Die Revolution der orangen Kommunisten

Die Parlamentswahl in der Republik Moldau hat die politische Situation des Landes grundlegend verändert, obwohl die Regierung wiedergewählt wurde

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Wenn man vor ein paar Jahren abends über den Boulevard Stefan cel Mare lief, musste man sich vorsehen. Die Straßenbeleuchtung war wegen der hohen Energiekosten abgeschaltet und immer wieder wurden die Gullideckel gestohlen, eingeschmolzen und als etwas anderes verkauft. Viele Menschen sind einfach in den Löchern verschwunden. So erzählen es die Anwohner Chisinaus, der Hauptstadt der Republik Moldau.

Heute bleibt das Licht nachts an und unsicher braucht man sich auch als einer der wenigen Touristen nicht mehr zu fühlen. Heute wehen orangene Fähnchen an vielen Autos, die wie in der Ukraine oder Georgien als Zeichen der Opposition den politischen Wandel symbolisieren sollten. Dieser Wandel wird nun aber von der regierenden Kommunistischen Partei der Republik Moldau (KPRM) vollzogen werden müssen, die mit 46% der Stimmen wieder als stärkste Kraft in das Parlament kommt. Der von Russland unterstützte Demokratische Wahlblock erreichte 29 %, die Christlich Demokratische Volkspartei nur 9 %.

Moldawien, der ehemalige Wein-, Obst- und Zigarrenlieferant der Sowjetunion, wurde 1991 nach dem Zerfall der UdSSR unabhängig. Die Sowjets hatten großen Einfluss auf das Land von der Größe Nordrhein-Westfalens, das zu zwei Dritteln von ethnischen Rumänen, 14 Prozent Russen, zwölf Prozent Ukrainern und fünf Prozent Gagausen bewohnt wird. Zu Sowjetzeiten wurde der Rumänisch sprechenden Bevölkerung befohlen, ihre Sprache kyrillisch zu schreiben, so dass viele Moldawier die lateinischen Buchstaben nach der Befreiung erst wieder lernen mussten.

Opposition setzt auf Annäherung an die EU

Doch auch nach der Unabhängigkeit wollte die russische Führung die Kontrolle nicht ganz aufgeben. Die Konfliktregion Transnistrien im Osten des Landes kann sich vor allem wegen der Präsenz des russischen Militärs als eigene Republik halten. Obwohl international nicht als Staat anerkannt, ist die Transnistrische Moldauische Republik quasi unabhängig - mit eigener Währung, eigener Polizei und eigenem Steuersystem. Die hauptsächlich von Russen und Ukrainern bewohnte Region ist zugleich der wichtigste industrielle Standort Moldawiens. Dieser fehlt dem Land nun seit 1992, was dazu beiträgt, dass Moldawien das ärmste Land Europas ist. Ein Krieg mit Hunderten Toten auf beiden Seiten konnte den Konflikt nicht lösen und die russische Regierung zögert den Abzug der eigenen Truppen trotz anders lautender Verträge immer wieder hinaus.

Um so skurriler erscheint die Wiederwahl von Präsident Woronin, der 2001 die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hatte, die Annäherung an Russland werde die Republik wieder auf die Beine bringen. In der Tat hat die Kremlregierung einige Zugeständnisse gemacht und zum Beispiel Gaslieferungen vergünstigt. Der erhoffte Aufschwung blieb dennoch aus, sodass Moldawien ein Land mit einer gewaltigen Arbeitsmigration blieb. Etwa 600.000 der 4,5 Millionen Einwohner arbeiten (oft illegal) im europäischen und russischen Ausland. Gelder im Umfang von einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts, schicken sie ihren Familien nach Hause. Ohne diesen Geldfluss würde das Land noch bedeutend schlechter dastehen.

Die politische Opposition setzt seit Jahren auf eine Annäherung an die EU mit dem Fernziel Mitgliedschaft. Mittlerweile ist aber auch die Regierungspartei auf diesen Kurs eingeschwenkt und versucht damit eine Gratwanderung. Grund für diese Entwicklung ist die russische Haltung zu Moldawien. In der Duma hat man schnell gemerkt, dass die moldawischen Kommunisten nicht so linientreu sind wie erwartet. Vor allem das Scheitern einer von Russland gesteuerten Einigung im Transnistrienkonflikt Ende 2003 hat das Verhältnis gestört.

Während des Wahlkampfes haben russische Medien, die auch in Moldawien ausgestrahlt werden, Präsident Woronin als Übel für das Wohl des Landes dargestellt und dem Demokratischen Wahlblock besonders viel Raum für Statements gegeben. Außerdem drohte die Regierung mit einer Erhöhung der Gaspreise und der Verschärfung der Visabestimmungen für Moldawier. Ein Schlag in das Gesicht der Hunderttausenden Gastarbeiter.

