zurück zum Artikel

Die große "Repolonisierung"

Polens Rechtspopulisten wollen den Einfluss ausländischer Massenmedien beschneiden - und gehen auf Konfrontationskurs zu deutschen Konzernen. Drohen Nationalisierungen?

Geht es Deutschlands Mediengiganten in Polen bald an den Kragen? Eine Hexenjagd [1] sei derzeit östlich der Oder im Gange, titelte vor kurzem das Handelsblatt. Eine Hexenjagd auf deutsche Medienkonzerne, die ja bekanntlich die Essenz von Unschuld, Freiheit und Demokratie verkörperten.

Und wenn sich jemand im deutschen Medienzirkus mit Hexenjagden auskennt, dann ist es sicherlich Springerchef Mathias Döpfner - zuletzt haben ja seine Boulevardblätter ihre diesbezüglichen Kompetenzen während der G20-Proteste in Hamburg hinreichend unter Beweis gestellt, als Springerblätter in böser alter Tradition dem Polizeistaat eine breite Schneise freizuschreiben versuchten [2].

Man verfolge "die Debatte über die Medienpolitik in Polen sehr genau", zitierte das Handelsblatt Döpfner, doch sei in letzter Zeit die Rhetorik "der regierungsfreundlichen Medien und der Regierung sehr viel schärfer" gegenüber den deutschen Zeitungskonzernen geworden. "Dies mach uns Sorge", so der Springerchef: "Als langfristige Investoren in Polen haben wir immer die Ansicht vertreten, dass Polen, als ein souveräner Staat, die sozialen und ökonomischen Werte einer unabhängigen und vielfältigen Presse respektiert," deklarierte Döpfner während einer Telefonkonferenz, man könne nur hoffen, "dass dies in Zukunft auch so bleibt".

Somit sieht Döpfner plötzlich seine Meinungsprodukte in Polen selber an den Pranger von einer populistischen Regierung gestellt - um, ganz in Springer-Tradition, mit dieser Kampagne Stimmung zu machen für nationalistische und autoritäre Tendenzen. Tatsächlich bedienen sich Polens Rechtspopulisten offensichtlich derselben Methoden, wie sie die Springerpresse gerne seit Jahrzehnten einsetzt. Ironischerweise scheinen sich somit in den Propagandaabteilungen der polnischen Rechtspopulisten besonders viele, fleißige Springerschüler zu tummeln.

Herrn Döpfners Gefühl trügt somit nicht. Polens regierende Rechtspopulisten machen Ernst - sie wollen den Einfluss der deutschen Massenmedien in Polen radikal beschneiden, wobei es sich hier um eine weitere Phase des reaktionären und autoritären Umbaus des polnischen Staates handelt. Die öffentlich-rechtlichen Medien hat die PiS schon kurz nach der überraschenden Machtübernahme (aufgrund des knappen Ausscheidens der polnischen Sozialdemokraten aus dem Parlament reichten der PiS 37,5 Prozent für die absolute Mehrheit) auf stramm nationalistische Linie [3] gebracht.

Jaroslaw Kaczynski, der allmächtige Strippenzieher der polnischen Rechtsregierung, kündigte den Kampf gegen die privaten Massenmedien stilecht während eines Interviews mit dem katholischen Fernsehsender Trwam an, der zum Medienimperium des erzreaktionären Redemptoristen "Vater Rydzyk" gehört (Die Graue Eminenz [4]). Wenn es um "große Reformen" gehen, dann stehe nun vor der Regierung "die Frage der De-Konzentrierung der Medien". Hier werde es mit Sicherheit "sehr starken Widerstand geben", so Kaczynski.

Ins "erste Feuer" sollen hierbei "Verleger mit ausländischen Kapital" gehen, erläuterte [5] das Nachrichtenportal Pikio. Somit handelt es sich bei dem Vorgehen gegen ausländisches Kapital im Mediensektor nur um einen weiteren Schritt der Regierung zur politischen Kontrolle der Massenmedien, dem weitere Angriffe gegen polnische Medienkonzerne folgen dürften. Diese Taktik, bei der unpopuläre Maßnahmen zuerst auf "Ausländer" angewendet werden, bevor sie auch "Inländer" treffen, dürfte dem meisten Springerjournalisten aus eigener Anschauung bekannt sein (Siehe zuletzt die "Ausländermaut" [6]).

Eine Liste sei in Warschauer Regierungszirkeln im Umlauf, die vor allem deutsche Medienkonzerne umfasse. Hierzu gehört neben dem Axel Springer Verlag, die Verlagsgruppe Bauer Media, der Burda Verlag und die Polska Press der Verlagsgruppe Passau. Neben den deutschen Großverlagen sei auch der regierungskritische Nachrichtensender TVN 24 betroffen, der sich im Eigentum der US-Kapitalgruppe Scripps Networks Interactive befindet, meldete [7] die Gazeta Wyborcza.

