Gefahr für die Demokratie an sich ist.
Die inzwischen erreichte Stigmatisierung und Verunglimpfung weiter Teile der vor allem ostdeutschen Wählerschaft als rechtsextrem und antidemokratisch, und der von ihnen gewählten Repräsentanten als Nazis und Antidemokraten, denen man perfide Ausnutzung der Meinungsfreiheit zu gezielter Desinformation sowie die Verbreitung von Hass und Hetze vorhält, hat dazu geführt, dass die Wähler kaum noch als Souverän und Träger der Demokratie betrachtet werden.
Stattdessen gelten sie selbst und demokratische Wahlen eher als Risiko und Gefahr für die Demokratie, die es notfalls mit undemokratischen Methoden einzudämmen gilt. Es ist richtig: In Deutschland ist die Demokratie massiv unter Druck und in Gefahr. Diese Gefahr geht jedoch nicht von den Wählern aus, sondern von denjenigen, die dem politischen Druck der Wähler ausweichen, indem sie ihnen jeglichen demokratischen Einfluss verwehren.
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