"Die Folgen werden katastrophal sein"
Energie- und Klimawochenschau: Von harschen Warnungen, ausgebrannten Forstleuten, Rassismus bei Tesla und Münchens Bombenstoff
Anfang letzter Woche hat der sogenannte Weltklimarat, der IPCC, einen neuen Bericht veröffentlicht, der alle Alarmglocken hätte schrillen lassen sollen. Soll noch Schlimmeres verhindert werden, muss sofort mit der drastischen Verminderung der Treibhausgasemissionen begonnen werden.
Doch diese steigen munter weiter, und den hiesigen Medien waren die alarmierenden Nachrichten der Wissenschaftler kaum mehr als eine Randnotiz wert. Auch die aufrüttelnde Rede des UN-Generalsekretärs António Guterres, die dieser aus Anlass der Veröffentlichung des Berichts hielt, fand kaum Beachtung.
Die Wiener Wochenzeitung Falter hat Guterres Anklage nun ins Deutsche übertragen. Eine wirklich lohnende Lektüre:
Wir befinden uns auf der Überholspur zur Klimakatastrophe: Große Städte unter Wasser. Noch nie dagewesene Hitzewellen. Schreckliche Stürme. Weit verbreitete Wasserknappheit. Das Aussterben von einer Million Pflanzen- und Tierarten.
Dies ist keine Fiktion oder Übertreibung. Die Wissenschaft sagt uns, dass dies das Ergebnis unserer derzeitigen Energiepolitik sein wird. Wir steuern auf eine globale Erwärmung zu, die mehr als doppelt so hoch ist wie die 1,5-Grad-Grenze, die in Paris vereinbart wurde.
Einige Regierungschefs und Wirtschaftsgrößen sagen das eine – aber tun das Gegenteil. Kurz gesagt: Sie lügen. Die Folgen werden katastrophal sein.
António Guterres, UN-Generalsekretär
Regierungen und Unternehmen, die hohe Emissionen verursachen, würden sich nicht nur blind stellen, sondern auch noch das Feuer weiter anheizen. Zu den derart hart angegangenen gehört übrigens auch die Bundesregierung.
Deutschland hat 2021 762 Millionen Tonnen Kohlendioxid und andere Treibhausgase (ausgedrückt in CO2-Äquivalenten) ausgestoßen, gut neun Tonnen pro Einwohner. Die Pro-Kopf-Emissionen Chinas liegen hingegen bei etwa 7,3 Tonnen pro Jahr, die Indiens noch unter zwei und die Bangladeschs bei 0,5 Tonnen pro Jahr.
Deutschland lebt also – wie der größere Teil der westlichen Welt und einige andere Länder wie zum Beispiel Russland – noch immer auf Kosten des Rests der Welt, aber die Berliner Ampelkoalition hat sich nicht einmal eindeutig auf einen Kohleausstieg bis 2030 festlegen können. Auch ist sie selbst jetzt nicht, da sie sich angeblich unabhängig von russischem Gas und Öl machen will, nicht in der Lage den Treibstoffverbrauch durch Tempolimits zu verringern.
Da nützt es auch nichts, dass diese nun wirklich einfach und schnell einzuführen wären. Nebenbei hätten sie auch noch einige erfreuliche Nebeneffekte, wie weniger Unfallopfer und weniger Schadstoffausstoß.
Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) könnten die Treibhausgas-Emissionen um jährlich zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert werden, wenn es auf den Autobahnen ein generelles Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde gäbe. Tempo 130 würde noch 1,5 Millionen Tonnen Emissionen einsparen und Tempo gar 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr.
Mehr Forstleute
Auch hierzulande macht sich der Klimawandel längst schmerzlich bemerkbar und vermittelt und eine erste Idee von der großen Klimakrise, vor der der UN-Generalsekretär so eindringlich warnt und auf die der Planet zusteuert.
Eines der offensichtlichen Zeichen – zumindest für jene, die hin und wieder die Stadt verlassen und übers Land fahren – ist der erbarmungswürdige Zustand der Wälder.
Denen hat die Trockenheit der vergangenen Jahre arg zugesetzt, und den in den Wäldern beschäftigten Forstleuten ebenso. Die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Schleswig-Holstein Nord weist darauf hin, dass viele von ihnen erheblich überlastet sind.
