Die Spaltung zwischen Klima- und Friedensbewegung muss überwunden werden!
Auch aus der Umweltbewegung wird ein Gasembargo gegen Russland gefordert. Mit US-Gas aus Fracking ist man gnädiger. Das schreit nach einer Debatte.
Bei vielen Aktionen der Ökologiebewegung erleben Aktive der Friedensbewegung derzeit Gegenwind von Klimaaktivisten: Sie sprechen sich für ein Gasembargo gegen Russland aus, weil der Aggressor Wladimir Putin mit Druck zu einem Ende des Krieges gezwungen werden soll. Die Fridays-for-Future-Website bringt es auf den Punkt:
Bei einem Ausstieg aus russischem Gas (…), haben wir die Gewissheit, eine Entscheidung getroffen zu haben, die Deutschland besser früher als später ohnehin dringend treffen muss und die es noch dazu wirtschaftlich und energiepolitisch auch tragen kann. Und darum müssen wir sofort raus aus russischem Gas.
Natürlich werde dieser Schritt uns stark strapazieren. Die Belastungen, die damit einhergehen, dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen und sie müssen unbedingt solidarisch geschultert werden.
Fridays-for-Future
Die sozialen Verwerfungen aufgrund der Energiepreisexplosion bleiben hier ausgeblendet. Es geht im Fridays-for-Future-Zitat nicht um den Ausstieg aus der Erdgaswirtschaft, sondern um den aus russischem Gas.
Das führt zu einem klassischen Fehlschluss, wenn nicht dazugesagt wird, dass Fracking-Gas aus den USA mit minus 163 Grad Celsius Minus über die Weltmeere geschifft wird und wie umweltschädlich Gewinnung und Transport sind.
Kein Wort auch darüber, dass die vom bündnisgrünen Vizekanzler Robert Habeck einbezogenen neuen Gaslieferanten in der Golfregion wie Katar den Jemen-Krieg befeuern, den die UNO als die schwerste humanitäre Krise weltweit bezeichnet.
Aktive der Friedensbewegung haben die doppelten Standards der Ampel-Parteien, der Nato und ihrer Lobby verschiedentlich kritisiert. Es kam in Einzelfällen vor, dass Abgeordnete aus den Koalitionsparteien darauf reagiert haben. Hier beispielhaft eine solche Reaktion, die mir vorliegt:
(…) Putins Versuch, die gewählte Regierung der Ukraine zu beseitigen und das Land zu erobern sind, das kann man so sagen, gescheitert. (…) Uns darf dieser Bruch der Friedensordnung auf dem europäischen Kontinent nicht gleichgültig sein. Daher ist für die Ampelkoalition nicht erst seit Bekanntwerden der russischen Kriegsverbrechen in Butscha und den gewaltsamen Zwangsumsiedlungen zehntausender Menschen nach Russland klar: Wir stehen an der Seite der Ukraine und unterstützen die Menschen mit humanitären Gütern und mit Waffen zur Verteidigung. Das erfolgt in enger Abstimmung mit den europäischen und internationalen Partnern.
Freilich unterstütze ich die Forderungen nach einem Ende des Krieges in der Ukraine und den Aufruf zu Verhandlungen. (…) Als demokratische Staaten in der EU und mit unseren Verbündeten, ist es unser Ziel, dafür zu sorgen, dass es die Ukraine noch gibt, wenn es zu Verhandlungen kommt. Deshalb muss der maximale Druck auf den Aggressor durch die gemeinsamen Sanktionen bestehen bleiben. Dadurch wird nicht die Eskalationsspirale weiter angetrieben, sondern Russland werden die Konsequenzen für einen unsäglichen völkerrechtswidrigen Krieg aufgezeigt. Dabei sind die Sanktionen zum überwältigenden Teil gegen den russischen Führungsapparat gerichtet. (…)
Auch ich wollte vor einem Jahr keine Aufrüstung, Ausrüstung ja. Einhundert Milliarden Euro in einen Sonderhaushalt ist auch die Antwort darauf, dass wir auch uns, unsere Art zu leben, unsere Freiheit, tatsächlich auch verteidigen können müssen. (…) Mit dem Zwei-Prozent-Ziel tue ich mich schwer. (…)
Ich bleibe in diesen Fragen auch in den nächsten Jahren eine kritische Begleiterin im Parlament, sehe nun schon die Notwendigkeit, dass sich die Demokratien weltweit auf andere, auf schwierigere Zeiten vorbereiten müssen. Das ist leider Teil der Zeitenwende von der Bundeskanzler Olaf Scholz gesprochen hat und das hat nicht alleine mit Russland zu tun, sondern mit weiteren außenpolitischen Entwicklungen in der Welt, wie etwa Taiwan oder den Konflikten im Nahen Osten. (…) Wir müssen der Ukraine Unterstützung bis zu einem gerechten Frieden zukommen lassen.