Gegen die deutsche Dominanz

Tatsächlich konnte deutsches Kapital nach der Systemtransformation eine herausragende Stellung auf dem polnischen Medienmarkt erringen (Deutsch-Mittelost [8]). Der Springer Verlag [9] ist mit dem auflagenstärksten Boulevardblatt und Bild-Klon Fakt [10] dem populären Internatsportal Onet, der kaczynskikritischen Wochenzeitung Newsweek Polska [11] sowie dem Wirtschaftsblatt Forbes in Polen vertreten. Die Welt-Kopie Dziennik wurde schon vor längerer Zeit abgestoßen.

Während Springer, Burda und Bauer Polens Medienmarkt mit den üblichen Hochglanzmagazinen überfluteten, hat die Verlagsgruppe Passau eine erfolgreiche Spartenexpansion betrieben, mit der dieser mittelständische Verlag eine Monopolstellung in Polens Regionen erringen konnte. Nahezu alle polnischen Regionalblätter befinden sich bereits im Besitz der Passauer. 20 polnische Regionalzeitungen werden von der Polska Press [12] der Passauer kontrolliert. Die "Deutschen" würden somit nahezu 90 Prozent der Regionalmedien in Polen kontrollieren, meldeten [13] konservative polnische Portale schon 2013.

Inzwischen sind auch schon erste Details durchgesickert, wie Polens Rechtspopulisten diese starke Stellung deutschen Medienkapitals zu beschneiden gedenken. Nach der Sommerpause solle die PiS einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen, der die Anteile ausländischen Kapitals an polnischen Medien auf 15 Prozent beschränkt [14]. Das Handelsblatt sieht darin die Gefahr eine "Nationalisierung" der betreffenden Zeitungen, Fernsehstationen und Internetportale durch Polens Rechtspopulisten.

Ursprünglich berichtete das Handelsblatt davon, dass die Beschränkung "ausländischer Investitionen" an polnischen Medienhäusern auf 30 Prozent begrenzt werden sollte. Diese Gesetzgebung, die als ein "Demonopolisierungsgesetz" verkauft würde, sei "vorgeblich nach ähnlichen Regeln in anderen EU-Staaten, inklusive Deutschen und Frankreich", gestaltet worden, musste das Handelsblatt einräumen. Damit bemüht sich die PiS offensichtlich darum, ein ähnlich hermetisch abgeschotteten, nationalen "Meinungsmarkt" zu schaffen, wie er in Deutschland üblich ist - sie will die periphere Stellung ihres Landes als eines bloßen Marktplatzes ausländischer Medienkonzerne überwinden.

Vorbild Russland?

Die liberale polnische Gazeta Wyborcza sieht auch in Putins Russland - das eigentlich der polnischen Rechten verhasst ist - ein Vorbild für die angestrebte Medienreform der PiS. Eine Investitionsbeschränkung von 20 Prozent führte [15] der Kreml "2014 nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dem Beginn der Sanktionen gegen Russland" ein. Damals hätten sich der Axel Springer Verlag und CNN aus dem russischen Medienmarkt zurückgezogen, während kremltreue Oligarchen deren Marktanteile übernahmen. Die PiS strebte früher eine "Repolonisierung" der Massenmedien an, obwohl man in Regierungskreisen inzwischen dazu übergegangen sei, von einer "Demonopolisierung" des Medienmarktes zu sprechen.

Sobald ein ausländischer Investor mehr als die erlaubten 20 Prozent an einem Unternehmen hält, soll er künftig die überschüssigen Anteile an einen polnischen Käufer verkaufen müssen. Hier kämen Banken im Staatsbesitz oder die mehrheitlich staatlich kontrolliere Versicherungsgesellschaft PZU in Frage, berichtete die Wyborcza. Insbesondere die Passauer Verlagsgesellschaft könnte aufgrund ihrer monopolhaften Stellung auf dem Regionalmarkt dazu veranlasst werden, einen Großteil ihrer Anteile abzustoßen. Falle es gelinge, dass polnische Investoren diese Zeitungen erwerbten, dann hätte die PiS "einen kostbaren Propagandaerfolg" im kommenden Kommunalwahlkampf 2018 errungen, schlussfolgerte die Wyborcza.

Dass der Wind sich in Polen dreht, merkt man bei Springer Polska auch dort, wo es besonders weh tut: in den Bilanzen. "Regierungsnahe Unternehmen schalten keine Werbeanzeigen mehr in unseren Medien", klagte der Springer Manager Marc Walder gegenüber dem Handelsblatt. "Dies kostet uns Millionen". Deutsche Medienkonzerne würden schon einen Vorgeschmack auf ihren Status als "neue Ausgestoßene" in Polen erhalten.