In einer bundesweiten Umfrage hätten neun von zehn Befragten angegeben, dass es im jeweiligen Betrieb nicht genügend Mitarbeiter gebe, um die anfallende Arbeit zu schaffen. 70 Prozent der Befragten hätten berichtet, durch die Arbeit "emotional ausgelaugt" zu sein.
Rund 11.000 zusätzliche Forstleute sind nach Einschätzung der Gewerkschaft derzeit notwendig, um die aktuellen Aufgaben zu bewältigen. Hinzu komme, dass ein großer Teil der Beschäftigten in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheidet, ohne dass ausreichend Nachwuchskräfte in Sicht seien.
Entsprechend fordert die IG BAU mehr Ausbildung und die Übernahme aller Ausgebildeten nach der Lehre. Mehr Beschäftigte seien nicht nur für das Aufräumen der Folgen von Stürmen, Schädlingen und Trockenheit nötig, sondern auch für den Umbau der Wälder, die an die veränderten Klimabedingungen angepasst werden müssen.
Im Wald spiele sich seit Jahren ein "regelrechtes Drama" ab. "An den Bäumen zeigt sich schon jetzt, welche Folgen extreme Wetterereignisse und damit der Klimawandel haben", so der IG-BAU-Bezirksvorsitzende Arno Carstensen.
Allein in Schleswig-Holstein, dem waldärmsten unter den Flächenländern, hätten 2020 rund 118.000 Kubikmeter Schadholz aus den Wäldern geholt werden müssen. 68 Prozent der Schäden seien auf Nadelhölzer wie Fichten und Kiefern entfallen, die besonders anfällig für Hitze und Insektenbefall seien.
Mehr Dürre
Mit extremer Trockenheit hat derzeit auch Norditalien zu kämpfen. Seit dem Dezember hat es praktisch keinen Niederschlag in der Region gegeben, heißt es auf der Wissenschaftsplattform der EU. Nur 35 Prozent des Durchschnitts der Jahre 1991 bis 2020 seien gefallen.
Betroffen ist auch der Süden der Schweiz und die angrenzenden Regionen der Alpen. Derzeit liegt dort erheblich weniger Schnee als normal. Für die kommenden Monate bedeutet das weniger Schmelzwasser, was zusammen mit den Aussichten auf anhaltende Niederschlagsdefizite wenig Gutes für die Landwirtschaft verheißt.
Noch sei den Winterpflanzen wenig anzusehen, aber die Bodenfeuchtigkeit sei bereits viel zu niedrig und für die Aussaat werde unbedingt Regen benötigt. In ausgetrockneter Erde kann die Saat nämlich nicht aufgehen. Im Po-Delta sei zu befürchten, dass Meerwasser aufgrund des niedrigen Wasserstandes eindringen und Ackerböden versalzen könnte.
Auch zeichnet sich ab, dass erheblich weniger Wasser für die Bewässerung zur Verfügung stehen wird. Schon jetzt zeichnen sich Nutzungskonflikte ab. Die norditalienischen Stauseen befänden sich bereits auf dem niedrigsten Stand seit mindestens 1970, was unter anderem auch für die Stromproduktion ein Problem ist und die Strompreise zusätzlich in die Höhe treibt.
Mehr Versagen
Die Daten für den Dürre-Bericht stammen übrigens von den Meteorologen des Copernikus Emergency Management Service. Deren Job besteht darin, die Satelliten- und Wetterdaten sowie die Vorhersagen des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen auszuwerten und gegebenenfalls frühzeitig vor Problemen, Unwettern und ähnlichem zu warnen.
So geschah es übrigens auch im Juni und Juli 2021 vor dem Hochwasser an der Ahr und im Rheinland. Doch die deutschen Behörden waren offensichtlich nicht vorbereitet. Wenn es etablierte Meldeketten, Warnsysteme, Verantwortlichkeiten, Katastrophenschutzpläne und Ähnliches überhaupt gab, so haben sie auf breiter Front versagt.
Die Vorgänge werden derzeit in zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aufgearbeitet. Letzte Woche ging in diesem Zusammenhang ein mediales Gewitter – Telepolis berichtete – über die seinerzeitige rheinland-pfälzische Landesumweltministerin Anne Spiegel (Grüne) nieder, die Anfang der Woche als Bundesfamilienministerin zurücktrat.