Die moldawische Regierung kann es sich nicht leisten, den russischen Markt zu verlieren. Die Unterwürfigkeit hat sie aber abgelegt. Nach dem Sieg der Opposition in der Ukraine hofft man zunächst dort auf eine bessere Zusammenarbeit. Schon gibt es erste gemeinsame Treffen und einen Beschluss der neuen ukrainischen Regierung, Waren aus Transnistrien nur noch ins Land zu lassen, wenn sie einen moldawischen Zollnachweis haben. Damit möchte man die Krisenregion als Hort für illegalen Waffenhandel entschärfen und das Gebiet wirtschaftlich sanktionieren.

Das Land droht zwischen Russland und Europa zerrieben zu werden

Der Kurswechsel war vermutlich ausschlaggebend für die Wiederwahl der Kommunisten. Die im Ausland illegal arbeitenden Moldawier haben daran sicher auch einen großen Anteil, machen sie doch einen großen Teil der Wahlberechtigten aus und nahmen nicht an der Wahl teil. Traditionell geben vor allem ältere Menschen der kommunistische Partei ihre Stimme.

Zudem wurde der Opposition der Wahlkampf im eigenen Land nicht leicht gemacht. Der größte Teil der Medien ist staatlich beeinflusst, was eine Überpräsenz der KPRM zur Folge hatte. Vor allem die Christlich Demokratische Volkspartei sah sich zahlreichen Diffamierungskampagnen ausgesetzt. Dennoch geht man von einer für GUS-Staaten relativ fairen Wahl aus, die etwa 800 internationalen Wahlbeobachter berichteten nur vereinzelt von Unstimmigkeiten. Die Oppositionsvertreter wurden zu TV-Diskussionen eingeladen und durften in der Hauptstadt für ihre Ziele demonstrieren. Auch für die Tage nach der Wahl waren Demonstrationen der Opposition genehmigt worden, fielen jedoch aus. Trotz der Mehrheit im Parlament ist eine Wiederwahl Voronins nicht sicher. Er benötigt 3/5 der Stimmen, fünf mehr als die Kommunisten selbst haben. Die beiden Oppositionsparteien haben eine Blockade angekündigt, eine Einigung kann aber sicher durch Zugeständnisse an die Opposition erreicht werden, seien sie politischer oder finanzieller Natur.

Es bleibt abzuwarten, wie weit sich die neue alte Regierung gegen den russischen Einfluss behaupten kann. Eine wichtige Rolle bei der Lösung des Transnistrien-Konflikts müsste jetzt die EU spielen. Sollte Rumänien 2007 Teil der EU werden, hätte man den Krisenherd direkt vor der Tür. Die illegale Migration und der Menschen- und Organhandel ist vielen westeuropäischen Ländern ein Dorn im Auge. Eine engere Zusammenarbeit mit dem Land wird zwar angestrebt, für den Konflikt scheinen sich die Europapolitiker dagegen nicht sonderlich zu interessieren oder wollen den russischen Partner nicht düpieren. Aus den USA kommen da andere Töne. Nach der Änderung der außenpolitischen Haltung zu Russland, stärkt die Bush-Administration seit Beginn ihrer zweiten Amtszeit vielen ehemaligen Sowjetstaaten zumindest rhetorisch den Rücken. Die EU-Komissarin für Außenbeziehungen Benita Ferrero-Waldner knüpft eine Zusammenarbeit an innenpolitische Reformen in der Republik.

Die Moldawier werden es auch mit dem neuen Kurs der Regierung schwer haben, den Anschluss an ihre europäischen Nachbarn zu finden. Vor allem die Migration ist für das Land wichtig und schädlich zugleich. Zu den wirtschaftlichen und politischen Effekten kommen die sozialen Probleme, die die Abwesenheit einer großen Bevölkerungsschicht zur Folge hat. Eine ganze Generation von Kindern wird zur Zeit nur von einem Elternteil oder der Verwandtschaft großgezogen. Die Armut treibt die moldawischen Frauen und Mädchen in die süd- und westeuropäischen Bordelle, viele werden in die reichen Länder Europas gegen ihren Willen verkauft. Das Land droht zwischen Russland und Europa zerrieben zu werden, sollte die EU weiterhin kein Interesse an der Annäherung zeigen und Russland die territoriale Integrität Moldawiens nicht zulassen und verlorenen Einfluss durch Sanktionen bestrafen.

Solange Bauch und Portemonnaie nicht gefüllt sind, verschwende er keinen Gedanken an Politik, erklärt ein Moldawier den Grund für sein Desinteresse an der Wahl. Mit fast 69% liegt die Wahlbeteiligung aber über dem europäischen Durchschnitt. Zumindest da hat man sich Europa schon angenähert. Die von der Opposition erklärte orangene Revolution in Moldawien liegt nun in den Händen der Regierung selbst.