Wer hat (ausschließlich) Hand an die Friedensordnung Europas gelegt?
Darauf antwortete ich mit einem persönlichen Brief an die Bundestagsabgeordnete aus der Regierungskoalition, es gehe zunächst darum, dass die europäische Friedensordnung gebrochen wurde. "Das schreiben Sie ausschließlich Russland zu", erwiderte ich.
Demgegenüber hat Deutschland und mit ihm die Nato die Vorgabe aus dem Zwei-plus-vier-Vertrag zur Vereinigung Deutschlands gebrochen: Es geht laut Präambel um eine Friedensordnung, die die Sicherheitsinteressen "eines jeden" also auch Russlands und der Ukraine respektiert.
Die Nato-Osterweiterung bricht damit seit dem Ende der 1990er-Jahre. Dazu einer der Väter der deutschen Einheit, ohne den es unser Land in seiner heutigen Form nicht gäbe:
Russland hatte das volle Recht zu verlangen, dass die Gegenseite nicht nur getreu den Buchstaben, sondern im Geiste der damaligen Vereinbarungen handelt.
Doch das gegenseitige Vertrauen, das mit dem Ende des Kalten Krieges gewachsen war, wurde dann einige Jahre später schwer erschüttert – durch die Entscheidung der Nato, sich nach Osten auszudehnen. Und Russland konnte darauf keine Antwort finden.
Michael Gorbatschow: Was jetzt auf dem Spiel steht, München 2019, S. 14
Der letzte Satz hätte aufhorchen lassen müssen! Auch meine Gesprächspartnerin aus einer Fraktion der Regierungskoalition kennt vermutlich die konkreten Warnungen von George F. Kennan in diesem Kontext, die Wortmeldung von CIA-Chef William Burns, dem Sozialdemokraten Egon Bahr und anderen und die Aussage von Klaus von Dohnanyi, der zufolge Russland für den Krieg die Verantwortung trägt und die USA eine erhebliche Mitschuld an der Eskalation der Spannungen im Vorfeld, die zu ihm geführt haben.
Dies zu diagnostizieren bedeutet mitnichten eine Unterstützung des Kriege, schon weil er das Risiko einer Havarie in Kauf nimmt, das allerdings auch die Nato in Kauf nahm und nimmt: Im Mai 2014 beriet die Nato die damals illegale und seither mit Milliarden Waffenhilfe gestützte Regierung (damals noch eine "Übergangsregierung") im Umgang mit den Atomanlagen des Landes im Krieg. Das ist ein Selbstmord- und ein Himmelfahrtskommando, bar jeder Verantwortung und Vernunft. Bar jeden Gewissens.
Ein notwendiger Whatsaboutism zu Sanktionen und Menschenrechten
Der Aggressor, so schrieb die Abgeordnete, werde mit Sanktionen unter Druck gesetzt. Wie aber verhält es sich mit Saudi-Arabien und Katar, die im Jemen-Krieg eine unheilvolle Rolle spielen? Der Koalitionsvertrag der letzten Merkel-Regierung beinhaltete die nicht eingehaltene Vereinbarung, Staaten nicht zu unterstützen, die "direkt" in den Jemen-Krieg verwickelt sind. Deutlich wird hier zweierlei Maß gegenüber den einen und den anderen Kriegsschuldigen. Das ist das Gegenteil von Friedenspolitik.
Der 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds für die Bundeswehr beinhaltet auch einige Milliarden für F-35-Atombomber, deren einziger Zweck darin besteht, dass sie anders als die Eurofighter mit den nuklearen Arsenalen in Büchel den Atomkrieg exerzieren können.
So verteidigen wir unsere Art in Freiheit zu leben? Das ist der liebenswürdige Schein, der an John Lennons Zeilen aus Working Class Hero erinnert: "But first you must learn how to smile as you kill."
Sympathisch ist, dass meiner Mailpartnerin aus einer Regierungsfraktion die Aufwendung von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Nato schwerfallen. Sicherheitspolitik im Treibhaus Erde mit dem massenhaften Dahinraffen von Arten (Pflanzen und Tiere) kann nur Abrüstung und Ökologie bedeuten. Alles andere mündet im Gegenteil.
Mit den zwei Prozent wäre Deutschland der Staat mit der drittstärksten Armee der Welt. Die Regierungen der Welt geben offiziell laut Sipri jede Stunde über 120 Mio. US-Dollar für ihr Militär aus, was sich aus den 2,1 Billionen US-Dollar Jahresausgaben errechnen lässt.
Den damit verbunden Raubbau an Ressourcen und die damit verbundene Klimaschädigung beschleunigt das Tempo der Menschheit auf dem Weg zum Abgrund und über ihn hinaus.
Und wenn, gerade wenn man Verantwortung im Bundestag hat, nette Worte einflussreicher Weggefährtinnen und -gefährten auf den Weg in den Abgrund drängen, dann gibt es nur eins: Give peace a chance!