Aber man sollte sich wünschen, dass auch ihre männlichen, liberalen und christdemokratischen Kollegen in Düsseldorf einer ähnlich rigorosen Kritik für ihr Totalversagen und ihrem Gefeixe an Unglücksorten unterzogen und zum Rücktritt gedrängt würden.
Mehr Klagen
Die Los Angeles Times berichtet von einer hierzulande weniger bekannten Seite des Unternehmens Tesla. Es hat demnach ein enormes Rassismus-Problem.
Schwarze Mitarbeiter würden entlassen, wenn sie sich über Beschimpfungen als "Neger und Affen" beklagen und ihnen würden oft die unangenehmsten Arbeiten zugewiesen. Schwarze würden von den übrigen Mitarbeitern getrennt eingesetzt und ihnen würde oft die Beförderung verweigert.
Auch gibt es Klagen über 12-Stunden-Schichten an sechs bis sieben Tagen in der Woche. Die kalifornische Behörde für faire Beschäftigung und Mietverhältnisse hat nun im Namen von 4.000 Beschäftigten ein Verfahren gegen Tesla gestartet. Es soll das größte seiner Art in der Geschichte des Bundesstaates sein.
Mehr Bombenstoff
Bereits Ende März, aber immer noch berichtenswert, wurde eine Vereinbarung zwischen der alten Bundesregierung und der bayerischen Landesregierung über den Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München bekannt, die es in sich hat.
Der Reaktor wird mit hoch angereichertem Uran betrieben, einem Stoff, mit dem sich im Prinzip auch Atombomben bauen lassen. Andere Länder wie Iran oder Nordkorea werden vom Westen massiv unter Druck gesetzt, wenn sie mit hoch angereichertem Uran hantieren.
In Deutschland soll diese Praxis eigentlich auslaufen, doch die nun vom Umweltinstitut München veröffentlichte, bereits aus dem Dezember 2020 datierende Vereinbarung sehe vor, dass die Umrüstung der Anlage auf die Nutzung niedriger angereichertes Uran beliebig hinausgezögert werden kann, so die bayerischen Umweltschützer.
Die Vereinbarung erlaube den Weiterbetrieb der Anlage, ohne einen verbindlichen Umrüstungstermin zu nennen, kritisiert der BUND Naturschutz in Bayern.
Die Technische Universität München habe für den Betrieb des Forschungsreaktors mit hoch angereichertem Uran nur bis 2010 eine Erlaubnis gehabt. Seitdem versuche die TU, die Umrüstung zu verzögern. Man habe den Eindruck, die beteiligten Ministerien und die TU würden gemeinsame Sache machen und keiner von beiden habe ernsthaft Interesse, die atomrechtlichen Bestimmungen umzusetzen.
Mehr Sonne
Vieles wäre noch zu berichten. Zum Beispiel über die netten kleinen Zusatzgewinne der Ölkonzerne oder manchem mehr. Aber zu guter Letzt nach all dem wenig Erfreulichen noch die gute Nachricht der Woche.
Der Ausbau von Sonne, Wind & Co. mag hierzulande noch immer verhalten sein – insbesondere die Windindustrie schwächelt weiter –, im globalen Maßstab geht es aber weiter voran. Irena, die Internationale Agentur für Erneuerbare Energieträger, meldet für 2021 einen Anstieg der Leistung der Erneuerbaren um 9,1 Prozent.
Ende des Jahres seien 3.064 Gigawatt (GW) am Netz gewesen. Der größere Teil davon, rund 1200 GW, waren Wasserkraftwerke, doch der Zubau erfolgt vor allem bei Wind und Sonne, die zusammen für 88 Prozent der zusätzlichen Leistung verantwortlich waren.
Am fleißigsten bei der Expansion der sauberen Energieträger war Asien, allen voran China, und am stärksten war der Zubau bei den Solaranlagen, deren Leistung fast um ein Fünftel auf rund 830 GW zunahm.
Selbst in Deutschland wurden 2021 über fünf GW in neuen Solaranlagen ans Netz gebracht. Was rechnerisch – Ausbau von Speichertechnologien und Flexibilisierung der Nachfrage vorausgesetzt – mehrere der kleineren Kohlekraftwerke ersetzen könnte.
Um aber Deutschlands in Paris 2015 eingegangene Verpflichtungen erfüllen zu können, müssten noch ein paar Schippen drauf gelegt werden. Mal schauen, ob das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung noch im Bundestag verbessert wird und tatsächlich den Turbo-Gang einlegt.