Die Ohnmacht des US-Präsidenten
Die USA werden von einer unantastbaren Allianz beherrscht, die mit allen Mitteln die amerikanische Machtposition sichern will
Es sind nur ein paar ganz einfache Fragen:
- Warum hat der amtierende Präsident der USA über nunmehr fünf Jahre nicht geschafft, sein mehrfach erneuertes Versprechen einzulösen, dass er das unrechtmäßige Lager Guantanomo schließen werde?
- Warum hat die republikanische Partei als ihren jüngsten Kandidaten für das Präsidentenamt einen Akteur der klassischen weißen Wirtschaftselite bestimmt?
- Warum setzen die USA alle erdenklichen technischen Möglichkeiten und viel Personal ein, um möglichst weltweit jegliche Kommunikation zu überwachen?
- Warum lässt sich die junge weiße Digitalelite dazu bewegen, mit ihren großen, global aktiven Internetfirmen an der Überwachung mitzuwirken?
- Warum fliegen in mehreren Weltregionen unbemannte Flugapparate, die auf Knopfdruck aus den USA Raketen abfeuern, die Menschen auf dem Boden töten?
Wer diese Fragen stellt und reflektiert, wird rasch bei einer einzigen Antwort landen, die tagtäglich zunehmende Untermauerung erfährt.
Es muss in den USA eine Allianz geben, eine unantastbare Allianz, die grob gesehen aus zwei Säulen besteht.
Deren eine ist die Kommandospitze einer "Sicherheitsstruktur", die über die Machtmittel wie Geheimdienste, Militär, Staatsapparat gebietet. Sie muss mächtiger sein als der Präsident - und die Schließung von Guantanamo schlicht verweigert haben. Lediglich einige kosmetische Maßnahmen wurden zugelassen. Sie muss sich oberhalb von Verfassung und Gesetzen, demokratischen Strukturen und internationalen Abkommen sehen und muss sich weitestgehende, vielleicht vollkommen freie Hand verschafft und/oder gesichert haben.
Ihr Ziel kann nur sein, die bisherige politische Macht der USA mit allen Mitteln zu erhalten. Die globale Überwachung hat ja nicht den Sinn, dass irgendein Spion mitschneidet, was ich oder Sie mit irgendjemand anders austauschen. Vielmehr liegt der Sinn darin, das, was an Informationen und Daten durch die Überwachung "eingespielt" worden ist, im entscheidenden Moment für amerikanische Interessen nutzen und verwenden zu können.
Was die derzeit errichteten neuen Anlagen der NSA an Kapazitäten aufweisen werden, ist ausreichend, um die gesamt erreichbare globale Kommunikation der nächsten Jahrzehnte speichern und vor allem auswerten zu können. Und dass aus heiterem Himmel auf Knopfdruck Menschen umgebracht werden, ist der sichtbarste Ausdruck, wie die vielerlei Machtmittel eingesetzt werden.
Deren andere Säule ist die weiße Wirtschaftselite, die nunmehr aus zwei Gruppen besteht. Diejenigen, die Mitt Romney als Präsidenten haben wollten, stehen für die klassische weiße Ostküstenelite - die ihre traditionell starke wirtschaftliche Position direkt in politische Macht umgesetzt sehen wollen. Zu ihrem unmittelbaren eigenen Vorteil, versteht sich.
Der andere Teil ist die junge weiße Digitalelite, deren Internetfirmen global aktiv sind. Sie mag nur widerwillig kooperieren, denn sie verdient ihr Geld überall in der Welt - aber nur, wenn ihr die Nutzer außerhalb der USA vertrauen. Zum anderen aber weiß sie, welch große Knüppel ihr die "Sicherheitsstruktur" zwischen die Beine werfen kann. Lavabit ist ein eindrückliches Beispiel. Aus diesem Zwiespalt erklärt sich das Lavieren all der Netzgiganten.
Eines muss dem Rest der Welt jedoch klar sein: Wenn es darauf ankommt, werden all US-basierten Firmen das tun, was die "Sicherheitsstruktur" von ihnen verlangt - oder sie werden ihren Betrieb einstellen müssen.
All diese Kräfte bilden eine Allianz, die einem einzigen Ziel folgt. Die Machtposition, die die USA seit Jahrzehnten einnehmen, zu behaupten und in die absehbare Zukunft zu entwickeln - gegen alle Anfechtungen, gegen alle Bedrohungen, gegen alle Konkurrenten. Und die neue Qualität darin ist, dass dies mit allen Mitteln erfolgt. Sei es bloße Überwachung, sei es Einschüchterung auf individueller, kollektiver, staatlicher wie globaler Ebene, sei es Wirtschaftsspionage, sei es gezieltes Töten ohne Gerichtsurteil. Noch nicht einmal der Anschein demokratischer oder gerichtlicher Kontrolle wird dem Einsatz all der Machtmittel umgehängt.
Wer jetzt ruft "Antiamerikanismus!" - ja, der hat Recht. Allein, der Antiamerikanismus liegt nicht bei den Kritikern, sondern wird von dieser US-Politik hervorgerufen. Dass das amerikanische Volk in seiner Post-9/11-Irritation dies zulässt, ist eine der großen Tragödien der Gegenwart. Leider ist kein Aufbäumen abzusehen, das dieser Politik Einhalt gebieten könnte.
Nur eine Fußnote: Wenn wir vor diesem Hintergrund das Drama Ägyptens betrachten, ist völlig einleuchtend, dass die USA eine vom Militär erzwungene und bewahrte Friedhofsruhe vorziehen. Ein fortwährendes politisches Tauziehen zwischen Muslimbrüdern und liberalen Kräften wäre viel zu unberechenbar. Lesen Sie die Stellungnahmen aus Washington,
Eine weitere Fußnote: Eine Bundesregierung, die die Tragweite dieser Entwicklungen nicht erkennt und anerkennt, die die EU verwanzen und sich selbst ausforschen lässt, die darüber zur Tagesordnung übergeht - eine solche Regierung braucht niemand. Kann es wirklich sein, dass sie erst aufwachen wird, wenn US-Drohnen über Deutschland kreisen?