Inzwischen hat Newsweek einen Artikel [16] über die geplante Medienreform der PiS auf der US-Homepage veröffentlicht, der offensichtlich den Druck auf Warschau auch seitens der USA erhöhen soll. Doch sind bei dem Gesetzesvorhaben der PiS US-Interessen nur peripher betroffen, während es sich zentral gegen die deutschen Positionen auf dem polnischen Medienmarkt richtet.

Angesichts der engen geopolitischen Kooperation zwischen Washington und Warschau, die sich seit dem Besuch Trumps in Warschau verstärkt, scheint ein aktives Vorgehen der Trump-Administration gegen die PiS eher unwahrscheinlich. Diese geopolitische Konstellation scheint man in Warschau ins Kalkül einbezogen zu haben bei dem nun anstehenden Kampf gegen Deutschlands Medienkonzerne.

Der große Deal zwischen den Vereinigten Staaten und Polen umfasst langfristige Lieferungen von amerikanischem Flüssiggas [17] denen gegenüber die Einschränkungen einiger weniger Medienkonzerne zurückzustehen haben. Die USA, die sich zunehmend in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber Berlin sehen und Mittelosteuropa als einen geopolitischen Verbündeten aufbauen wollen, könnten dieses Vorgehen Warschaus gegen deutschen Kapitalinteressen sogar tolerieren.

Polens Rechte legitimiert inzwischen den autoritären Umbau der polnischen Gesellschaft - ganz nach dem Vorbild der "illiberalen Demokratie" Orbans in Ungarn - mit zunehmender Kritik an der EU und spezifisch an der deutschen Dominanz in Europa. Spätestens seit dem Exempel, das Schäuble an Griechenland exekutierte, wird innerhalb der polnischen Rechten [18] die deutsche "Hegemonie" als ein wichtiges "Problem" Europas diskutiert [19].

Der antideutsche Kurs der PiS kann somit als ein nationalistischer Fallout des rücksichtslosen deutschen Dominanzstrebens in Europa begriffen werden (Willkommen in der Postdemokratie [20]), das sich nun auch seiner eignen Zielsetzung gemäß als kontraproduktiv erweist. Dies scheint selbst den deutschen Medienschaffenden zu dämmern: Wenn nicht alles tröge, so sollten nun Herr Döpfner und die anderen Deutschen auf dem polnischen Pressemarkt "schnell ihre Eindämmungspläne ausarbeiten", warnte das Handelsblatt.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3806116

Links in diesem Artikel:
[1] https://global.handelsblatt.com/companies-markets/polands-media-witch-hunt-hits-german-publishers-807251
[2] http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/gzwanzig-147.html
[3] http://www.streifzuege.org/2017/reaktionaere-politisierung
[4] https://www.heise.de/tp/features/Die-Graue-Eminenz-3414718.html
[5] http://pikio.pl/jest-lista-mediow-ktorych-dotknie-repolonizacja/
[6] https://www.heise.de/tp/features/Autobahn-und-Auslaenderhass-3484941.html
[7] http://wyborcza.pl/7,155287,22182395,repolonizacja-mediow-zagraniczny-wlasciciel-tylko-z-20-proc.html
[8] https://www.heise.de/tp/features/Deutsch-Mittelost-3390149.html
[9] https://pl.wikipedia.org/wiki/Ringier_Axel_Springer_Polska
[10] http://www.fakt.pl/
[11] http://www.newsweek.pl/
[12] https://pl.wikipedia.org/wiki/Polska_Press
[13] https://wpolityce.pl/polityka/169495-niemcy-z-kontrola-90-mediow-regionalnych-w-polsce-jeszcze-w-1998-roku-posel-marcinkiewicz-wskazywal-na-zaleznosc-tresci-gazet-z-niemieckim-interesem
[14] http://www.broadbandtvnews.com/2017/08/07/poland-eyes-15-media-ownership-cap/
[15] http://wyborcza.pl/7,155287,22182395,repolonizacja-mediow-zagraniczny-wlasciciel-tylko-z-20-proc.html
[16] http://www.newsweek.com/polish-government-american-companies-media-law-donald-trump-649232
[17] http://foreignpolicy.com/2017/06/08/first-u-s-natural-gas-shipped-to-poland/
[18] https://wiadomosci.wp.pl/hegemonia-niemiec-nowy-problem-europy-6027651699102337a
[19] http://forsal.pl/artykuly/921997,jak-zwalczyc-hegemonie-niemiec-w-europie.html
[20] https://www.heise.de/tp/features/Willkommen-in-der-Postdemokratie-3374458.html